WEBVTT 00:00:07.158 --> 00:00:11.397 Das ist eigentlich eine sehr schwierige Frage, weil ich das Gefühl hab, 00:00:11.597 --> 00:00:18.301 das einfach die Zeitabstände werden immer kürzer, wo sich die Menschen an Sachen erinnern 00:00:18.501 --> 00:00:26.400 Und ich sehe, dass heute schon Leute sich schon kaum mehr an die 70er, 80er Jahre erinnern, 00:00:26.500 --> 00:00:30.917 das sind aber auch nur erst 30 Jahre. Das heisst in der Geschichte ist es eigentlich eine sehr kurze Zeit -  00:00:31.117 --> 00:00:36.411 das viele der Sachen einfach sehr schnell einfach verloren gehen. 00:00:36.611 --> 00:00:46.398 Und natürlich, wie sich die Leute erinnern werden, das wird davon auch abhängen, wie weit wir jetzt 00:00:46.598 --> 00:00:53.134 es schaffen, die nächste Generation für dieses Thema einfach interessiert zu halten. 00:01:01.205 --> 00:01:06.844 Die finde ich schon eigentlich interessant  und es wird sicher auch eine Frage werden, 00:01:07.044 --> 00:01:09.020 mit der man sich wird auseinandersetzen müssen. 00:01:09.220 --> 00:01:18.780 Mein erstes statement war doch, wie soll ich sagen, ein bisschen skeptisch zu diesem Thema 00:01:18.980 --> 00:01:25.812 Weil ich glaube einfach die Welt, gerade Europa ist in so einer schnellen Veränderung begriffen 00:01:26.012 --> 00:01:31.450 dass viele der Dinge, die wir uns wünschen oder uns vorstellen 00:01:31.650 --> 00:01:37.667 aus meiner Sicht nicht gesichert sind, dass sie auch so bleiben werden. 00:01:37.867 --> 00:01:45.626 Also ob man sich noch erinnern wird wollen, ob man sich noch erinnern wird können 00:01:45.826 --> 00:01:53.219 bleibt nur noch mehr die Literatur und die Kunst und die Musik, die das aufrecht erhält? 00:01:53.419 --> 00:02:02.500 Genügt das, um die Erinnerung aufrecht zu erhalten? Das sind, glaube ich, sehr wichtige  00:02:02.700 --> 00:02:06.885 aber auch sehr schwierige Fragen, die ich selber gar nicht beantworten kann 00:02:06.952 --> 00:02:10.302 aber über die ich mir auch schon viele  Gedanken mache. 00:02:16.952 --> 00:02:23.927 Der Ansatz war eigentlich damals ganz simpel. Simpel und naiv, wie halt eben die 60er Jahre waren. 00:02:24.127 --> 00:02:33.100 Da gab es gar nichts. Wien war eine dumpfe, graue Stadt, jugendfeindlich, rassistisch, antisemitisch. 00:02:33.300 --> 00:02:42.200 Und dann kam plötzlich ein zartes Pflänzchen und das hieß dann irgendwie "Folk" aus Amerika 00:02:42.400 --> 00:02:49.891 und dann kamen plötzlich die ersten Musiker. Pete Seeger, Bob Dylan, Joan Baez und viele, viele … 00:02:50.091 --> 00:02:56.487 Und die haben schon, wie soll ich sagen, auch Theodore Bikel z.B., und die sangen schon 00:02:56.687 --> 00:03:04.252 plötzlich auch internationale Folk Musik.  Und das hat uns angefangen, zu interessieren. 00:03:04.452 --> 00:03:11.311 Das war das erste Außenfenster, das wir erlebt haben. Damals konnte sich keiner von uns vorstellen, 00:03:11.511 --> 00:03:15.746 jemals große Reisen zu machen. Wir waren auch nirgends. Wir waren endlich mal außerhalb von Wien. 00:03:15.946 --> 00:03:21.000 Und dann kamen plötzlich diese Musiker und wir hörten dann irgendwie eine ganz andere Welt 00:03:21.200 --> 00:03:26.646 und das war für uns schon irrsinnig faszinierend.  Vor allem: es interessierte auch niemanden sonst. 00:03:26.846 --> 00:03:34.324 Und wir haben angefangen, diese Folk-Lieder  zu singen und zu spielen 00:03:34.524 --> 00:03:39.500 merkten natürlich sehr bald – wir konnten natürlich auch kaum Englisch – 00:03:40.700 --> 00:03:49.640 und dass das auch nicht unsere Sache war. Und dann ist etwas passiert, was auch ein Glücksfall ist, 00:03:49.840 --> 00:03:57.620 was man sich gar nicht größer wünschen kann. Es kam nach Wien der singende Rabbi Shlomo Carlebach. 00:03:57.820 --> 00:04:02.768 Den wir aber gar nicht kannten. Und der gab ein kleines Konzert im Porrhaus. 00:04:02.968 --> 00:04:06.416 Und aus irgendeinem Grund, weil Freunde hingegangen sind, sind wir mitgegangen 00:04:06.616 --> 00:04:16.090 Und plötzlich sahen wir diesen singenden Rabbi dort singen und waren wirklich weg. 00:04:16.290 --> 00:04:23.424 Wir haben sowas noch nicht gesehen und erlebt,  aber spürten eine ganz starke Emotion dabei. 00:04:23.624 --> 00:04:32.433 Und nach dem Konzert sind wir noch mit ihm herumgesessen und aus irgendeinem Grund, 00:04:32.633 --> 00:04:38.683 ich kann nicht einmal sagen, welcher, noch immer heute noch nicht, waren wir wirklich zu ihm hingezogen 00:04:38.883 --> 00:04:44.100 und zu dieser Musik. Und dann haben wir gesagt:  So eine Musik wollen wir auch machen. So was. 00:04:44.300 --> 00:04:49.240 Nur hatten wir natürlich keinen blassen Tau davon,  um was es da geht. 00:04:49.440 --> 00:05:01.600 Und er sang natürlich Niguns und Gesänge, die textlich ans Alte Testament und an irgendwelche religiöse Texte 00:05:01.700 --> 00:05:06.351 von denen wir auch keine Ahnung hatten.  Und das haben wir angefangen zu spielen. 00:05:06.551 --> 00:05:16.200 Und plötzlich kam eines Tages – und wir spielten damals, ich rede von Mitte 60er Jahre 00:05:16.400 --> 00:05:26.500 glaub ich, 63, 64, irgend so etwas, 65 – und wir wurden damals eingeladen Hauptsache zum Spielen 00:05:26.814 --> 00:05:33.114 von sozialistischen Organisationen, kommunistischen und der Kirche. 00:05:33.314 --> 00:05:39.800 Also das war sozusagen unsere Hauptklientel. Und die Kirche, die damals anfängt, sich zu öffnen, 00:05:40.000 --> 00:05:44.894 hat uns sehr oft eingeladen und da haben wir gesungen in Pfarrheimen, und so weiter, 00:05:45.094 --> 00:05:52.963 für die Sozialisten haben wir oft gesungen in Arbeiterheimen und sozialistischen Clubs 00:05:53.900 --> 00:05:59.227 wobei ich dir heute sagen muss, ich kanns mir gar nicht mehr vorstellen von wo wir überhaupt den Mut hatten,  00:05:59.300 --> 00:06:08.300 das zu machen. Denn ich meine, so wars nicht,  dass wir das Gefühl hatten, die lieben uns 00:06:08.500 --> 00:06:13.100 nur waren wir jung und haben uns einfach nicht viel darum gepfiffen und haben es einfach gemacht. 00:06:13.300 --> 00:06:16.895 Und es hat immer jeden gefallen. Und wir haben dann schon gemerkt 00:06:17.095 --> 00:06:22.385 wie soll ich sagen – plötzlich diese Diskrepanz. Zu uns kamen die Leute und sagten: 00:06:22.585 --> 00:06:26.812 "Ihr seid's die ersten Juden, die wir von Angesicht sehen. Wir haben vorher noch nie einen gesehen." 00:06:27.012 --> 00:06:36.174 Das war auf dem Tagesprogramm, diese Sprüche.  Und natürlich, durch die Jugend war uns das egal. 00:06:36.374 --> 00:06:41.218 Auch dumme Bemerkungen waren uns egal,  weil die Idee war schon damals: 00:06:41.418 --> 00:06:44.607 erstens wollten wir Unterhaltungsmusik machen, wir wollten die Leute ja unterhalten 00:06:44.807 --> 00:06:51.900 wir wollten sie auch nicht belehren. Und zweitens wussten wir: nur wenn wir wegstecken 00:06:52.100 --> 00:07:01.766 und weitermachen, kann sich etwas verändern.  Und ich glaube, dass wir auf diesem Gebiet 00:07:01.966 --> 00:07:06.495 auch in der Stadt sehr, sehr viel gemacht haben. Weil das haben wir gerade in diesen ersten Jahren 00:07:06.695 --> 00:07:14.561 sehr oft gesehen, die Leute mochten sehr unsere Musik, sie mochten uns, wir haben super Konzerte gemacht 00:07:14.761 --> 00:07:17.943 wo viel Unterhaltung war und die Leute sich wirklich gut amüsiert haben 00:07:18.143 --> 00:07:24.071 im Zuge dessen, wir haben dann erzählt chassidische Geschichten und jüdische Geschichten 00:07:24.271 --> 00:07:33.874 haben die Leute auch diese Scheu abgelegt, zu uns zu gehen und uns zu fragen und mit uns zu reden. 00:07:34.074 --> 00:07:42.200 Und ich glaube das war schon ein wichtiger Moment in der Stadt, weil das gab es vorher nicht. 00:07:42.400 --> 00:07:50.832 Wir waren die ersten und einzigen, die aus dieser jüdischen Welt in die Öffentlichkeit gegangen sind. 00:07:51.032 --> 00:07:59.603 Weil die jüdische Community war nach dem Krieg ja im Underground. Sie wollten nicht gesehen werden 00:07:59.803 --> 00:08:05.747 sie haben in der Öffentlichkeit nichts gemacht.  Das war eine vollkommen geschlossene Gesellschaft. 00:08:05.947 --> 00:08:09.447 die gar nichts zu tun hatte mit einer  Außenwelt der Stadt.  00:08:09.647 --> 00:08:16.950 Und wir waren die ersten, die raus gegangen sind, gespielt haben, in irgendeiner Pfarre und da und da. 00:08:17.150 --> 00:08:22.024 Das wurde auch nicht sehr gut aufgenommen immer. Wir haben dann auch oft gehört: 00:08:22.224 --> 00:08:30.539 Wir verbreiten zu gute Stimmung. Diese Post-Holocaust-Stimmung in Wien war schon heavy. 00:08:31.300 --> 00:08:33.500 Ja, aber wir haben weiter gemacht.  00:08:40.318 --> 00:08:49.403 Ersten muss ich einmal sagen in Folge von uns sind viele Bands dann entstanden 00:08:49.603 --> 00:08:55.805 und gekommen, die jüdische Musik gemacht haben,  die weiter verbreitet haben das Repertoire 00:08:56.005 --> 00:09:03.125 und ganz normal in der Stadt geworden sind.  Wenn heute eine Klezmer Band spielt 00:09:03.325 --> 00:09:08.621 in einem Club, das ist ganz normal. Wir waren was besonderes. Das ist heute ganz normal. 00:09:08.700 --> 00:09:16.309 Was ich aber gut finde.  Was sich natürlich schon geändert hat,  00:09:16.509 --> 00:09:22.407 die Stadt ist natürlich schon offener geworden  und ich traue mich fast zu sagen 00:09:22.607 --> 00:09:32.173 das wir eine der wenigen Städte in Europa sind, wo es ein sehr freies jüdisches Leben gibt. 00:09:32.373 --> 00:09:38.075 Und ich wurde auch von ihrer Kollegin, als ich das statement gemacht habe, wie ich das gesagt habe 00:09:38.275 --> 00:09:45.580 gefragt, auf was das zurückzuführen ist. Und ich sage: ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. 00:09:45.780 --> 00:09:51.532 Aber eins muss man wirklich sagen, und auch wenn Freunde kommen aus dem Ausland 00:09:51.732 --> 00:10:01.167 und doch das sehr lebendige jüdische Leben hier erleben, die sind schon alle sehr verwundert. 00:10:01.367 --> 00:10:05.509 Weil es scheinbar in Europa nicht mehr so selbstverständlich ist, so zu leben. 00:10:12.999 --> 00:10:22.099 So wie ich das jetzt mitkriege, ist es natürlich sehr verschieden. Das jüdische Leben in Europa 00:10:22.299 --> 00:10:28.939 ist ja auch sehr klein. Ich meine, in Wien leben 8000 Juden. Ich glaube, Juden sind die kleinste Miderheit 00:10:29.139 --> 00:10:39.985 in Österreich. Viel weniger geht es ja auch gar nicht mehr. Dafür sind sie wirklich sehr, sehr aktiv 00:10:40.185 --> 00:10:46.184 und der Zustrom auch der russischen Juden, der nach Österreich gekommen ist in den letzten Jahrzehnten 00:10:46.220 --> 00:10:52.002 hat hier eine neue Gemeinde entwickeln lassen,  die sehr lebendig war 00:10:52.202 --> 00:10:57.358 und plötzlich sind auch viele koschere Läden und viel jüdische Infrastruktur in der Stadt entstanden. 00:10:57.558 --> 00:11:06.973 Und das finde ich schon sehr positiv und auch wirklich ganz toll. Aber trotzdem bin ich für Europa 00:11:07.173 --> 00:11:18.287 nicht sehr pessimistisch. Also die Zeichen, die ich in Europa sehe, sprechen genau die andere Sprache, 00:11:18.487 --> 00:11:29.820 wie es zur Zeit eben in Wien ist. Das die jüdische Bevölkerung sich nicht traut, als Juden erkannt 00:11:29.900 --> 00:11:36.813  zu werden. Sie können zwar leben in Schweden, aber sie dürfen nicht als Juden dort leben. 00:11:37.013 --> 00:11:44.322 Vor ein paar Jahren sind die 40 jüdischen Familien aus Malmö ausgezogen, weil sie dort nicht mehr  00:11:44.522 --> 00:11:50.818 leben konnten. Weil sie so angefeindet wurden, dass sie von dort weggezogen sind.  00:11:51.018 --> 00:11:55.515 Und das durchzieht sich in Europa  durch sehr, sehr viele Länder. 00:11:55.715 --> 00:12:03.702 Und das gibt für mich kein großes Zeichen eines Pessimismus.  00:12:03.902 --> 00:12:13.510 Das heisst Juden werden zwar überall leben können. Aber so lange sie nicht auffallen und als Juden sichtbar sind 00:12:13.710 --> 00:12:21.592 gehe ich davon aus, wird es funktionieren.  Aber eben nur unter dieser Prämisse.