WEBVTT 00:00:02.540 --> 00:00:25.000 Ich bin Doris Pacchiaffo und geboren wurde ich am 12. Februar 1930 in Cilli, heute Celje. Meine Eltern, also mein Vater war Gold- und Silberwarenfabrikant 00:00:25.360 --> 00:00:39.340 und meine Mutter stammte aus dem Haus... Ihr Vater war Direktor eines Eisenwerks in Štore. Das ist 5 Kilometer von Cilli entfernt. 00:00:43.180 --> 00:00:52.620 Gewohnt haben wir in einer Villa auf der sogenannten Insel. 00:01:00.340 --> 00:01:09.700 Aufgewachsen bin ich natürlich so ziemlich frei und mein Vater ist dann aber im Jahr 34 verunglückt. 00:01:09.700 --> 00:01:29.740 In Triest war er mit seinen Kompanionen, da sind sie - ich nehme an sie waren in Laibach beruflich dort und sind dann ein Wochenende hinunter und sind dann 00:01:29.740 --> 00:01:47.060 ich vermute, gefahren ist ein Kompanion, der ältere von den zwei Brüdern und da hat er anscheinend einen Schlaganfall bekommen oder irgendetwas. 00:01:47.060 --> 00:01:59.180 Jedenfalls wollte er über die Brücke fahren über den Stichkanal den es da in Triest gibt und ist in den Kanal hinein und die beiden sind ertrunken. 00:01:59.180 --> 00:02:16.340 Der Jüngere, der rückwärts gesessen ist, der hat sich irgendwie aus dem Auto herausgebracht. Auf jeden Fall waren da waren meine zwei Brüder, der eine war zwei Jahre alt ungefähr 00:02:16.340 --> 00:02:32.180 und der andere war keine sechs Monate noch. Das Leben ist weitergegangen, das mit Schule und Kindergarten um slowenisch zu lernen. Und dann Volksschule, slowenische. 00:02:35.580 --> 00:02:43.220 Dann 41, Anfang April 41 - war noch knapp vor Ostern, 00:02:43.220 --> 00:02:48.700 ist dann der Krieg ausgebrochen für Jugoslawien 00:02:48.700 --> 00:02:53.060 und da is dann die deutsche Besatzung - aber in Slowenien waren keine Kämpfe. 00:02:53.060 --> 00:03:04.180 Man hat zwar am Anfang noch so Schüsse gehört von irgendwo aus der Gegend aber das war auch schon alles. Das war so pro Forma glaub ich mehr. 00:03:06.220 --> 00:03:11.300 Weil die Slowenen ja eigentlich kein Interesse hatten an einem Krieg oder etwas. 00:03:14.100 --> 00:03:38.540 Da war dann die Kriegszeit, die Schule weiter. Ich bin in die Hauptschule gegangen dann und dann 45 sind, wie der Krieg aus war - im Mai war das, 00:03:40.540 --> 00:04:01.540 da haben sie - wir sind nicht weg. Meine Mutter hat gesagt... 41 ist nichts geschehen, da wird schon dann auch nichts passieren. Bei den Großeltern hat das Personal gesagt 00:04:01.540 --> 00:04:12.140 sie können keine Garantie übernehmen, er muss weg. Da hat auch der Bruder meiner Mutter, der auch Ingenieur in dem Werk war, seine Familie mit weggeschickt. 00:04:12.140 --> 00:04:28.380 Das war noch knapp vor Kriegsende. Er selber ist dann noch rechtzeitig geflohen und wir sind geblieben bis wir dann verhaftet wurden. 00:04:28.380 --> 00:04:48.940 Da haben wir Slowenen zuerst gehabt im Haus auch und unsere Straße ist dann auch bevor die Serben gekommen sind als - wie soll man sagen - als Offiziersmesse oder was immer. 00:04:49.000 --> 00:05:03.580 Und unser Haus war eben das Haus wo das große Speiszimmer, da haben natürlich gegessen, gekocht entsprechend. Dann sind wir dann verhaftet worden. 00:05:03.580 --> 00:05:15.940 Die Großmutter Pacchiaffo und die älteste Schwester von meinem Vater der bei ihr gewohnt hat. Wir sind zusammen nach Tüchern gebracht worden ins Lager. 00:05:18.220 --> 00:05:32.940 Da ist natürlich dann alles was Wertsachen waren abgenommen worden. Also Schmuck und alles. Meine Mutter hat es zwar gut versteckt gehabt am Körper, nur 00:05:32.940 --> 00:05:42.060 wie er dann gesagt hat "wenn in den nächsten Tagen was gefunden wird, wird sofort an die Wand gestellt" - daraufhin hat sie doch auch das hergegeben. 00:05:44.660 --> 00:06:00.620 Natürlich am nächsten Tag ist niemand mehr gekommen. Aber das war zu spät. Während dem wir noch - ungefähr drei Wochen in Tüchern 00:06:00.620 --> 00:06:10.420 zwischendurch ist dann einmal - also meine Brüder sind, nachdem sie unter 15 waren, ich war schon 15 - da bin ich bei der Mutter geblieben 00:06:10.420 --> 00:06:28.020 aber meine Brüder sind in ein Kinder Lager gekommen und zwar in Cilli beim Petricek. Das war einer - so ein Ausflugsgasthof in dem die Volksdeutschen 00:06:28.020 --> 00:06:40.700 immer ihre Treffen gehabt haben und Skirennen und was immer das war. Das war so am Hügel. Und dort sind sie im Kinderlager gewesen, 00:06:40.700 --> 00:06:53.300 da sind sie untergebracht worden. Wir sind dann - da hab ich einmal zum Kommisar müssen, der hat mich ausgefragt nach irgendjemanden 00:06:53.300 --> 00:07:08.300 dessen Namen ich nicht gekannt habe. Da bin ich dann draufgekommen, das könnte einer der Offiziere gewesen sein, die bei meiner Großmutter gewohnt haben. 00:07:08.300 --> 00:07:25.180 Scheint auch zu stimmen und da war er ganz zufrieden und damit - dann sind wir alle nach Sterntal gekommen. Ungefähr eine Woche später oder sowas. 00:07:27.860 --> 00:07:44.820 Sterntal das ist dann so gewesen, das sogenannte Sterbetal. Wir sind hingekommen. Die Leute die von zu Hause nach Sterntal gekommen sind, mussten für drei Tage Essen mitnehmen. 00:07:44.820 --> 00:07:53.620 Wir sind von einem Lager gekommen in dem wir ja eigentlich so überbrühtes Trockengemüse gehabt haben zum essen. 00:07:53.620 --> 00:08:09.060 Frühstück kann ich mich gar nicht mehr erinnern und dort war dann überhaupt nichts drei Tage. Da haben wir nichts zu essen bekommen, 00:08:09.060 --> 00:08:21.580 was schwer war natürlich für die Frau, die mit zwei kleinen Kindern war. Aber dann haben wir auch die Wasserkost bekommen. Das war, Frühstück war 00:08:21.580 --> 00:08:34.820 entweder eine sogenannte Einbrennsuppe, die so mehr wie Abwaschwasser ausgesehen hat oder Kaffee, das war so ein gefärbtes Wasser halt. 00:08:37.220 --> 00:08:56.940 Mittag und Abend war ungefähr ein halber Liter Suppe mit vielleicht so drei Stückerl Kartoffel oder drei, vier Bohnen drinnen geschwommen. 00:08:59.940 --> 00:09:08.820 Wir mussten uns aufstellen natürlich auch - es war nur, sagen wir eines, die viele Flüssigkeit war gut, es war nämlich ein sehr heißer Sommer 00:09:08.820 --> 00:09:25.100 und das Barackenlager war natürlich auch nicht kühl. Sie waren wohl so anständig und haben immer wieder die Dächer abgesprüht, um abzukühlen die Räume 00:09:25.100 --> 00:09:36.940 aber trotzdem es war eigentlich gut - Flüssigkeit haben wir genug gehabt. Dann ist dann wohl auch irgendwann ein kleines Stückerl Brot dazu gekommen. 00:09:41.940 --> 00:10:01.420 Bis dann die Aussiedlungen begonnen haben. Da sind dann natürlich die Ungarn, die Übermurgebiet, Prekmurje heute, ist ungarisch. 00:10:01.920 --> 00:10:19.180 Die sind natürlich genauso hereingekommen ins Lager. Da sind die ganzen Kinder gestorben. Meistens Frauen mit Kleinkindern, die Kinderwagen mit Gepäck, 00:10:19.180 --> 00:10:29.340 weil Kind war es ja keines mehr, da hat man es so gesehen. Und von unseren Leuten sind auch Kinder dann in ein Lager gekommen - Kinderlager. 00:10:29.340 --> 00:10:43.380 Die eine Frau, die wir gehabt haben, mit zwei kleinen Kindern, die war hochschwanger und ist mit Kindern - ich weiß nicht genau in welchem der Lager sie war. 00:10:43.380 --> 00:10:57.020 Da waren glaube ich zwei Schlösser oder irgendetwas sowas. Ein Schloss und ein anderes, ich weiß nicht mehr genau wo die da waren. Sie ist dann auch weggekommen. 00:10:57.020 --> 00:11:19.300 Meine Großmutter ist auch verhungert, auch gestorben im Lager. Sie war 87. Dann ist eines Tages gekommen jemand und hat meiner Mutter gesagt, 00:11:19.300 --> 00:11:28.900 meine Mutter und ich wir können gehen. Meine Mutter hat gesagt schön, alles schön und gut aber wir mussten uns in Marburg melden. 00:11:28.900 --> 00:11:39.740 Meine Mutter hat gesagt, ja schön, aber nur mit meinen Söhnen und da haben wir dann vier Tage bekommen, nach Cilli fahren können, die Buben abgeholt 00:11:39.740 --> 00:11:58.940 und sind noch einmal ins Haus. Am Dachboden haben wir dann verschiedene Fotos und so gefunden noch und dann sind wir eben nach vier Tagen nach Marburg, 00:11:58.940 --> 00:12:10.820 haben uns dort gemeldet und sind dann natürlich nach - ausgesiedelt mit dem Zug gebracht worden, nach dem alle Brücken gesprengt waren, über die Drau 00:12:10.820 --> 00:12:24.580 und Mar oder die Mur - da mussten wir mit dem Zug über Laibach, Aßling/Jesenice - da ist ein Tunnel, durch den Tunnel durch, sind wir dann nach - 00:12:24.700 --> 00:12:33.140 der Viehwaggon in dem wir alle waren, der hat einen Schubser bekommen, durch den Tunnel durch und auf der anderen Seite, auf der österreichischen 00:12:33.140 --> 00:12:51.500 haben sie schon gewusst, aha, die nächste Partie kommt. Der wurde dann angehängt an einen Zug, der bis Graz gefahren ist und unterwegs sind die Leute dann ausgestiegen 00:12:51.500 --> 00:13:06.820 in Villach und Klagenfurt und wo. Wir sind bis Graz mitgefahren und sind dann da hinüber zur Familie gekommen und die haben uns schon erwartet. 00:13:11.820 --> 00:13:23.300 Wie wir heraufgekommen und hier untergebracht wurden, hat es, ja, wovon leben wir jetzt? Meine Mutter hat ja nie einen Beruf erlernt. Sie hat Gott sei Dank nähen können. 00:13:23.300 --> 00:13:40.620 Weil das war eben gut bürgerliche Erziehung, nicht? Sie hat halt angefangen für Verwandte und Bekannte zu nähen und die haben dann finanziell oder was immer unterstützt. 00:13:40.620 --> 00:13:51.980 Wir waren noch in der Schule. Ich hab dann noch eine Sekräterinnen Schule gemacht, zweijährige und meine Brüder waren halt noch im Gymnasium. 00:13:57.860 --> 00:14:11.860 Nach der Schule hab ich dann eine Zeit arbeiten - als Staatenlose war immer schwierig. Wir haben noch keine Staatsbürgerschaft gehabt und das war immer nur schwierig noch. 00:14:11.860 --> 00:14:20.460 Mein Bruder konnte nicht nach Australien, wo er hinwollte. Der ist aber dann nach Kanada. Dort ist er dann als Staatenloser - hat er können. 00:14:25.020 --> 00:14:36.260 Staatsbürgerschaft inzwischen bekommen aber seine haben wir zurückstellen lassen. Dadurch hat er hingehen können. Ich glaube das war eh besser. 00:14:36.260 --> 00:14:53.420 Obwohl er nicht gerne die Kälte gehabt hat. Ich hab dann auch zuerst gearbeitet hier, dann habe ich bei Engländern gearbeitet, so als Kindermädchen. 00:14:53.420 --> 00:15:09.260 Bis ich dann eine Chance gehabt habe nach England zu kommen. Da hat mir die Hilfe von einer Familie bei der ich war. Mitnehmen konnte sie mich nicht, 00:15:09.260 --> 00:15:23.700 weil Österreich und Deutschland waren als Heimatland gerechnet für die Armee. Haben nicht gewusst, wo kommen sie hin. Bleiben sie in England oder kommen sie in Übersee. 00:15:23.700 --> 00:15:34.620 Deswegen haben sie mich nicht mitnehmen können, aber sie haben mir verschafft einen Posten in England, durch eine Nachbarsfamilie - Offiziersfamilie. 00:15:34.620 --> 00:15:53.180 Da bin ich nach Newcastle hinaufgekommen zu ersten Familie, da war ich dann eineinhalb Jahre bei denen - ich wollte nach London. Es war aber sehr nett, es ist ganz gut gegangen. 00:15:53.180 --> 00:16:04.060 Nach eineinhalb Jahren bin ich dann nach London, zuerst zu der Offiziersfamilie, die noch in England war und dann als Übergang, die kennen mich, 00:16:04.060 --> 00:16:12.900 ich weiß nicht wie ich das Klima vertrage. Weil das Grazer Klima habe ich nicht sehr gut vertragen - ich bin gewarnt worden, in London ist es noch ärger. 00:16:12.900 --> 00:16:24.100 Da habe ich mir gedacht es ist besser und dann bin ich dann ungefähr ein Jahr bei denen gewesen und hab inzwischen dann mir was gefunden bei einer Pianistin. 00:16:24.100 --> 00:16:41.900 Dort bin ich dann die 15 Jahre bis ich dann zurück nach Österreich bin, gewesen. War interessantes - die Töchter haben mich dann nicht mehr gebraucht. 00:16:45.180 --> 00:16:54.580 Meine Mutter war gesundheitlich nicht mehr sehr gut beisammen. Da habe ich gesagt, ich muss schauen, dass ich nach Hause komme und bin wieder zurück nach Hause. 00:16:57.980 --> 00:17:16.060 Da habe ich dann Büroarbeit angefangen wieder. Ausbildung habe ich ja gehabt. Bin dann bei Firma Wall gewesen - die Druckerei. Da bin ich im Büro gewesen. 00:17:19.900 --> 00:17:43.780 Hab da verkauft - im Verkauf war ich. Da bin ich bis zur Pensionierung, bin ich dann dort gewesen und jetzt bin ich halt hier zu Hause. Solange ich konnte - finanziell möglich - 00:17:43.780 --> 00:17:59.660 habe ich ein paar Reisen gemacht aber dann mit der kleinen Pension ist es nicht mehr gegangen, weil ich - die englische habe ich noch nicht gehabt - heute 200 Euro, nicht? 00:17:59.820 --> 00:18:21.420 Aber Gott sei Dank hab ich die, weil das... Nach dem Tod von meinem Bruder im Jahr 13, habe ich die ganzen Kosten selber... Manchmal kann ich ja doch über einen Tag wegfahren... 00:18:21.420 --> 00:18:29.300 Das kann ich mir noch leisten ab und zu. Reisen tu ich gerne. 00:18:29.300 --> 00:18:42.640 Interviewerin: Darf ich Sie nochmal fragen, zu dem Haus in dem Sie gelebt haben. Sie meinten das wäre eine kleine Stadtvilla auf einer Insel. Wie kann man sich das... 00:18:42.640 --> 00:18:57.420 Eine sogenannte Insel, das ist nämlich, heute wird das gar nicht mehr so als Insel angesehen. An der San und ein Bach herum. Das hat dann eine sogenannte Insel genannt. 00:18:57.420 --> 00:19:10.620 Das ist ein Villenviertel gewesen. Ja, ist heute auch noch - ist schon verbaut. Ja, ziemlich was verbaut worden. Die evangelische Kirche war auch dort. 00:19:10.620 --> 00:19:23.260 Die gibt es nicht mehr, die ist abgerissen worden in der Nachkriegszeit. Ich nehme an, sie war baufällig auch schon, da niemand sich gekümmert hat mehr. 00:19:27.860 --> 00:19:31.580 Villenviertel - also am Rande der Stadt. Also Altstadt. 00:19:32.700 --> 00:19:42.340 Interviewerin: Können Sie sich noch als Kind - sie waren da sehr jung - aber können Sie sich noch daran erinnern, wie der Nationalsozialismus verstärkt auf... 00:19:51.900 --> 00:20:08.620 Es ist die... Ja, wir mussten natürlich, musste man zur Hitler Jugend ein. Weil das war ein Muss wie Schule gehen, nicht? Also da hat er keine... Aber wir waren in einer Ortsgruppe, 00:20:08.620 --> 00:20:22.500 da haben wir das Glück gehabt, dass wir nur Lokal Mädchen - keinen Einsatz gehabt haben. Dadurch ist es natürlich etwas lockerer zugegangen. Nicht so... 00:20:24.780 --> 00:20:42.220 Wenn ein Kind gejammert hat: "Ich bin so arm" - weil wir waren nur - die Ausweise waren verschiedene Farben. Wir haben einen Grünen gehabt als Volksdeutsche noch 00:20:42.220 --> 00:20:56.220 und dann war ein Rosa und ein Weißer. Ich weiß es jetzt nicht mehr genau. Ich glaube der Weiße war überhaupt - Leute die nicht sicher waren. Rosa war glaube ich so Übergangszeit. 00:20:56.220 --> 00:21:09.660 Ich weiß nicht genau, da kann ich mich nicht mehr genau erinnern. Jedenfalls für ein Bergbauernkind, das war dann nur - da hab ich gesagt: "Geh, mach dir nichts drauß". 00:21:12.620 --> 00:21:23.580 Das Kind war beruhigt dadurch und was soll ich denn sagen, ich kann nicht irgendwie was beschimpfen oder weiß ich was. 00:21:23.580 --> 00:21:32.140 Interviewerin: Und Sie sind in eine Schule gegangen in der man dann auch Deutsch gesprochen hat? Oder gab es da einen Umbruch? 00:21:32.140 --> 00:21:45.260 Das war so, dass früher April, ja das war knapp vor Ostern, wie sie gekommen sind und dann ist, glaub ich im Juni oder so 00:21:45.260 --> 00:22:00.260 ist das so gewesen, dass der Schulbetrieb wieder angelaufen ist auf Deutsch und ich weiß Hauptschule, da waren wir nur ein paar deutsche Mädln da und wir sind 00:22:00.260 --> 00:22:15.020 sozusagen in einem Klassenzimmer alle vier Klassen drinnen gewesen sozusagen. So in Blöcke gesessen, so erste, zweite, dritte, vierte und irgendwie unterrichtet worden auf Deutsch 00:22:15.020 --> 00:22:23.700 konnte man - wir haben ja nicht erst Deutsch lernen müssen. Die anderen haben alle erst Deutsch lernen müssen, so dass dann im Herbst zu Schulbeginn 00:22:23.700 --> 00:22:27.940 dann der normale deutsche Unterricht angefangen hat. 00:22:29.820 --> 00:22:33.080 Interviewerin: Und konnten Sie auch Slowenisch sprechen? 00:22:33.080 --> 00:22:46.060 Ja schon, ich habe ja slowenische Volksschule gehabt. Hauptschule habe ich Slowenisch noch angefangen und dann ist im April der Kriegsausbruch gewesen, 00:22:46.060 --> 00:22:58.140 dadurch ist abgebrochen worden. Aber ich muss sagen, ich hab eigentlich - wie ich nach England bin, habe ich noch sehr gut gekonnt... Ich habe auch hier immer wieder 00:22:58.140 --> 00:23:10.660 eine Zeitung gekauft, um es mir zu merken, also aufrecht zu halten, was ich zwar von Verwandten beschimpft wurde, was kann ich denn nur diese Sprache lernen? 00:23:10.660 --> 00:23:25.060 Da habe ich gesagt: "Was man kann, kann man"... In England mit dem Englischen, da habe ich unserer Köchin dann noch geschrieben auf Slowenisch und das zweite Mal 00:23:25.060 --> 00:23:35.460 schreibst ihr wieder - ich habe nicht mehr gewusst, ist es Englisch oder Slowenisch. Ich habe noch eine Weihnachts- und eine Osterkarte schicken können, das habe ich noch gewusst. 00:23:35.460 --> 00:23:50.260 Aber mehr nicht mehr. Das war vollkommen weg gewesen. Eine Bekannte hat gesagt, ja, das ist ihr auch so gegangen. Das ist auf einmal, dass das Slowenisch weg gewesen ist. 00:23:50.260 --> 00:24:04.980 Sie war glaub ich älter als ich, wie sie weggekommen ist, nach Österreich gekommen ist. Aber trotzdem, ich meine es verdrängt - abgedeckt sozusagen. Es kommt dann wieder. 00:24:04.980 --> 00:24:16.180 Ich weiß, wenn ich hinunter fahre und einmal unten bin - wegen einem Buch bin ich hinunter gefahren. Ich habe eine Mischung aus Slowenisch, 00:24:16.180 --> 00:24:28.220 Italienisch, Englisch zusammengemischt. Das ist dann ganz gut gegangen. Weil in Cilli haben sie können weder Englisch können - es hat immer geheißen, 00:24:28.220 --> 00:24:36.260 Deutsch hat keinen Sinn aber Englisch haben sie Unterricht aber das haben sie auch nicht können, die Verkäuferinnen zumindest. 00:24:36.260 --> 00:24:40.780 Interviewerin: Und ihr Name ist ja eigentlich ein italienischer Name. 00:24:43.780 --> 00:25:11.100 Wieviel Generationen schon - schon in Cilli gelebt. Der erste Pacchiaffo der aus Piran gekommen. Der war Zimmerman und sein Sohn war dann Goldschmied 00:25:11.100 --> 00:25:30.540 und mein Großvater auch. Und sein Vater ist zwar mit der Familie - das habe ich erst später... zurück nach Italien. Irgendwo in die Nähe von Padua, wo weiß ich nicht. 00:25:30.540 --> 00:25:42.980 Da sind wir nicht draufgekommen noch. Der Großvater ist zurück zu seinem Onkel der noch in Cilli war als Goldschmied - ist zu ihm gekommen und hat bei ihm gearbeitet, 00:25:42.980 --> 00:25:58.540 weil er mit seinem Vater nicht können hat. Er war der einzige der zurück gekommen ist und geholfen hat. Der Onkel muss aber dann auch bevor er gestorben ist, wieder hinunter. 00:25:58.540 --> 00:26:13.100 Weil mein Großvater ist der erste Pacchiaffo gewesen, der in Cilli beerdigt wurde. Die anderen sind alle zurück nach Italien, wo dann der Familiensitz war. 00:26:16.180 --> 00:26:34.220 Interviewerin: Ich würde Sie gerne noch einmal befragen zu dieser Umbruch Situation, also wo Sie dann mitbekommen haben, dass Jugoslawien als Staatssystem sich etabliert hat. 00:26:34.220 --> 00:26:38.580 Interviewerin: Sie waren ja noch sehr jung aber vielleicht... 00:26:38.580 --> 00:26:55.020 Naja, 15 war ich schon... Es sind natürlich Partisanen auf einmal da gewesen und die Deutschen waren weg. Der Krieg aus, da sind ja die Deutschen natürlich - Militär und so weiter 00:26:55.020 --> 00:27:19.300 abgezogen, soweit sie konnten. Was nicht weggehen konnten, sind dann natürlich eingesperrt worden ins Lager. In Cilli waren zuerst slowenische Burschen. Eigentlich waren die erst, 00:27:19.300 --> 00:27:30.460 die wir im Haus gehabt haben, waren aus dem Sanntal. Und die haben wir dann gefragt, warum sie eigentlich Partisanen sind und die haben gesagt: 00:27:30.460 --> 00:27:50.260 "Ja, wir sind eingerückt bei den Deutschen und dann haben wir Urlaub bekommen" - obere Sanntal. Entweder waren die Eltern umgebracht worden, der Hof niedergebrannt. 00:27:50.260 --> 00:28:09.500 Sagt er: "S ollen wir dann unseren Kopf für die Deutschen hinhalten?" Also sind sie so in den Wald gegangen. Verständlich. Und das war so der Grund 00:28:09.500 --> 00:28:26.780 warum sie - slowenisch - diese Burschen die wir im Haus gehabt haben. Dann sind die aber abgezogen und die Serben gekommen und da ist eben dieses Villenviertel, wo wir gewohnt 00:28:26.780 --> 00:28:44.220 haben, ist dann der Generalstab sozusagen gewesen, wo wir gewohnt haben und unser Haus war eben die Offiziersmesse sozusagen. Waren eigentlich ganz nett. 00:28:44.220 --> 00:29:01.820 Der Koch war ein Bosnier und... Waren eigentlich sehr nette, anständige Leute. Einmal ist sogar der Tito gekommen. Wie Göring mit seinem Generalstab, 00:29:01.820 --> 00:29:15.380 seinem Marschallstab, die Straße heruntermarschiert. Wir haben nicht einmal eine Wache bekommen ins Zimmer. Die haben zugeschaut vom Fenster aus, 00:29:15.380 --> 00:29:19.780 bei uns im Haus dann gegessen. 00:29:33.720 --> 00:29:47.220 Ein Bosnier - nein, ein Montenegriner war er. Der ist auf Besuch gekommen und meine Mutter hat mit ihm Italienisch gesprochen. Er hat Einen mitgehabt der Slowenisch hat können, 00:29:47.220 --> 00:30:01.700 mit dem hab ich mich unterhalten... Der wollte mich heiraten. Da hat meine Mutter gesagt: "Tut mir leid, sie ist erst 15" - unten wäre 16 00:30:01.700 --> 00:30:16.980 also 15 schon gewesen aber in Slowenien, Gott sei Dank 16 erst. Also den hätte ich nicht gerne gehabt. Dann, eines Tages hat dann die Köchin, wir haben 00:30:21.920 --> 00:30:39.200 gegenüber bei der Großmutter gewohnt, also gekocht und so. Die Pacchiaffo Großmutter hat schräg gegenüber gewohnt in einer Villa. Da hat die Köchin mir einmal einen Brief 00:30:39.200 --> 00:30:54.740 von einem anderne Offizier in die Hand gedrückt und gesagt, sie soll ihm sagen, ich geh eh jeden Tag hinunter in die Sann baden, im Sommer. Damit hat es sich gehabt, weil 00:30:54.740 --> 00:31:02.460 den habe ich nie gesprochen, weil während er hinunter gegangen ist, bin ich zu Hause gesessen und habe meinen Badeanzug gestopft. 00:31:04.380 --> 00:31:24.820 Bald darauf sind wir dann auch ins Lager gekommen, also verhaftet worden. Einmal zum Umziehen und weg. Das ist was wir dann gehabt haben. Den Koffer durchgeschaut 00:31:24.820 --> 00:31:46.780 nach Wertgegenständen oder was auch immer. Schmuck abgenommen. Auf jeden Fall sind wir drei Wochen dort gewesen, bis ich dann... Wie wir nach Graz gekommen sind 00:31:46.780 --> 00:32:03.020 haben wir dann in Graz von Leuten die später raufgekommen sind, erfahren, dass wir eigentlich zur Liquidierung verlegt waren und meine Mutter und ich sind durch diesen einen Offizier 00:32:03.020 --> 00:32:19.540 gerettet worden. Die Großmutter und die Tante von der Gefolgschaft des Geschäfts meiner Tante. Das heißt, deren Stiefsohn. Sie war verheiratet mit einem Witwer 00:32:19.540 --> 00:32:34.020 und zwei Söhne. Das Geschäft haben die Söhne dann übernommen und während des Krieges, während die Söhne eingerückt waren, ist meine Tante immer im Geschäft gewesen. 00:32:34.020 --> 00:32:41.380 Die haben dann die Tante und die Großmutter gerettet vorm Liquidieren. 00:32:41.380 --> 00:32:44.740 Interviewerin: Und wer war der Offizier genau? 00:32:44.740 --> 00:32:56.180 Er war einer der Partisanen, ich weiß nicht, war er Kroate oder Serbe oder was auch immer. Ich glaube er muss den Namen nach so ungefähr... Ich weiß den Namen 00:32:56.180 --> 00:33:12.060 nicht mehr. Aber was ich so in Erinnerung habe, könnte er Kroate gewesen sein. Ich habe nur dann, wie ich gefragt wurde vom Kommisar, nach dem Namen oder wie ich ihn kenne 00:33:12.060 --> 00:33:23.420 woher? Und dann ist es mir eingeleuchtet: "Moment, vielleicht meint er den...". Dann hab ich gesagt: "Is das so ein Kleinerer?" - "Ja" - "Aha..." 00:33:24.420 --> 00:33:28.780 - Interviewerin: Und er hat bei Ihnen im Haus gewohnt? - Nein, bei der Großmutter 00:33:28.780 --> 00:33:33.620 Interviewerin: Und kannte damit die gesamte Familie von Ihnen? 00:33:33.620 --> 00:33:47.740 Ja, meine Brüder sind dann ins Kinderlager gekommen, weil sie unter 15 waren und meine Mutter und ich, hätten liquidiert werden sollen und sind aber dann nach Sterntal 00:33:47.740 --> 00:34:01.420 gekommen, wie sie sich eingesetzt haben. Meine Großmutter und meine Tante auch. Wir sind also mehreren Leuten... nach Sterntal gekommen. 00:34:02.700 --> 00:34:10.660 Interviewerin: Wie haben Sie die Partisanen empfunden? Waren das für Sie eher bedrohliche Personen? 00:34:12.580 --> 00:34:33.220 Sie haben sich ordentlich benommen - wir haben sie als das angenommen, akzeptiert, was sie waren. Das war das einzige, was man... Man musste ja diskret auch sein, nicht? 00:34:35.060 --> 00:34:41.620 Interviewerin: Diese Slowenen von denen Sie erzählt haben, diese slowenischen Partisanen, waren das auch deutsche Minderheiten 00:34:41.620 --> 00:34:43.620 oder deutschsprachige Minderheiten? Weil es gab ja auch einige... 00:34:43.620 --> 00:34:57.060 Ja, die haben schon Deutsch gekonnt. Wissen Sie, erstens einmal waren sie in der Schule. Dann ist es ja so gewesen, die Slowenen haben ja, die meisten 00:34:57.060 --> 00:35:11.060 haben ja im oberen Sanntal durch die Touristen schon Deutsch gekonnt. Die Eltern haben sowieso Deutsch gekonnt. Oder, da war das sogenannte 00:35:11.060 --> 00:35:27.900 Domaće, das war also eine Mischung aus Deutsch und Slowenisch. Die Slowenen - die meisten - haben eigentlich schon von Haus aus... Wenn Sie jetzt im Alter meiner Mutter 00:35:27.900 --> 00:35:39.580 waren. Die haben sowieso Deutsch angefangen in der Schule. Dann eventuell, ab 14... 18 erst... Meine Mutter war ja schon draußen aus der Schule 00:35:39.580 --> 00:35:56.260 hat nicht mehr slowenisch gelernt. Die hat nie gekonnt. Die paar Worte die sie gekonnt hat, hat sie oft falsch angesetzt. Aber es war nicht notwendig. Es war die zweite Sprache. 00:35:56.260 --> 00:36:00.240 In der Hauptschule war ja als Fremdsprache Deutsch. 00:36:00.240 --> 00:36:08.260 Interviewerin: Wie war dann der Moment, wo Sie dann in das Lager gekommen sind? Wie kann man sich das vorstellen? 00:36:08.260 --> 00:36:21.180 Wir sind abgeholt worden, auf Lastwagen. Da hat er aufgeladen. Dann sind wir hinübergebracht worden - in einen der Räume von den Baracken. 00:36:21.180 --> 00:36:35.980 Die haben gesagt: "Da bleibst da". Strohsäcke da, Decken... Da habe ich dann sitzen können in dem Raum. 00:36:35.980 --> 00:36:39.960 Interviewerin: Wurden Sie vorher informiert, dass jemand kommt oder... 00:36:39.960 --> 00:36:53.020 Nein, nein, nein... Es sind wohl einmal irgendwelche gekommen, haben reingeschaut, da war meine Mutter gerade niedergelegen, weil sie... Hat sie sich gerade nicht wohlgefühlt. 00:36:53.020 --> 00:37:00.100 Dann sind sie wieder gegangen. Also ich weiß nicht, was sie wollten. Nur schauen ob wir da sind... Keine Ahnung. 00:37:04.460 --> 00:37:21.300 Dann sind sie aber eines Tages gekommen - "einpacken, einmal umziehen, gemma". Da haben wir dann gewartet, in das Lastauto rückwärts eingestiegen und ins Lager gebracht worden. 00:37:21.300 --> 00:37:35.820 Meine Brüder sind zu den Männern hinüber und wir sind zu den Frauen, auf der anderen Seite von der... Links waren die Männer, rechts waren die Frauen. Also die Zimmer da. 00:37:35.820 --> 00:37:44.560 Da sind wir so drei Wochen dort gewesen, bis wir dann nach Sterntal gebracht wurden. 00:37:44.560 --> 00:37:49.140 Interviewerin: Wie kann man sich das Lager vorstellen? Waren das so Pritschen? Wie haben sie geschlafen? 00:37:49.140 --> 00:38:06.620 Nein, das waren Strohsäcke am Boden. Das ist ja viel leichter... Ich weiß ja nicht, ob da irgendwie was ursprünglich waren... Das kann ich nicht sagen. Das war ein Lager, das schon 00:38:06.620 --> 00:38:20.820 ein Gefangenenlager oder was auch immer war. Keine Ahnung was da vor uns... Also zu der deutschen Zeit. In Sterntal das Lager, das war auch schon ein Gefangenenlager 00:38:20.820 --> 00:38:35.740 ursprünglich. Und zwar, wenn dort Leute... Da war eine Aluminium, oder so etwas, Fabrik in der Nähe und dort haben sie gearbeitet. Da waren die Gestelle da, noch die Bett Dings... 00:38:44.380 --> 00:38:54.700 Meine Mutter hat Gott sei Dank gesagt: "Wintermantel mitnehmen". Meine Mutter und ich sind zusammen gelegen auf meinem Mantel und der Mantel von meiner Mutter 00:38:54.700 --> 00:39:06.860 der war weiter, mit dem haben wir uns zugedeckt und die Handtaschen waren dann die Polster. In Tüchern waren ja noch Säcke da und Decken. 00:39:06.860 --> 00:39:10.000 Interviewerin: Das heißt in Sterntal war gar nichts da. 00:39:10.000 --> 00:39:14.400 Nein, nur Flöhe, Läuse, Wanzen. 00:39:16.580 --> 00:39:24.880 Interviewerin: Wie war das für Sie als Jugendliche? Wie haben Sie das empfunden, als junges Mädchen in so einer Situation? 00:39:24.880 --> 00:39:26.900 Man ist irgendwo... 00:39:31.060 --> 00:39:37.980 Bitte ich kann abschalten - Gefühle abschalten auch aber... 00:39:40.900 --> 00:39:47.420 Naja... Aber man nimmt sozusagen... 00:39:49.860 --> 00:39:52.740 Weiß nicht wie ich sagen soll... 00:39:56.140 --> 00:39:58.420 Irgendwie... 00:40:02.940 --> 00:40:21.260 Apathisch oder irgendwie... Da wird man irgendwie das. Ja, Gefühle kommen dann irgendeinmal wieder einmal. Man fangt an, sich irgendwie zu unterhalten 00:40:21.260 --> 00:40:26.300 mit den anderen im Zimmer. Da war eine ziemliche Mischung da. 00:40:35.870 --> 00:40:48.940 Und da haben wir angefangen, Kochrezepte zu... Ich habe massenhaft... Zettel, wir haben Zettel geschrieben. Ja und ausgetauscht... Einen der andere, da waren verschiede 00:40:48.940 --> 00:40:55.740 Gegenden. Das war eine Beschäftigung. Wir waren ja hungrig, nicht? 00:41:00.580 --> 00:41:08.140 Interviewerin: Das heißt, in der Situation haben Sie Kochrezepte geschrieben und sich ausgetauscht mit den anderen Insassen? 00:41:08.140 --> 00:41:17.820 Ja, das ist dann so im Zimmer - im Zimmer ist das gegangen. Die Einen haben geschrieben, die Anderen haben nicht, die haben zugehört nur oder so weiter, 00:41:17.820 --> 00:41:30.100 kein Interesse gehabt. Das hängt immer davon ab... Wir sind Damen gewesen, die Kochen haben können - die kein Interesse gehabt haben oder auf Köchinnen angewiesen waren, 00:41:30.100 --> 00:41:52.980 denen war es ziemlich egal zum Beispiel. Zuhören, ja ok. Der Tag musste irgendwie verbracht werden. Bisschen spazieren gehen im Lager. Wir durften ja die Lagerbaracken verlassen. 00:41:52.980 --> 00:41:56.780 Also haben wir spazieren gehen können. 00:41:58.460 --> 00:42:02.420 - Interviewerin: Mussten Sie dort auch arbeiten? - Nein, nein, nein... 00:42:04.060 --> 00:42:07.620 Interviewerin: Gab es dort Wachen? Haben Sie die Wachen mitbekommen? 00:42:07.620 --> 00:42:25.460 Ja, das war irgendwo außen herum, schon. Da waren Drahtverhaue sowieso. Ab und zu ist Einer so durchgegangen. Aber auch wenn die sich daneben benommen haben, 00:42:25.460 --> 00:42:40.100 die sind auch eingesperrt - von den eigenen Leuten eingesperrt. In unserer Nähe war der sogenannte Kartzer, da ist immer wieder ein Singender drinnen gewesen. 00:42:43.900 --> 00:42:45.380 Latrinen... 00:42:48.340 --> 00:43:01.100 Zum Waschen war eigentlich nicht viel. Gut waschen hat man sich eigentlich nicht können. Wäsche waschen schon gar nicht. Man hat ja nichts gehabt, nicht? 00:43:02.500 --> 00:43:08.900 Wenn man Seife mitgehabt hat, solange sie gehalten hat aber wir waren ja drei Monate dort. 00:43:11.620 --> 00:43:18.700 Intervierwerin: Wussten Sie, wo Sie sich da befinden und dass das auch gefährlich sein könnte für Sie? 00:43:18.700 --> 00:43:37.220 Nein. Ich habe nicht das Gefühl gehabt, dass irgendwas... Schon in Tüchern nicht. Weil wir ja nicht gewusst haben von den Liquidierungen. Wir haben wohl Schießereien gehört 00:43:37.220 --> 00:43:53.020 von zu Hause aus, nur haben wir geglaubt, die tun da Munition verschießen. Aber dass Menschen liquidiert wurden, das haben wir nicht mitbekommen. 00:43:53.020 --> 00:43:56.980 Das haben wir erst später in Österreich erfahren. 00:43:58.580 --> 00:44:07.860 Interviewerin: Wie kann man sich ungefähr einen Tagesablauf vorstellen? Sie haben gesagt, Sie haben sich Rezepte überlegt um die Zeit zu überbrücken. 00:44:07.860 --> 00:44:12.300 Was hat man da gemacht? Wieviel Leute waren sie in einem Raum? 00:44:12.300 --> 00:44:26.820 Wieviel waren wir so? Zehn glaube ich waren wir. Ungefähr zehn Leute, Frauen. Irgendwas hat man gesprochen, irgendwas. Ich weiß, meine Großmutter ist dann 00:44:26.820 --> 00:44:43.100 gesessen meistens auf einem Stuhl und mehr oder weniger hat den Tag so verbracht. Ist draußen gesessen und dann redet man dies oder jenes oder was immer... 00:44:43.100 --> 00:44:48.420 Irgendwie hat man den Tag halt verbringen müssen. 00:44:49.620 --> 00:44:55.100 Interviewerin: Haben Sie mitbekommen, dass Gewalt ausgeübt wurde in irgendeiner Form? - Nein. 00:45:02.420 --> 00:45:20.980 Wie war das? Die eine Cousine von meiner Tante... Also von meinem Vater eine Cousine, mütterlicherseits, die war auch im Lager. Die ist eines Tages aufgetaucht. 00:45:20.980 --> 00:45:41.260 Die hat meine Tante gekannt, dadurch ist sie dann gekommen... Deren Mann ist abgeführt worden, das hat sie nicht gewusst wohin. Dass er augenscheinlich liquidiert wurde 00:45:41.260 --> 00:46:02.060 das hat sie auch nicht gewusst. Sie hat nur nicht gewusst, wohin sie gekommen ist. Sie ist dann auch ausgesiedelt worden. Ihr Mann war Österreicher. Ja, Österreicher war er. 00:46:11.780 --> 00:46:19.980 Wir haben sie erst kennengelernt, wie sie hierher nach Graz gekommen ist und uns besucht hat. 00:46:27.500 --> 00:46:38.100 Das ist einer dieser Dinge, ein Tag vergeht nach dem Anderen... Irgendwie, nicht? 00:46:39.420 --> 00:46:43.020 Interviewerin: Wie haben Sie dann erfahren, dass Sie gehen dürfen? 00:46:43.020 --> 00:46:58.700 Es ist dann Einer gekommen und hat meiner Mutter gesagt, ja... Ich weiß nicht, entweder hat sie bekommen, gleich den Entlassungsscheine oder hat sie ins Büro müssen. 00:47:00.380 --> 00:47:14.020 Sagen ja, die Scheine holen - Entlassungsscheine. Da hat sie dann eben gesagt, ja, schön aber sie möchte ihre Söhne auch. Da haben wir dann vier Tage bekommen 00:47:14.020 --> 00:47:17.820 und wir sind nach Cilli gefahren um sie abzuholen. 00:47:17.820 --> 00:47:21.220 Interviewerin: Das heißt, sie waren die Einzigen, die dort gehen durften, die Anderen... 00:47:21.220 --> 00:47:33.620 An diesem Tag, waren wir zwei die Einzigen... Sind zum Zug hinunter, zur Bahn - das ist nicht weit gewesen der Bahnhof. Irgendwie haben wir wahrscheinlich 00:47:33.620 --> 00:47:46.740 einen Fahrschein bekommen. Weil ich kann mich nicht erinnern, dass meine Mutter Einen gekauft hat. Ich glaube wir mussten dann irgendwie... Weil auch wie wir dann im Zug 00:47:46.740 --> 00:48:02.780 nach Marburg gefahren sind - weiß ich nicht, ob meine Mutter gekauft hat einen Fahrschein oder den Schein mitgehabt haben, kann ich mich nicht mehr erinnern. 00:48:02.780 --> 00:48:18.900 Hat mich nicht interessiert damals. Bei der Aussiedlung, waren wir sowieso ein Waggon mit Mehreren. Das war dann sowieso von Marburg aus. 00:48:20.780 --> 00:48:25.340 Interviewerin: Wie war das, sie sind dann zu dem Kinderlager gegangen...? 00:48:25.340 --> 00:48:40.220 Ja, wir sind dann gegangen und haben meine Brüder geholt - abgemeldet und so - und sind zurück ins Hotel und haben dort... 00:48:43.780 --> 00:48:57.620 Meine Mutter hat noch ein, zwei Leute gekannt... Ist auch gegangen in das Büro von unserem Rechtsanwalt. Da hat sie das Glück gehabt, dass ein ehemaliger Schulkollege vom 00:48:57.620 --> 00:49:10.820 Bruder meiner Mutter als Rechtsanwalt das Büro übernommen hat und da hat er die ganzen Unterlagen bekommen. Die ganzen von Fabrik und Haus und allem. 00:49:10.820 --> 00:49:24.940 Das hat er ihr gegeben und ich glaube er hat ihr auch die Möglichkeit, dass sie ins Haus kann, dass wir ins Haus konnten, noch einmal. 00:49:30.620 --> 00:49:48.460 Dann hat noch der Mann der in Štore den Konsum geführt hat, da hat meine Mutter irgendwie die Adresse gewusst. Sie ist dann hingegange... Das war dann auch eine 00:49:48.460 --> 00:49:59.420 Beamtin von Štore mit der er zusammen gelebt hat und bei denen sind wir dann einemal eingeladen gewesen. Er hat für meine Brüder auch lange Hosen - wir haben nur Shorts 00:49:59.420 --> 00:50:09.900 gehabt, wie wir eingesperrt wurden. Es war Oktober, es ist schon kalt geworden. Da hat er für ihnen auch Hosen organisiert. 00:50:14.500 --> 00:50:28.660 Ich glaube er hat meiner Mutter auch Geld gegeben, damit sie eins hat. Mark war noch - Reichsmark sozusagen. Weil viel wird sie nicht in der Handtasche gehabt haben. 00:50:34.300 --> 00:50:40.620 Zum Essen hat er auch eingeladen - also die vier Tage... 00:50:43.740 --> 00:50:54.900 Dann sind wir wieder nach Marburg gefahren und auch in ein Hotel hinein, weil am nächsten Tag - wir sind am Tag vorher nach Marburg gekommen, 00:50:54.900 --> 00:50:58.620 am nächsten Tag mussten wir uns melden, Vormittag. 00:51:03.880 --> 00:51:17.300 Dann sind wir in den Zug verladen worden. Unterwegs haben wir dann irgendwo - ich weiß allerdings nicht mehr wo das war - an irgendeiner kleinen Haltestelle 00:51:17.300 --> 00:51:33.980 stehen geblieben um Mittagessen, im Gasthaus. "Gepäck lasst da". Zwei der Frauen die eben, haben gesagt: "Wir brauchen kein Mittagessen, wir passen nur auf das auf." 00:51:33.980 --> 00:51:42.140 Gott sei Dank, sonst hätten wir das nie wieder gesehen. Wir sind nämlich nicht wieder dahin gekommen, sonder wir sind woanders hingebracht worden 00:51:42.140 --> 00:52:06.060 wo der Zug gewartet hat. Die Zwei... Die waren nicht so leichtgläubig. Wir haben das Mittagessen bekommen und dann sind wir eben in den Viehwaggon verladen worden. 00:52:06.060 --> 00:52:30.700 Mit Gepäck, Gott sei Dank, dadurch, dass die zwei Frauen das gemacht haben. Durch den Tunnel durch - geschubst. Auf der österreichischen Seite in Kärnten angehängt worden. 00:52:35.700 --> 00:52:40.540 Interviewerin: Sie sind ja noch kurz in das Haus zurückgekehrt. 00:52:43.180 --> 00:52:55.180 Im Keller haben wir nachgeschaut, ob irgendwas von uns ist. Da haben wir ein paar Sachen - Geschirr - Sachen gefunden. 00:52:55.180 --> 00:53:11.340 Und am Dachboden, da hat dort wohl schon eine von denen darin gewohnt hatten - am Dachboden alle möglichen Sachen... Diese Bilder, die drei Bilder waren oben 00:53:11.340 --> 00:53:33.700 am Dachboden. Die zwei und dann das vom Bruder, der Dritte. Bilder, haufenweise Fotos, die wir mitgenommen haben natürlich. Weil das war das Einzige, was wir noch gehabt haben. 00:53:37.460 --> 00:53:40.220 Und war sonst noch was...? 00:53:40.220 --> 00:53:43.180 Interviewerin: Hat da schon jemand drinnen gelebt in dem Haus? 00:53:43.180 --> 00:53:57.660 Ja ja, schon. Da waren zwei Parteien drinnen. Die haben natürlich gesempert: "Wir hätten das auch nicht dürfen". Und so weiter, wie das schon so ist. 00:53:59.100 --> 00:54:16.020 Wir haben die Sachen zusammen geklaubt. Irgendeine Tuchent war auch dabei. Wissen Sie was eine Tuchent ist? Eine Daunendecke, das heißt ein Polster 00:54:16.020 --> 00:54:28.300 das war die Daunendecke. Nicht abgeschnitten, sondern ein Polster und das hat die Tuchent genannt. Ich weiß gar nicht, wie man das auf Deutsch genannt hat. 00:54:31.540 --> 00:54:49.540 Da haben wir die ganzen Fotos hinein verfrachtet und was immer möglich war. Dann sind wir wieder zurück ins Hotel. Und die Nachbarin aus dem Nebenhaus 00:54:49.540 --> 00:55:04.380 da haben wir ja gewusst, dass die Nachbarin wieder da ist. Die sind ausgesiedelt worden vom Nebenhaus. Der jüngste Sohn, der eigentlich vereinbart war, 00:55:04.380 --> 00:55:23.980 dass er uns slowenisch beibringt, hat aber von uns Deutsch gelernt. Das war vor Schulalter schon. Der Vater war Lehrer und Direktor von der Umgebungsvolksschule. 00:55:23.980 --> 00:55:37.380 Da hat er mit der Mutter arrangiert gehabt, dass die Slowenen, dass der jüngste Sohn, der älter war als wir, etwas älter, der ist viel bei uns immer gewesen 00:55:37.380 --> 00:55:52.900 und wie er zurück gekommen ist, er war der Erste da und er hat sofort bei uns Besuch gemacht. Meine Mutter hat ja den Versuch gemacht, seine Familie zu retten, 00:55:52.900 --> 00:56:02.900 dass sie nicht ausgesiedelt werden. Aber nichts. Meiner Mutter wurde nur gesagt, dass... Und eine Lehrerin, die ich eigentlich nie gehabt habe, die sich aber immer, 00:56:02.900 --> 00:56:17.180 sich in der Vorbürgerschule, sich immer gekümmert hat um mich. Immer gekommen ist: "Sei vorsichtig, tu das...". Da war eine serbische Lehrerin, die hat mich gehasst. 00:56:20.180 --> 00:56:40.780 Ich war so... Sie hat mich nicht zu Tränen bringen können, weil... Ich hab sie abprallen lassen. Ich war sehr ignorant in der Beziehung. Ich hab nichts gemacht aber 00:56:40.780 --> 00:56:50.300 nie was falsch machen, versucht aber wenn einmal was passiert ist, dann war ich da schon Schuld. Da bin schon ich beschimpft worden. 00:56:50.300 --> 00:57:04.060 Dann ist sie gekommen wieder, hat scheinbar im Lehrerzimmer geschimpft über mich. Dann ist sie gekommen: "Bitte dich, sei vorsichtig". Die ist auch ausgesiedelt worden. 00:57:04.060 --> 00:57:16.700 Da hat meine Mutter auch versucht, da haben sie dann gesagt: "Passen's auf und hören's auf mit dem sich einschalten, sonst kommen Sie ins Lager". 00:57:18.220 --> 00:57:20.660 Interviewerin: Wie hat Ihre Mutter versucht das zu verhindern? 00:57:20.660 --> 00:57:33.340 Ja, sie hat gewusst, wo man hingehen muss. Das Einzige war den Kompagnon, der war ja Slowene und da hat er einmal gesagt, meiner Mutter gesagt gehabt, 00:57:33.340 --> 00:57:48.500 er hat erfahren, dass ein Goldschmied, der es nie zu irgendetwas gebracht hat, also er war scheinbar nicht gut genug oder was auch immer gekonnt, der hat das Auge... 00:57:48.500 --> 00:58:10.700 Wollte sich unter den Nagel reißen, die Fabrik. Da hat meine Mutter gewusst, zu wem sie gehen muss um ihm erzählen... Mein Mann, der sie als Freund angesehen hat... 00:58:16.300 --> 00:58:30.860 Der hat dann geschaut, dass der geblieben ist, er nicht eingesperrt oder sonst was wurde. Seine Familie, da hat es... unberührt worden. 00:58:32.980 --> 00:58:44.540 Aber sonst war eine Stelle wo die Mutter gewusst hat, wo man hingehen muss... Versucht. Nur haben sie ihr dann gesagt, sie soll... "Bitte tun sie das nicht weiter, 00:58:44.540 --> 00:58:57.220 weil sonst kommen Sie in das Lager". Und wir wären vielleicht zur Großmutter gekommen, gegenüber. Aber die Fabrik wäre auch weg gewesen. 00:58:57.220 --> 00:59:00.500 Interviewerin: Das heißt sie hat sich für andere Leute eingesetzt, dass sie nicht... 00:59:00.500 --> 00:59:14.540 Ja, damit sie nicht eingesperrt werden und nicht ausgesiedelt werden. Slowenen. Daraufhin hat meine Mutter dann aufgehört damit. 00:59:16.620 --> 00:59:31.340 Den Kompagnion hat sie - nicht dieser Stelle aber bei einer anderen - von dem sie gewusst hat, dass er auch da mitbandelt, mit den Aussiedlern und so weiter. 00:59:33.340 --> 00:59:36.660 Interviewerin: Aber das hat ihr ja nicht geholfe, weil sie wurde dann ja auch... 00:59:36.660 --> 00:59:52.540 Der hat geschaut, dass es in der Kompagnion bleibt. Weil er hat dann die Firma weitergeführt, weil sonst wäre sie auch... Nicht nur wir haben davon gelebt 00:59:52.540 --> 00:59:56.380 sondern auch die Großmutter hat ihre Pension von der Firma gehabt. 00:59:57.020 --> 01:00:00.580 Interviewerin: Das heißt, später, als Sie schon in Österreich waren, haben Sie noch... 01:00:00.580 --> 01:00:16.380 Nein, nein, da nicht. Nein das war noch während des Krieges. Während des Krieges mit der Aussiedlung. Sind auch Slowenen ausgesiedelt worden, die irgendwie beruflich 01:00:16.380 --> 01:00:36.660 im Weg waren oder... Deutschfreundlich waren die Nachbarn zwar aber Lehrer - slowenische Lehrer - haben sie halt nicht gebraucht. Und die Lehrerin... Ich weiß nicht... 01:00:37.420 --> 01:00:42.420 Interviewerin: Haben Sie das stark mitbekommen, dass die Slowenen dann ausgesiedelt worden sind? 01:00:42.420 --> 01:01:00.140 Ja, das hat man schon erfahren. Eingesperrt worden... Ausgesiedelt, der Andere in ein Lager gekommen sind, irgendwie. Manche sind nach Deutschland ausgesiedelt worden, 01:01:00.140 --> 01:01:13.180 die haben es eh besser gehabt. Und unten ist, ich weiß jetzt nicht, Kroatien sind sie glaube ich gewesen, die Lehrer. Und was mit der Lehrerin passiert ist, weiß ich nicht. 01:01:15.300 --> 01:01:22.940 Die war schon älter... Weiß ich nicht... Kroatien oder wo auch immer. Wohin die ausgesiedelt wurde, weiß ich nicht. 01:01:24.740 --> 01:01:31.620 Interviewerin: Haben Sie das persönlich mitbekommen, dass Slowenen oder Ihre Nachbarn oder Freunde von Ihnen... 01:01:31.620 --> 01:01:57.620 Ja, ja, schon... Ich weiß, da wie die gesucht worden, hat man bei uns angeläutet. Meine Mutter hat hinunter gefragt, was los ist. Die Gartentore haben ja eine Klingel gehabt 01:01:57.620 --> 01:02:17.340 weil die gesperrt waren. Angeläutet mitten in der Nacht. Irgendein komischen Namen, keine Ahnung wen die wollen. Rakus gegenüber. Naja, auch nichts. 01:02:17.340 --> 01:02:31.900 Dann sind sie draufgekommen, dass es die Zemlic war - gemeint haben. Da hat meine Mutter dann gesehen, dass Licht gewesen ist in der Wohnung. Hin und her... 01:02:35.380 --> 01:02:44.300 Da hat sich meine Mutter dann am nächsten Tag gleich versucht einzusetzen für die Familie aber kein Glück gehabt. 01:02:47.380 --> 01:03:00.820 Und wie sie das dann von der Lehrerin erfahren hat - ich weiß nicht, wie sie das erfahren hat - hat sie auch... Da ist sie dann gewarnt worden, es nicht zu tun. 01:03:04.620 --> 01:03:15.700 Interviewerin: Noch eine kleine Frage bezüglich Ihrer Brüder, als Sie sie abgeholt haben. Haben sie erzählt, wie das im Kinderlager war? Haben sie darüber gesprochen? 01:03:15.700 --> 01:03:34.820 Naja, die waren ja ziemlich frei da oben. Das war das Lager, da waren ja keine Wachen oder irgendetwas. Die sind frei herum... Also im Gelände. Eigentlich ein sehr schönes Gelände, 01:03:34.820 --> 01:04:01.180 wo der Ausflugsgasthof ist. Das ist außerhalb der Stadt. Die sind dort herum... Beschäftigt irgendwie, die Buben. Waren gemischt, Buben, Mädl... Zuerst haben sie gesagt, 01:04:01.180 --> 01:04:17.260 haben sie einen furchtbaren Fraß zu essen bekommen. Dann sind slowenische Kinder, die nach Deutschland gebracht wurden, von Eltern, die liquidiert wurden, oder was auch immer 01:04:17.260 --> 01:04:28.540 von den Deutschen. Die sind dann gekommen und haben erklärt: "Das essen wir nicht. Die Deutschen haben uns ordentlich verpflegt". 01:04:28.540 --> 01:04:42.780 Auf das hinaus haben sie dann richtig gekocht... Aber das was sie bekommen haben, haben sie für sich gebraucht. Jetzt haben sie dann natürlich die Kinder ernähren müssen, 01:04:42.780 --> 01:04:48.100 weil die Slowenen haben ja verlangt. Und die durften auch verlangen. 01:04:49.020 --> 01:04:51.620 Interviewerin: Und diese Kinder waren auch in diesem Lager? 01:04:51.620 --> 01:05:08.380 Die sind, ja - weil die haben ja keine Eltern mehr gehabt. Manchmal sind Verwandte wahrscheinlich gekommen und sich irgendwie... Wie wir meine Brüder abgeholt haben. 01:05:08.380 --> 01:05:24.660 Von den deutschen Kindern, die keine Eltern oder was immer gehabt haben, die sind dann von Familien aufgenommen worden. Eine Freundin von mir, die Schwester hat 01:05:24.660 --> 01:05:39.460 Kinder gehabt und die sind dann oben in, ich glaube Schönstein oder dort irgendwo untergebracht, adoptiert worden von einer Familie. Mit denen hat sie sogar Kontakt. 01:05:39.460 --> 01:05:57.740 Sie hat erfahren, wo. Ich weiß ein Nachbar, das waren Rumänen-Deutsche, die Frau und die Töchter sind umgebracht worden. Er selber war beim Militär 01:05:57.740 --> 01:06:11.500 und der Sohn, der war noch Kleinstkind oder ein Baby noch. Der ist dann bei einer Familie untergekommen. Den hat er dann aber zu sich kommen lassen. 01:06:11.500 --> 01:06:20.020 Das hat er dann von Österreich aus, von Graz aus gemacht. Das hat er dann meiner Mutter erzählt, als er sie einmal getroffen hat. 01:06:21.540 --> 01:06:30.260 - Interviewerin: Und Sie sind dann nach Österreich, nach Graz zu ihrer Verwandschaft - Verwandschaft - zur Pacchiaffo Verwandschaft 01:06:30.260 --> 01:06:40.700 - Interviewerin: Und das war in diesem Gelände. - Bitte wie? - Interviewerin: War das in diesem Gelände? 01:06:43.020 --> 01:06:55.100 Die haben hier gewohnt. Eigentlich haben alle hier gewohnt. Hier in dem gelben Haus war eine Familie, da war die ältere Schwester von meinem Vater. Die jüngste Schwester war drüben. 01:06:59.420 --> 01:07:13.900 Die Schwester, die mit uns eingesperrt war, die war schon hier, vor uns angekommen als wir die vier Tage weg waren. Die hat da schon gewartet. Da hat schon die Halbschwester, 01:07:13.900 --> 01:07:20.060 die hier gewohnt hat, hat schon die vier Betten für uns bereit gehabt. 01:07:21.780 --> 01:07:30.420 - Interviewerin: Das heißt, sie sind quasi wohlbehütet in der Familie... - Ja, ja. In der väterlichen Familie 01:07:33.060 --> 01:07:40.170 Interviewerin: Und haben Sie dann in diesen Räumlichkeiten zusammen mit Ihrer Schwester... 01:07:40.170 --> 01:07:47.820 Die Halbschwester - die hat hier gewohnt, ja. Das war ja ihre Wohnung und wir sind Untermieter gewesen, nicht? 01:07:49.100 --> 01:07:52.620 Interviewerin: Und wie war das für Ihre Mutter dann, diese Situation? 01:07:52.620 --> 01:08:07.300 Ja, es war natürlich schwierig. Und sie hat, Gott sei Dank, hat sie nähen können oder gerne genäht, viel genäht hat. Da hat sie dann angefangen, für Freunde, Bekannte, 01:08:07.300 --> 01:08:20.780 Verwandte, nähen angefangen und damit sich ein Geld verdient. Bis wir dann wieder auch verdienen haben können. 01:08:20.780 --> 01:08:23.460 - Interviewerin: Verheiratet haben Sie sich aber nicht? - Nein 01:08:25.620 --> 01:08:28.580 Der Kanadier war der Einzige. 01:08:32.060 --> 01:08:39.620 Interviewerin: Das heißt alle Ihre sonstigen... Oder als Geschwister sind Sie dann ledig geblieben und haben sich gegenseitig unterstützt. 01:08:39.620 --> 01:08:54.260 Ja, das und natürlich, wie ich zurückgekommen bin, nach dem Tod der Mutter habe nur ich mich kümmern müssen um den... Wenn irgendwas war... 01:08:54.900 --> 01:09:02.140 Interviewerin: Haben Sie versucht die Villa und die Fabrik wieder zurück zu bekommen, beziehungsweise Entschädigungs... 01:09:02.140 --> 01:09:19.800 Ja, mein Bruder hat was gemacht, hat aber dann... Weil wir nicht geheiratet haben - keine eigenen direkten Erben gehabt haben... Und dann wäre es zu teuer gewesen. 01:09:21.340 --> 01:09:37.540 Er hat es aufgegeben. Er hätte müssen einen Anwalt nehmen über Slowenien und wir haben beide nicht so viel verdient, dass wir uns das leisten hätten können. 01:09:37.540 --> 01:09:41.500 Und damit dann aufgegeben, nicht? 01:09:42.660 --> 01:09:51.450 Interviewerin: Und waren Sie mal wieder oder sind sie regelmäßig dann wieder zurück gefahren oder gab es die Situation...? 01:09:56.140 --> 01:10:10.380 Das erste Mal wieder hinunter gefahren, da war mein Bruder das erste Mal von Kanada auf Urlaub hier und da sind wir zusammen - also er hat sich ein Auto gemietet, 01:10:10.380 --> 01:10:25.980 weil er war der Einzige der einen Führerschein gehabt hat. Ein Auto gemietet, wir sind dann hinunter gefahren nach Cilli und dann nach Matujek und so. Wo wir früher einmal waren 01:10:25.980 --> 01:10:36.620 und sind dann zurück - eine Übernachtung und dann sind wir weiter. Für zwei Tage halt. 01:10:36.620 --> 01:10:41.020 Interviewerin: Haben Sie ihr Haus wiedergefunden? Gibt es das noch? 01:10:41.020 --> 01:10:55.180 Ja, ja, freilich, das Haus ist schon noch da. Es war auch das Haus von der Großmutter noch da gewesen. Und als wir das erste Mal unten waren, 01:10:55.180 --> 01:11:13.300 gegenüber, das Rakos Villa, die war schon aufgelassen, da hat die Köchin von uns, unsere ehemalige, geschrieben: "Das war ein Altersheim, nur für reiche Leute" - unter Tito Zeiten, 01:11:13.300 --> 01:11:26.780 was natürlich auch gezeigt hat, eigentlich gibt es auch Leute, die auch was gehabt haben. Das ist dann später vergrößert worden, 01:11:26.780 --> 01:11:37.980 auch das Gelände vom Großmutter Haus dazugekommen. Ziemlich großes Seniorenheim. 01:11:37.980 --> 01:11:41.220 Interviewerin: War das für Sie emotional schwierig? 01:11:41.220 --> 01:12:04.500 Nein, nein. Es war eine Stadt, die ich gekannt habe und die interessiert als Tourist sozusagen. Ich bin hinunter ein paar Mal mit der Urania gewesen. 01:12:06.900 --> 01:12:23.300 Ja, das hat da so verschiedene Gegenden. Wenn jetzt irgendwie die Urania runter fahrt, da fahr ich dann auch mit. So einmal im Jahr oder sowas oder wenn die Untersteirer 01:12:23.300 --> 01:12:35.060 eine Fahrt hinunter machen. In den letzten Jahren bin ich auch mitgefahren, wenn der Termin gepasst hat. 01:12:36.180 --> 01:12:42.100 Interviewerin: Sie haben erzählt, Sie waren staatenlos. Wie lange waren Sie staatenlos? 01:12:42.100 --> 01:12:53.620 Bis wir die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen haben. Meine Mutter hat angefordert, ich weiß nicht, irgendein Termin war da, wo man anfordern hat können. 01:12:53.620 --> 01:13:15.020 Ich weiß nicht... Naja, wann ist mein Bruder nach Kanada... 47 glaub ich. Ungefähr 47 oder sowas. Ja und dann die Staatsbürgerschaft bekommen haben. 01:13:15.020 --> 01:13:25.140 Angefordert noch... Wahrscheinlich war es schon so 46 ungefähr, die Anforderung möglich. 01:13:26.260 --> 01:13:27.900 Interviewerin: Und Sie haben 47 dann... 01:13:27.900 --> 01:13:38.020 Ich weiß nicht genau wann, ungefähr. Irgendeinmal ist es dann gekommen. Da mein Bruder nach Kanada wollte, da ist es zurück gestellt worden. 01:13:38.020 --> 01:13:46.460 Er hat es nicht angenommen, seine. Da haben nur wir gehabt. 01:13:48.980 --> 01:13:56.770 Interviewerin: Und haben Sie sich dann ab dem Zeitpunkt oder später als Österreicherin gefühlt? Oder immer schon als Österreicherin gefühlt? 01:13:56.770 --> 01:14:03.100 Wir sind Altösterreicher. Sogenannte Altösterreicher. 01:14:04.340 --> 01:14:13.780 - Interviewerin: Und das war für Sie auch immer klar. - Ja, das war so - in Slowenien als Volksdeutsche. 01:14:15.260 --> 01:14:29.340 Das war ja immer so, die Altösterreicher waren die Volksdeutschen dann. Die Anderen, während des Krieges, aus Deutschland stammenden, das waren die Reichsdeutschen 01:14:29.340 --> 01:14:34.260 nicht die Volksdeutschen. Die Volksdeutschen waren die Österreicher. 01:14:37.500 --> 01:14:45.820 Interviewerin: Gibt es noch etwas, was Ihnen noch einfällt, was wir vielleicht nicht angesprochen haben aber Sie gerne noch sagen möchten? 01:14:47.420 --> 01:15:00.540 Ich kann nur sagen, wenn ich wieder hinunter gefahren bin nach Cilli, ich hab es nur bewundert, wie gut die Stadt sich eigentlich gut gemausert hat. 01:15:00.540 --> 01:15:15.780 Ich finde das eine schöne Stadt, das Cilli. Schön hergerichtet und so weiter. Natürlich um vieles vergrößtert als es war. Es hat 10 bis 12 Tausend Einwohner gehabt, 01:15:15.780 --> 01:15:28.900 und heute hat es 40 bis 60. Also es ist ganz schön vergrößert. Es hat natürlich vieles ausgedehnt und so weiter... 01:15:30.860 --> 01:15:39.770 Ab einer bestimmten Stelle, kenn ich mich überhaupt nicht mehr aus. Straßen verändert worden...