WEBVTT - https://subtitletools.com 00:00:12.160 --> 00:00:19.640 Ich bin 1946 geboren und zwar in der Weststeiermark, in Bösenbach, das ist eine Katastralgemeinde von 00:00:19.640 --> 00:00:26.600 Deutschlandsberg. Das ist eine Stadt mit damals 5200 Einwohnern, also eine kleine Stadt. Meine Eltern 00:00:26.600 --> 00:00:35.240 hatten einen Bauernhof und ich bin dort aufgewachsen. Ich habe aber schon, also bevor ich in die Schule 00:00:35.240 --> 00:00:42.920 gekommen bin, mir gedacht: ich möchte Lehrerin werden. Ich möchte auf keinen Fall auf dem Bauernhof arbeiten. 00:00:42.920 --> 00:00:49.160 Das war für mich von Anfang an klar. Und wenn ich heute drüber nachdenke, warum das so war, dann denke 00:00:49.160 --> 00:00:53.880 ich – ich hab' ja gesehen, wie schwer meine Mutter gearbeitet hat, das war damals ein sehr hartes Leben, 00:00:53.880 --> 00:00:59.800 das kann man ja mit dem heutigen gar nicht vergleichen. Da ist ja noch alles Handarbeit gewesen. 00:00:59.800 --> 00:01:06.640 Da gab es ja noch so gut wie keine Maschinen und es gab auch noch keine Unkrautvertilgungsmittel - Gott 00:01:06.640 --> 00:01:18.120 sei Dank, muss man sagen. Und das war alles Arbeit - und harte Arbeit. Und die Erholung war dann eigentlich 00:01:18.120 --> 00:01:26.240 im Sommer, so kann mich erinnern, wenn wir da im August oder so in den Wald gegangen sind und die Streu 00:01:26.240 --> 00:01:32.240 gerecht haben. Das war schon was Besonderes. Oder wir haben auch einen Weingarten gehabt, und sind dann in 00:01:32.240 --> 00:01:37.760 den Weingarten gegangen. Da war ein kleines Kaufhaus in der Nähe. Da durften wir Kinder uns dann eine 00:01:37.760 --> 00:01:47.000 Brause kaufen. Ja, das war alles sehr bescheiden und sehr - wie soll ich sagen - sehr maßvoll, aber als 00:01:47.000 --> 00:01:52.200 Kind ist mir das gar nicht so aufgefallen, denn ich hatte ja keine Vergleichsmöglichkeiten und es war eben 00:01:52.200 --> 00:01:59.680 so wie es war. Aber ich habe diesen Wunsch gehabt: ich möchte Lehrerin werden! Warum Lehrerin? Ich glaube, 00:01:59.680 --> 00:02:08.640 der Grund war der, dass meine Mutter zwei Tanten hatte und das sind die Schwestern ihrer Mutter und die beiden 00:02:08.640 --> 00:02:15.600 - auch Bauerntöchter, die ihr Erbteil dafür verwendet haben, um in eine Lehrerbildungsanstalt zu gehen, um 00:02:15.600 --> 00:02:22.360 Lehrerin zu werden. Die beiden waren Lehrerinnen. Und meine Mutter hat immer davon erzählt. Die Tante Fanny, 00:02:22.360 --> 00:02:30.840 und die Tante Frieda, die als Lehrerinnen gelebt haben und das war für mich dann ein Bild noch, das ich 00:02:30.840 --> 00:02:36.640 gehabt habe, was man als Frau machen kann. Nicht nur Bäuerin, es gibt auch die Möglichkeit, etwas anderes 00:02:36.640 --> 00:02:43.280 zu machen, wobei ja damals für die Lehrerinnen noch der Zölibat gegolten hat. Die durften nicht heiraten. Das 00:02:43.280 --> 00:02:47.160 kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Die jungen Leute wissen das wahrscheinlich gar nicht so. 00:02:47.160 --> 00:02:52.880 Aber so war es damals. Gut, also ich wollte Lehrerin werden und bin dann in die Volksschule in 00:02:52.880 --> 00:02:58.800 Deutschlandsberg gegangen, dann in die Hauptschule in Deutschlandsberg - damals gab‘s noch kein Gymnasium. 00:02:58.800 --> 00:03:04.600 Das gibt es heute noch nicht, nur ein Oberstufen-Realgymnasium, aber keine Unterstufe. Und 00:03:04.600 --> 00:03:10.840 da habe ich noch immer diesen Wunsch sehr stark gehabt - ich will Lehrerin werden. Ich war eine gute 00:03:10.840 --> 00:03:16.920 Schülerin. Und dann haben auch meine Lehrerinnen – das waren ja hauptsächlich Frauen auch gemeint: auf jeden 00:03:16.920 --> 00:03:22.640 Fall, Du kannst sicher Lehrerin werden. Die werden Dich schon nehmen. Ich konnte aber nicht singen. Und 00:03:22.640 --> 00:03:28.120 das war auch seltsam, da denke ich manchmal drüber nach, warum das so war. Ich war von Anfang an der 00:03:28.120 --> 00:03:35.280 fixen Überzeugung, ich kann nicht singen und hab nicht mitgesungen – ein sich selbst verstärkender Prozess. 00:03:35.280 --> 00:03:41.080 Und als Ergebnis kommt genau heraus, was ich ursprünglich gedacht habe. Das heißt, sie haben mich 00:03:41.080 --> 00:03:47.640 in der Lehrerbildungsanstalt nicht genommen, das war damals in Graz, und ich hatte damals nur die 00:03:47.640 --> 00:03:53.280 Aufnahmsprüfung für die Handelsschule gemacht. Ich habe gedacht, vielleicht nehmen’s mich eh… Jedenfalls 00:03:53.280 --> 00:03:59.320 war es so. Dann bin ich ein Jahr in die Handelsschule gegangen und war Fahrschülerin. Man ist damals noch 00:03:59.320 --> 00:04:05.520 mit dem Zug nach Graz eineinhalb Stunden in der Früh gefahren, also der Zug ist um 5:15 Uhr in der Früh 00:04:05.520 --> 00:04:13.360 gegangen. Ich musste um 4:15 Uhr aufstehen. Im Winter ist meine Mutter um 3:30 Uhr aufgestanden und hat 00:04:13.360 --> 00:04:17.560 einmal eingeheizt. Wir hatten natürlich keine Zentralheizung, das ist klar. In der Küche war ein 00:04:17.560 --> 00:04:24.560 großer Herd oder Ofen und der ist halt eingeheizt worden. Und dann bin ich mit dem Zug nach Graz 00:04:24.560 --> 00:04:32.160 gefahren und bin zurückgekommen dann halt Nachmittag irgendwann. Zweimal in der Woche war auch am 00:04:32.160 --> 00:04:38.720 Nachmittag Schule, dann bin ich am Abend gekommen, mit dem Arbeiter-Zug um 19:30 Uhr. Da habe ich mir noch 00:04:38.720 --> 00:04:44.240 immer gedacht, das ist es eigentlich nicht. Handelsschule, das sehe ich eigentlich nicht. Ich 00:04:44.240 --> 00:04:49.320 will ja Lehrerin werden. Da muss es ja eine andere Möglichkeit geben, und dazu muss ich studieren. Und 00:04:49.320 --> 00:04:55.000 dann habe ich mir gedacht, jetzt gehe ich in die Handelsakademie, habe ganz normal die Aufnahmsprüfung 00:04:55.000 --> 00:05:03.080 gemacht und bin dann in die Handelsakademie gegangen. Dann hat in diesem ersten Jahr, als ich da 00:05:03.080 --> 00:05:08.240 Fahrschülerin war, hat mein Vater einen Leserbrief an die Kleine Zeitung geschrieben - Es sei eigentlich 00:05:08.240 --> 00:05:14.680 unmöglich, dass die Schulkinder so früh aufstehen müssen, weil nur dieser Zug geht. Ich weiß nicht, ob 00:05:14.680 --> 00:05:21.080 dass der Auslöser war oder sonst eine glückliche Fügung, aber dann ab Mai gab es einen zweiten Zug erst 00:05:21.080 --> 00:05:26.400 um 6:15 Uhr. Das war natürlich schon ein Riesenfortschritt, ich musste erst um 5:15 Uhr 00:05:26.400 --> 00:05:33.280 aufstehen. Dann bin ich in die Handelsakademie in Graz gegangen, noch immer mit dem Wunsch: ich will Lehrerin 00:05:33.280 --> 00:05:42.000 werden. Dann habe ich maturiert und dann zuerst gedacht, ich studiere Welthandel. Dann hätte ich aber 00:05:42.000 --> 00:05:48.960 nach Wien gehen müssen. Dann habe ich aber gedacht, eigentlich will ich unabhängig sein. Ich will also von 00:05:48.960 --> 00:05:55.560 meinem Vater, von meinen Eltern nicht mehr abhängen und das ist aber schwierig, wenn ich nach Wien gehe, 00:05:55.560 --> 00:06:00.960 weil da muss ich in ein Studentenheim gehen und mit dem Stipendium komme ich wahrscheinlich nicht aus. 00:06:00.960 --> 00:06:06.680 Also das ist schwierig. Also, ich studiere in Graz. Da kann ich fahren - mit dem Zug. Das geht dann, wenn 00:06:06.680 --> 00:06:13.360 ich ein Stipendium kriege, dann geht sich das aus. Und dann habe ich in Graz Staatswissenschaften inskribiert, 00:06:13.360 --> 00:06:19.640 denn ich musste ja das Latinum machen und Staatswissenschaften konnte man beginnen auch schon, 00:06:19.640 --> 00:06:25.680 wenn man das Latinum noch nicht gehabt hat. Das muss man eben nachweisen.Und in dem einem Jahr habe ich 00:06:25.680 --> 00:06:32.040 gesehen: Staatswissenschaften, das ist ja nur ein Teil von Jus. Ich habe nie vorher dran gedacht, Jus zu 00:06:32.040 --> 00:06:37.200 studieren. Ich habe ja auch keine Bezugspunkte gehabt, ich habe auch niemand näher gekannt, der Anwalt, Notar 00:06:37.200 --> 00:06:45.480 oder Richter gewesen wäre - keine Ahnung. Lehrerin werden hätte ich auch können mit Staatswissenschaften, 00:06:45.480 --> 00:06:51.200 weil ich dann an Handelsakademien hätte unterrichten können. Und dann habe ich nach diesem Jahr das Latinum 00:06:51.200 --> 00:06:54.800 gemacht und dann habe ich noch ein paar andere Prüfungen gemacht. Dadurch habe ich dann ein 00:06:54.800 --> 00:07:03.760 Stipendium bekommen, dann habe ich Jus begonnen. Und eigentlich schon in diesem ersten Jahr an der Uni habe 00:07:03.760 --> 00:07:11.200 ich mir gedacht, ich möchte auf jeden Fall im Ausland studieren. Damals – ich hab' ja in Graz studiert und 00:07:11.200 --> 00:07:16.800 wenn man unten in das Hauptgebäude hineingegangen ist, da sind so große Marmorsäulen - und auf diesen 00:07:16.800 --> 00:07:22.480 Marmorsäulen waren immer Plakate vom Wissenschaftsministerium mit Stipendien in den 00:07:22.480 --> 00:07:27.160 verschiedenen Ländern für die man sich bewerben konnte. Da bin ich immer gestanden und habe geschaut, 00:07:27.160 --> 00:07:36.120 welche Stipendien gibt’s und wohin könnte ich mich bewerben, weil ich möchte im Ausland studieren. Und 00:07:36.120 --> 00:07:44.080 dann habe ich eben, schon im ersten Semester, ich war eine fleißige Studentin, wie man sich vorstellen kann. 00:07:44.080 --> 00:07:54.360 Ich habe immer mitgeschrieben und dann eines Tages fragt mich dann ein anderes Mädel, ob ich nicht meine 00:07:54.360 --> 00:08:02.600 Mitschriften einer Schulkollegin von ihr geben könnte, die dieses erste Semester bis Weihnachten in England 00:08:02.600 --> 00:08:07.960 ist, als Au-pair-Mädchen und sie kommt erst zurück im Jänner - und ob sie nicht meine Mitschriften haben 00:08:07.960 --> 00:08:12.880 könnte. Ich habe gedacht, warum eigentlich nicht? Da spricht nichts dagegen. Ja gerne, ich gebe ihr meine 00:08:12.880 --> 00:08:20.160 Mitschriften. Und die ist zurückgekommen und ich habe mich mit dir angefreundet, als meine beste Freundin. 00:08:20.160 --> 00:08:27.000 So hat sich das gefügt. Und sie hat genauso den Wunsch wie ich gehabt, im Ausland zu studieren. Sie war ja 00:08:27.000 --> 00:08:32.520 schon Au-pair-Mädchen in Manchester, um das Englisch zu verbessern. Sie ist ins akademische Gymnasium 00:08:32.520 --> 00:08:41.600 gegangen, hat also einen anderen Hintergrund gehabt als ich. Aber wir beide haben uns in dem gefunden und 00:08:41.600 --> 00:08:49.440 getroffen, wir wollen ins Ausland und wir wollen dort studieren. Ich habe da nach einem Jahr die Erste 00:08:49.440 --> 00:08:54.840 Staatsprüfung gemacht. Meine Freundin auch. Und dann war das Jus-Studium damals noch nach der alten 00:08:54.840 --> 00:09:01.280 Studienordnung, da war das so: nach zwei Semestern Erste Staatsprüfung, nach weiteren drei Semestern die 00:09:01.240 --> 00:09:05.280 Zweite Staatsprüfung - also nach dem 5. Semester die Zweite Staatsprüfung. Und dann haben wir die Zweite 00:09:05.280 --> 00:09:12.000 Staatsprüfung beide gemacht und auch das Rigorosum. Ich glaube, es war sicher eine Idee meiner Freundin, 00:09:12.000 --> 00:09:20.280 dass sie gesagt hat: gehen wir als Au-pair-Mädchen nach Paris. Erasmus hat’s ja nicht gegeben. Und ich 00:09:20.280 --> 00:09:23.920 hatte in der Schule nicht Französisch gelernt, ich habe Italienisch gelernt und es hat mich immer 00:09:23.920 --> 00:09:31.360 gestört, dass ich eigentlich nicht gewusst habe, wie man französische Wörter ausspricht. Eigentlich fand 00:09:31.360 --> 00:09:41.600 ich das nicht gut, das möchte ich gerne können. Und so sind wir dann - das war im April 1969 - beide nach 00:09:41.600 --> 00:09:48.960 Paris. Das war des 6. Semester. Wir waren nicht an der Uni und waren dort beide Au-pair-Mädchen. Also, ich 00:09:48.960 --> 00:09:55.360 war in einer Familie mit zwei Kindern. Das Mädel war fünfeinhalb und der Bub war neuneinhalb. Meine 00:09:55.360 --> 00:09:59.640 Freundin war auch in einer Familie, die hat aber nur einmal in der Woche auf die Kinder aufgepasst. Ihre 00:09:59.640 --> 00:10:06.880 Eltern hatten da ja kein Problem, das irgendwie zu finanzieren. Und ich bin dort hingekommen, ohne ein 00:10:06.880 --> 00:10:13.720 Wort Französisch zu können und musste natürlich mit den Kindern kommunizieren. Es war eine gewisse 00:10:13.720 --> 00:10:19.080 Herausforderung und dann habe ich das große Glück gehabt, dass - war es die zweite oder dritte Woche – 00:10:19.080 --> 00:10:30.800 mit den Kinder ins Kino gegangen bin, und da war der Film „Le Petit Chaperon Rouge“. Die Kleine wollte, 00:10:30.800 --> 00:10:38.440 dass ich die Geschichte erzähle und mein Vokabular, das ich dann von „Le Petit Chaperon Rouge“ hatte, 00:10:38.440 --> 00:10:47.880 habe ich dann verwendet. Und ich habe einen Sprachkurs für Anfänger gemacht. Dann waren wir beide in Paris, 00:10:47.880 --> 00:10:54.480 das war sehr schön. Die Familie war sehr nett und ich habe ein bisschen Französisch gelernt und war dort bis 00:10:54.480 --> 00:11:01.480 Mitte Juli etwa. Und dann haben wir noch eine Reise gemacht, also in die Bretagne und dann die ganze 00:11:01.480 --> 00:11:07.600 Atlantikküste runter, zur Côte d'Azur und dann zurück herauf. Dann sind wir zurück nach Österreich gekommen 00:11:07.600 --> 00:11:14.160 und ich habe ja immer in den Ferien gearbeitet, zum Teil auch während des Studiums. Vor Weihnachten – da 00:11:14.160 --> 00:11:21.120 gab es ein Versandhaus damals in Graz, Kastner & Öhler, die hatten damals noch einen Post-Versand. Und 00:11:21.120 --> 00:11:27.600 die hatten 6 Wochen vor Weihnachten oder 8 Wochen, das weiß nicht mehr, so einen Schichtbetrieb von 2 am 00:11:27.600 --> 00:11:33.440 Nachmittag bis 10 Uhr am Abend, oder von 6 Uhr der Früh bis 2 Uhr. Und ich habe gearbeitet von 2 am 00:11:33.440 --> 00:11:38.160 Nachmittag bis 10 Uhr am Abend, weil da konnte ich am Vormittag auf die Uni gehen, das ist sich ausgegangen. 00:11:38.160 --> 00:11:44.960 Ein- oder zweimal konnte ich weggehen für die Übung auf die Uni. Samstag konnte ich es umgekehrt machen, 00:11:44.960 --> 00:11:51.680 von 6 in der Früh bis 2 am Nachmittag, weil ich dann nach Hause gefahren bin. Ich habe immer gearbeitet, 00:11:51.680 --> 00:11:58.000 weil ich mir irgendwas dazu verdient hab. Das Stipendium war damals 1.100 Schilling. Ich habe dann 00:11:58.000 --> 00:12:02.360 auch nach dem ersten Jahr ein Zimmer in Graz gehabt, das musste ich auch zahlen, um über die Runden zu 00:12:02.360 --> 00:12:09.200 kommen. Und dann sind wir aus Paris zurückgekommen und ich habe mich wieder nach einer Arbeit umgeschaut. Der 00:12:09.200 --> 00:12:15.800 Vater meiner Freundin war im Landesstudio Steiermark beschäftigt, war stellvertretender Intendant, und 00:12:15.800 --> 00:12:25.000 meine Freundin hat dann zu mir gesagt: im Funkhaus, da suchen sie immer Leute im Sommer, in der Verwaltung. 00:12:25.000 --> 00:12:30.680 Und ich konnte Maschinschreiben, dadurch, dass ich in die Handelsakademie gegangen bin, vielleicht kann ich 00:12:30.680 --> 00:12:41.840 dort arbeiten, vier Wochen. Jedenfalls konnte ich dort arbeiten in der Verwaltung, und nach zwei oder drei 00:12:41.840 --> 00:12:48.960 Wochen haben die Damen zu mir gesagt: Sie wollen ja was verdienen. In der aktuellen Abteilung, die war im 00:12:48.960 --> 00:12:54.600 selben Stock, da sucht man immer Leute zum Maschinschreiben. Gehen Sie doch hinüber und fragen, 00:12:54.600 --> 00:13:01.440 ob Sie dort arbeiten können, dann verdienen Sie mehr. Dann habe ich mich erkundigt und ja, die brauchten 00:13:01.440 --> 00:13:09.440 jemanden. Und dann habe ich dort Maschine geschrieben. Die Redakteure haben die Nachrichten diktiert, und da 00:13:09.440 --> 00:13:14.320 waren immer Frauen, die das geschrieben haben. Das war noch eine andere Zeit. Nach ein paar Wochen sagt ein 00:13:14.320 --> 00:13:22.760 Redakteur zu mir: Naja, Sie können ja die Nachrichten selber schreiben, dann verdienen Sie mehr. Dann habe 00:13:22.760 --> 00:13:27.880 ich die Aufgaben eines Redakteurs übernommen. Das war auch eine schöne Zeit. Da habe ich auch Reportagen 00:13:27.880 --> 00:13:34.240 gemacht. Journalismus war etwas, das mich immer interessiert hat. Überhaupt die Sprache, das ist eine 00:13:34.240 --> 00:13:42.640 meiner Leidenschaften. Ich habe also im Funkhaus nebenbei gearbeitet, habe die dritte Staatsprüfung 00:13:42.640 --> 00:13:47.200 gemacht. Das war schon eine Herausforderung. Ich war ja nur die zwei Semester da. Gearbeitet habe ich auch 00:13:47.200 --> 00:13:55.320 nebenbei. Ich glaube, es war der 1. April, da habe ich gedacht: ich will ja Anfang Juni zur Staatsprüfung 00:13:55.320 --> 00:14:01.800 antreten, wie soll ich das schaffen? Das ist ja ein Riesen-Stoff. Heute, wenn man mit jemanden spricht, 00:14:01.800 --> 00:14:05.720 der Jus studiert, die haben diese vielen Teilprüfungen, die können sich das gar nicht mehr 00:14:05.720 --> 00:14:11.800 vorstellen, dass du diesen gesamten Stoff auf einmal parat haben muss, aber damals was war das noch so. Ich 00:14:11.800 --> 00:14:19.040 will aber antreten, und ich habe zu lernen begonnen und habe mir vorgenommen, ich darf nicht vor 00:14:19.040 --> 00:14:23.680 Mitternacht ins Bett gehen und um 5 muss ich aufstehen. Ich habe jetzt ein Buch gelesen - „While we 00:14:23.680 --> 00:14:29.240 sleep“- es ist nicht gut, wenn man so wenig schläft. Aber es war nur eine beschränkte Zeit. Und ich habe 00:14:29.240 --> 00:14:34.640 das durchgezogen und die Prüfung gemacht, dann auch das Rigorosum, und bin dann mit meiner Freundin nach 00:14:34.640 --> 00:14:43.920 London, als Au-pair-Mädchen, um unser Englisch zu verbessern. Wir hatten beide den festen Willen, wir 00:14:43.920 --> 00:14:49.960 gehen dann ins Ausland. Wir bewerben uns um ein Stipendium und gehen dann und studieren im Ausland. 00:14:49.960 --> 00:14:57.040 Und meine Freundin hat da schon ganz konkret etwas im Auge gehabt, und das erste war die Faculté de National 00:14:57.040 --> 00:15:03.240 de Droit Comparé in Straßburg, dass wir zuerst einmal dahin gehen. Wir waren den Sommer in England, haben 00:15:03.240 --> 00:15:08.240 eine schöne Reise nach Schottland gemacht, mit dem Geld, das wir als Au-Pair-Mädchen verdient habe. Und 00:15:08.240 --> 00:15:15.840 dann sind wir zurück nach Graz und wir mussten ja noch das Romanum machen. Ich bin also auf die Uni gegangen, 00:15:15.840 --> 00:15:22.640 um mich für das Romanum anzumelden und gehe ins Dekanat, und dann sagt eine Dame dort zu mir, der Herr 00:15:22.640 --> 00:15:28.560 Professor Sowieso möchte Sie sprechen. Den hatte ich im zweiten Studienabschnitt. Na gut, ich bin 00:15:28.560 --> 00:15:37.000 hingegangen zu ihm, und dann sagt er zu mir: „Wollen Sie nicht zu mir als Assistentin kommen zu mir?“ Ich 00:15:37.000 --> 00:15:43.200 war so geehrt und habe mir gedacht, das ist ja wirklich etwas, das ich nie zu hoffen gewagt hätte, 00:15:43.200 --> 00:15:52.040 dass mir jemand so eine Stelle anbietet. Und aus dieser Überwältigung heraus habe ich gesagt: Ja! Das 00:15:52.040 --> 00:15:58.360 war so. Das Lustige dabei, es war Zivilprozessrecht, das war gar nicht mein Lieblingsfach, das hat mich gar 00:15:58.360 --> 00:16:03.360 nicht so interessiert. Mich hat der dritte Abschnitt mit öffentlichen Recht eigentlich viel mehr 00:16:03.360 --> 00:16:11.080 interessiert, aber gut, aus dieser Ehrung, die ich empfunden habe habe ich zugesagt. Und wirklich, am 00:16:11.080 --> 00:16:19.360 nächsten Tag fragt mich einer, ob ich nicht als Assistentin zu einem Professor für öffentliches Recht 00:16:19.360 --> 00:16:24.800 kommen will. Der dort auch hingegangen ist, war der Sohn eines anderen Professors. Ich hatte aber schon 00:16:24.800 --> 00:16:36.720 zugesagt, das wollte ich nicht mehr ändern. Dazu muss ich stehen. Dann habe ich begonnen als Assistentin und 00:16:36.720 --> 00:16:41.280 war nicht extrem glücklich, weil das Institut hat nur aus dem Professor und mir bestanden, sonst war 00:16:41.280 --> 00:16:51.760 niemand. Ich habe noch immer aber diesen Traum gehabt, wegzugehen, was anderes zu machen und meine Freundin, 00:16:51.760 --> 00:16:57.760 die war in Straßburg, hatte einen Kurs bei der Faculté International de Droit Comparé gemacht. Im Sommer sind 00:16:57.760 --> 00:17:06.120 wir dann beide nach Lissabon, haben dort auch einen Kurs gemacht, vier Wochen, auch Rechtsvergleichung, 00:17:06.120 --> 00:17:14.680 und dort war Professor Rheinstein. Rheinstein war Assistent von Ernst Rabel in Berlin und ist dann an 00:17:14.680 --> 00:17:22.000 die Chicago Law School gegangen. Und er war zugleich dort wie Wilburg. Und Wilburg war Professor an der 00:17:22.000 --> 00:17:29.280 Grazer Uni, Zivilrechtler. Wilburg hat das bewegliche System im Bürgerlichen Recht entwickelt. Professor 00:17:29.280 --> 00:17:36.120 Rheinstein hatte dort auch eine Vorlesung und da war auch eine Prüfung. Und bei der war ich nicht schlecht 00:17:36.120 --> 00:17:44.960 und habe ihm gesagt, ich möchte gerne in Amerika studieren. Er hat zu mir gesagt – wenn Sie das wollen, 00:17:44.960 --> 00:17:51.360 dann bringen Sie ein Empfehlungsschreiben vom Wilburg, denn das ist der einzige, den man in Amerika kennt. 00:17:51.360 --> 00:17:58.120 Ein guter Tipp, dann war noch immer die Frage - wann und wie soll ich das machen. Ich habe auf der anderen 00:17:58.120 --> 00:18:03.560 Seite meine Freundin gehabt, die gesagt hat, Du bist nicht glücklich dort. Sie ist nämlich an die 00:18:03.560 --> 00:18:12.600 diplomatische Akademie gegangen. Ich habe gedacht, diplomatische Akademie, das sehe ich nicht für mich, 00:18:12.600 --> 00:18:20.960 ich möchte nach Amerika, also das ist nicht das Wahre. Und das war schon auch der Druck durch meine Freundin, 00:18:20.960 --> 00:18:26.800 dass sie immer gesagt hat: Ja, tu was. Das gefällt Dir ja nicht. Jetzt mach was! - dass ich mich dann im 00:18:26.800 --> 00:18:33.960 Herbst 1973 über Fulbright für ein Amerika-Stipendium beworben habe. Ich habe ja nicht gewusst, wie ich das 00:18:33.960 --> 00:18:41.400 sonst machen soll – einfach an Fulbright geschrieben: ich möchte gern in Amerika studieren. Und dann gab es 00:18:41.400 --> 00:18:51.360 Korrespondenz und eine Art Hearing in Graz. Sie sind nach Graz gekommen und eben da wurde ich auch gefragt, 00:18:51.360 --> 00:18:58.000 warum ich studieren will, da war diese Frage: „What do you think about women‘s lib?“, und es war damals für 00:18:58.000 --> 00:19:08.560 uns noch kein Thema. So ist es gelaufen, und ich habe den TOEFL-Test noch nicht gehabt. Und dann war ein 00:19:08.560 --> 00:19:16.760 Anschlag auf der Universität, wenn jemand interessiert ist, auf die NYU zu gehen - es gibt die Möglichkeit, 00:19:16.760 --> 00:19:25.040 dass wieder ein Österreicher oder eine Österreicherin dort ein Stipendium bekommt. Denn der Bruder eines 00:19:25.040 --> 00:19:33.160 Assistenten war an der NYU gewesen und der hatte erreicht, dass wieder Österreicher kommen können. Da 00:19:33.160 --> 00:19:38.960 war dieser Anschlag auf der Tafel an der Fakultät, und meine Kollegen haben gewusst, dass ich mich für ein 00:19:38.960 --> 00:19:45.960 Amerika Stipendium interessiere. Das war etwa so im Dezember 1973. Und dann sagt der Bruder dieses 00:19:45.960 --> 00:19:56.720 Kollegen zu mir - Sie interessieren sich ja für ein Amerika Stipendium, wäre das nichts für Sie? Wir 00:19:56.720 --> 00:20:06.560 waren alle per Sie, auch die Studenten, als Assistenten sowieso. Ich habe gedacht: auch nicht 00:20:06.560 --> 00:20:13.600 schlecht, NYU. Vielleicht wäre das was. Soll ich das jetzt machen? Soll ich da jetzt mich bewerben? Das 00:20:13.600 --> 00:20:22.760 kriege ich sicher. In meiner Not habe ich die Frau Wild angerufen und sie gefragt, was soll ich machen. 00:20:22.760 --> 00:20:28.360 Ich hätte die Möglichkeit, an die NYU zu gehen. Ich habe mich zwar auch über Sie beworben, aber wer weiß, 00:20:28.360 --> 00:20:39.720 ob ich da was kriege – was soll ich machen? Und dann sagt mir die Frau Wild, es war schon ein Gespräch 00:20:39.720 --> 00:20:46.320 mit dem Mister Boas, und wir haben sie vorgeschlagen für ein Frank-Boas-Stipendium für die Harvard Law 00:20:46.320 --> 00:20:55.080 School. Mister Boas war sehr angetan. Es hatte vor mir noch keine Frau dieses Stipendium bekommen. Das war 00:20:55.080 --> 00:21:02.080 für Studenten westeuropäischer Länder. Es sind sehr gute Chancen, dass sie dieses Stipendium kriegen und 00:21:02.080 --> 00:21:10.400 nach Harvard gehen können. Und dann habe ich mit dem Kollegen gesprochen und gesagt, es tut mir leid, aber 00:21:10.400 --> 00:21:20.560 ich habe die Chance, dass ich vielleicht ein Stipendium für Harvard kriege. Und dann hat er zu mir 00:21:20.560 --> 00:21:32.280 gesagt: lieber der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach – was ja absolut berechtigt war. Aber ich 00:21:32.280 --> 00:21:38.880 habe das dann gekriegt und ich erinnere mich noch genau an den Moment. Ich war auf der Uni, dort an 00:21:38.880 --> 00:21:51.080 meinem Arbeitsplatz, werde angerufen und die Frau Wild sagt mir: Sie haben das Frank-Boas-Stipendium für 00:21:51.080 --> 00:22:01.040 Harvard. Das war einer meiner glücklichsten Momente. Ich konnte das gar nicht fassen. Unglaublich, dass ich 00:22:01.040 --> 00:22:07.960 nach Harvard gehen kann. Ich hatte damals den TOEFL-Test noch gar nicht gemacht. Ich konnte nicht 00:22:07.960 --> 00:22:15.960 gut Englisch. Aber Frau Wild hat gesagt, das spielt keine Rolle, das Englisch lernen Sie auch noch. Dann 00:22:15.960 --> 00:22:23.120 habe ich dann den TOEFL-Test gemacht, im Jänner. Das war im Amerikahaus, das war damals bei der Oper. Ich 00:22:23.120 --> 00:22:27.720 war so aufgeregt, dass ich die Nacht vorher nicht geschlafen habe, aber es ist sich noch irgendwie 00:22:27.720 --> 00:22:34.600 ausgegangen. Dann habe ich mich karenzieren lassen auf der Uni. Mein Vertrag ist ja insgesamt sechs Jahre 00:22:34.600 --> 00:22:42.120 gelaufen. Und ich bin dann Ende des Sommers damals nach Amerika. Ich hatte ein Fulbright-Reisestipendium, 00:22:42.120 --> 00:22:50.280 und das war damals ein Flug mit der isländischen Fluggesellschaft. Ich bin mit dem Zug nach Luxemburg 00:22:50.280 --> 00:22:57.360 gefahren, weil die sind ja von Luxemburg weggeflogen, mit Zwischenlandung in Reykjavik, und dann nach New 00:22:57.360 --> 00:23:05.080 York. Und wenn ich heute so denke – gut, ich war nicht mehr ganz jung, das war ’74, da war ich immerhin fast 00:23:05.080 --> 00:23:15.280 28. Ich war in Paris und in London gewesen, aber immer mit meiner Freundin, herumgefahren, gezeltet, und in 00:23:15.280 --> 00:23:25.880 Lissabon, aber so allein war ich noch nie so unterwegs gewesen. Aber ich habe das mir zugetraut und hab' das 00:23:25.880 --> 00:23:34.480 gemacht und bin dann in der Nacht in New York angekommen. Und ja, wie komme ich jetzt nach Boston? 00:23:34.480 --> 00:23:42.280 Irgendjemand hat mir gesagt, es gibt einen Bus. Ich bin zum Busbahnhof irgendwie hingekommen, und ein 00:23:42.280 --> 00:23:49.400 Österreicher, der mitgeflogen ist, der hat da irgendjemand gekannt und war dann gleich eingeladen in 00:23:49.400 --> 00:23:54.720 New York bei jemanden. Ich bin dann auch noch mitgegangen und dann in der Nacht um 2 Uhr ist dieser 00:23:54.720 --> 00:24:05.080 Bus losgefahren und ich bin nach Boston gefahren. Ich bin dort angekommen und dann irgendwie zu Harvard in 00:24:05.080 --> 00:24:11.120 Cambridge gekommen und hatte dort ein Zimmer in einem Studentenheim gehabt in der Ames Hall. Und am zweiten, 00:24:11.120 --> 00:24:22.320 dritten Tag, da habe ich dann ein Mädchen, also eine Kollegin getroffen, eine Deutsche. Das ist auch heute 00:24:22.320 --> 00:24:34.760 noch meine Freundin. Wir haben das ganze Leben Kontakt gehalten. Und wir waren damals 44 Leute in 00:24:34.760 --> 00:24:40.040 diesem International Legal Programm und davon waren vier Frauen. Das war noch eine andere Zeit. Es war 00:24:40.040 --> 00:24:45.520 diese deutsche Kollegin, die war später Richterin am Bundesverfassungsgericht und Professorin an der Uni. 00:24:45.520 --> 00:24:52.920 Dann war eine Frau aus Taiwan und eine von den Philippinen. Sonst waren das alles Männer aus der 00:24:52.920 --> 00:25:06.440 ganzen Welt. Für mich war dieses Jahr schon ganz entscheidend. Das hat mein Leben geprägt in jeder 00:25:06.440 --> 00:25:15.800 Hinsicht, auch meine Freude an der Juristerei verstärkt, ich würde fast sagen: begründet. So wie uns 00:25:15.800 --> 00:25:26.920 dort das Recht nahegebracht wurde als etwas, was menschengerecht ist, was der Mensch gestalten kann - 00:25:26.920 --> 00:25:34.800 nicht etwas Abstraktes, das man jetzt deduziert aus irgendwelchen Sätzen oder so, sondern wo man bei dem 00:25:34.800 --> 00:25:41.680 Problem in der Gesellschaft ansetzt. Ein Fallrecht, wo überlegt wird, ich habe jetzt einen bestimmten 00:25:41.680 --> 00:25:46.360 Konflikt – wie gehe ich mit dem um? Wie mache ich das? Wie hat man das in der Vergangenheit gemacht? Wie 00:25:46.360 --> 00:25:52.640 macht man es jetzt? Was spricht für diese Lösung?Was spricht gegen diese Lösung? Man wägt ab. Das zweite, 00:25:52.640 --> 00:26:02.320 was für mich ganz entscheidend war, war, dass ich gekommen bin irgendwie mit der Einstellung - aufgrund 00:26:02.320 --> 00:26:10.360 meines Studiums hier - ich gehe auf die Uni und da sind jetzt Professoren, und die Professoren wissen - 00:26:10.360 --> 00:26:16.800 und ich weiß nicht. Und eigentlich weiß ich nicht, wie ich in diesen Zustand des Wissens komme. Es ist 00:26:16.800 --> 00:26:23.600 irgendwie geheimnisvoll. Da sind Menschen, die einfach wissen. Da werde ich nie hinkommen. Das ist einfach 00:26:23.600 --> 00:26:33.720 unerreichbar. Und dort war vom ersten Tag an das Gefühl: ich kann mich einbringen. Das ist eigentlich 00:26:33.720 --> 00:26:40.280 etwas, mit dem sich jeder beschäftigen kann. Da ist niemand im Besitz des Wissens und der andere nicht, 00:26:40.280 --> 00:26:48.600 sondern das ist ein Weg, den man gemeinsam geht. Wo man sich bemüht, eine Lösung zu finden, wo man 00:26:48.600 --> 00:26:56.600 überlegt, wo man nachdenkt, wo man Argumente findet, wo man nicht mit einem fertigen Wissen an eine Sache 00:26:56.600 --> 00:27:02.280 herangeht, das drüberstülpt und dann kommt die Lösung heraus, sondern es ist einfach ein Prozess. Und 00:27:02.280 --> 00:27:10.280 in diesem Prozess ist man vom ersten Tag an eingebunden. Also, das war für mich eine ganz 00:27:10.280 --> 00:27:18.160 entscheidende Erfahrung. Das Weitere, was für mich ganz entscheidend war, war: 00:27:18.160 --> 00:27:23.520 etwas einfach auszudrücken. Für mich – ich konnte nicht gut Englisch - 00:27:23.520 --> 00:27:30.760 war die Herausforderung sehr groß, oder die Notwendigkeit, alles bis ins 00:27:30.760 --> 00:27:36.480 Letzte durchzudenken, denn wenn ich's nicht durchgedacht habe, wenn ich es nicht verstanden habe, 00:27:36.480 --> 00:27:43.080 konnte ich es auch nicht ausdrücken. Ich hatte den nicht die Sprache als Mittel der Verschleierung. 00:27:43.080 --> 00:27:48.360 Und auch als ich meine Arbeit geschrieben habe - ich habe geschrieben über einen 00:27:48.360 --> 00:27:53.200 ‚Functional approach in a civil law system‘ - weil ich war bei van Meeren, und der hatte diesen 00:27:53.200 --> 00:27:57.240 Functional Approach im Internationalen Privatrecht entwickelt – 00:27:57.240 --> 00:28:03.800 da konnte ich das nur schreiben, wenn ich wirklich gewusst habe, was ich sagen will. Und das war 00:28:03.800 --> 00:28:11.560 eine unschätzbare Erfahrung. Weil auch später in meiner Zeit als Richterin und auch heute noch ich mich 00:28:11.560 --> 00:28:19.760 immer wieder frage, ja was will ich eigentlich sagen? Was ist es eigentlich? Und ich habe auch eine extreme 00:28:19.760 --> 00:28:26.120 Abneigung, schon fast pathologisch, gegen so komplizierte Formulierungen, oder gegen diese 00:28:26.120 --> 00:28:32.800 Hauptwort-Konstruktionen oder dieses Geschwurbel, wo man nur was zudeckt, wo man eigentlich nicht weiß, was 00:28:32.800 --> 00:28:39.680 damit gesagt wird. Und das ist oft für meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen oder für die 00:28:39.680 --> 00:28:45.480 Rechtspraktikantinnen und -praktikanten bei Gericht war das anstrengend. Die haben irgendwas geschrieben, 00:28:45.480 --> 00:28:50.520 und ich habe das durchgelesen und gesagt: was wollen Sie eigentlich sagen? Warum schreiben Sie denn so? Sie 00:28:50.520 --> 00:28:59.360 sprechen ja auch nicht so. Als ich dann am OGH Senatsvorsitzende war, war ich sicher nicht einfach 00:28:59.360 --> 00:29:07.400 für meine Kolleginnen und Kollegen, weil ich viel ausgebessert habe. Es ist ganz wichtig, dass man 00:29:07.400 --> 00:29:15.520 verständlich schreibt, dass man seine Gedanken klar formuliert. Das Recht und Entscheidungen, die sollen 00:29:15.520 --> 00:29:20.800 ja Verhalten prägen - und wie sollen Entscheidungen Verhalten prägen, wenn man es nicht versteht? Und ich 00:29:20.800 --> 00:29:28.000 hatte in Graz den Professor Wilburg, der eindrucksvoll war. Und Wilburg hat gesagt, ein juristischer Aufsatz 00:29:28.000 --> 00:29:34.120 musst so einfach klingen wie ein Volkslied. Das erreicht man natürlich nicht so leicht. Aber immerhin 00:29:34.120 --> 00:29:43.520 das als Ziel, eine einfach Sprache. Und da ist ja für mich das Englische unerreicht. Auch die Rechtssprache 00:29:43.520 --> 00:29:49.200 - die haben ja gar nicht so eine eigene Rechtssprache, sondern die Entscheidungen sind lebensnah. Es sind 00:29:49.200 --> 00:29:55.520 einfache Sätze. Es ist nicht zu stark abstrahiert. Es sind nicht diese Formeln, die verwendet werden, 00:29:55.520 --> 00:30:02.200 sondern es ist ein Lebenssachverhalt, der unmittelbar angesprochen wird. Ich habe durch diese Zeit in 00:30:02.200 --> 00:30:11.840 Harvard unglaublich viel gewonnen für mein Leben, für mich. Ich bin außerordentlich dankbar und hätte ich 00:30:11.840 --> 00:30:20.560 nicht das Glück gehabt - das weiß man ja nie, wie es dann verlaufen wäre… Es war für mich in jeder Hinsicht 00:30:20.560 --> 00:30:28.760 ein Augen öffnen, ein Horizont erweitern, einfach eine neue Erfahrung. Ich kann mich noch gut 00:30:28.760 --> 00:30:36.280 erinnern, als ich da in Cambridge war, und so die ersten Tage als ich dort war, da bin ich am Harvard 00:30:36.280 --> 00:30:43.320 Square gestanden und hab dieses bunte Straßenbild angeschaut. Das können sie sich heute nicht mehr 00:30:43.320 --> 00:30:52.240 vorstellen, weil sie nicht wissen, wie einheitlich, wie einförmig das damals bei uns war. Diese Buntheit, 00:30:52.240 --> 00:30:58.760 dass die Menschen sich so anziehen, wie es ihnen gefällt. Dass die Hautfarbe nicht einheitlich ist, 00:30:58.760 --> 00:31:07.080 sondern dass das ganz unterschiedlich ist. Oder ich hatte damals mit meiner Freundin ein Konzertabonnement 00:31:07.080 --> 00:31:15.680 in Boston. Und dort sind wir ins Konzert gegangen und ich hatte vorher in Graz auch ein Konzertabonnement, 00:31:15.680 --> 00:31:22.320 und wenn ich in Graz ins Konzert gegangen bin: die Damen im kleinen Schwarzen. Es war ein einheitliches 00:31:22.320 --> 00:31:28.560 Bild. Jede hat ein schwarzes Kleid gehabt, und die Männer halt im dunklen Anzug, das war so. Und dann 00:31:28.560 --> 00:31:37.480 komme ich da in Boston in den Konzertsaal. Die Leute waren angezogen irgendwie, es war ein buntes Bild. Es 00:31:37.480 --> 00:31:44.200 war einfach locker und es hat mir unglaublich gefallen, es ist mir überhaupt nicht abgegangen. 00:31:44.200 --> 00:31:50.560 Manche beklagen das, aber bei uns ist es ja auch anders geworden - Gott sei Dank. Und es hat sich ja 00:31:50.560 --> 00:31:59.040 auch eine Vielfalt entwickelt und da war für mich Amerika schon prägend und ganz entscheidend. Ja, also 00:31:59.040 --> 00:32:04.800 wirklich. Ich bin Fulbright sehr, sehr dankbar. 00:32:09.200 --> 00:32:15.120 Also, als ich da in New York war und dann zu diesem Busbahnhof gegangen bin, 00:32:15.120 --> 00:32:20.320 da ist in einer Hauseinfahrt ein Mann gelegen, ein Obdachloser offenbar. Und das 00:32:20.320 --> 00:32:27.720 war für mich schon auch schrecklich nicht, das habe ich nicht gekannt. Das gab's ja bei uns nicht. In 00:32:27.720 --> 00:32:34.240 meiner Jugend gab es keine Bettler auf der Straße, auch keine Obdachlosen. Wenn man in Wien jetzt in der 00:32:34.240 --> 00:32:46.520 Früh laufen geht, da liegen Leute auf Parkbänken. Amerika ist schon ein Land, in dem unglaublich viel 00:32:46.520 --> 00:32:54.960 möglich ist, allein die Geschäfte, die bis Mitternacht offen haben, 24 Stunden. Das war ja bei uns extrem 00:32:54.960 --> 00:33:03.560 eingeschränkt. Als ich in den 80er Jahren Richterin am Handelsgericht war, da hatte ich einen Lehrauftrag 00:33:03.560 --> 00:33:13.440 an der WU viele Jahre, und das war bis 6 Uhr am Abend. Das Institut war damals noch in der Althanstraße. Da 00:33:13.440 --> 00:33:20.560 musste ich immer vorher einkaufen, weil wenn ich um 6 weggegangen bin, war alles schon zugesperrt. Nur am 00:33:20.560 --> 00:33:28.360 Franz-Josefs-Bahnhof war vielleicht noch irgendwas offen. Das habe ich schon als sehr einengend empfunden 00:33:28.360 --> 00:33:38.360 bei uns. Und dort war das nicht. Was schon für mich auch beeindruckend war, war diese Überfülle - in so 00:33:38.360 --> 00:33:46.840 einem Department Store Blusen in allen Farbschattierungen, wahnsinnig viel. Heute ist das gar 00:33:46.840 --> 00:33:53.280 nicht mehr schick. Je weniger Ware desto besser, da kriegt man ein teures Stück, und dann ist es vorbei. 00:33:53.280 --> 00:34:00.760 Aber damals war das noch so – einerseits diese Überfülle und diese Freiheit, man kann sich jetzt 00:34:00.760 --> 00:34:09.080 bewegen. Jeder kann gehen, wie er will. Und auf der anderen Seite die Kehrseite natürlich, wenn du schwach 00:34:09.080 --> 00:34:17.480 bist, wenn du krank bist, schaut es anders aus. Also, das habe ich schon stark empfunden und einer der 00:34:17.480 --> 00:34:26.560 Beweggründe, warum ich unbedingt nach Amerika wollte, war ja, dass ich mir damals gedacht habe: Amerika, die 00:34:26.560 --> 00:34:31.440 Entwicklung dort ist die Zukunft. Und wenn ich nach Amerika gehe, ist das wie ein Blick in die Zukunft, 00:34:31.440 --> 00:34:39.040 dann weiß ich auch, was bei uns kommen wird. Heute, wo alles in Echtzeit verfügbar ist bei uns, was auf der 00:34:39.040 --> 00:34:45.440 ganzen Welt passiert, trifft das nicht mehr zu. Aber damals war das noch so. Die Entwicklungen, die es dort 00:34:45.440 --> 00:34:52.400 gibt, die werden höchstwahrscheinlich auch zu uns kommen. Das ist ja auch so gekommen. Es war schon ein 00:34:52.400 --> 00:35:00.880 gemischtes Bild, wobei das Positive überwogen hat. Auch die Offenheit der Amerikaner, das hat mich schon 00:35:00.880 --> 00:35:07.960 sehr beeindruckt. Was man immer so gesagt hat bei uns: naja schon, die Amerikaner sind so freundlich, Du 00:35:07.960 --> 00:35:13.880 kriegst gleich einen Kontakt, aber das hält nicht. Das stimmt so überhaupt nicht. Ich habe heute noch Freunde 00:35:13.880 --> 00:35:22.600 aus der Zeit. Voriges Jahr hat uns ein amerikanischer Freund besucht, dessen Bruder in Harvard studiert hat 00:35:22.600 --> 00:35:27.000 zur selben Zeit wie ich, und ich habe die ganze Familie kennengelernt. Der ist voriges Jahr gekommen, 00:35:27.000 --> 00:35:35.040 und ich bin auch dort gewesen. Also, das stimmt so nicht. Das ist unterschiedlich, so wie bei uns auch. 00:35:35.040 --> 00:35:42.880 Also diese Offenheit, auf den anderen auch zugehen, das hat mir schon sehr gut gefallen. 00:35:47.480 --> 00:35:55.480 Das könnte ich gar nicht sagen, also für mich hat damals das Positive absolut überwogen. Eben diese 00:35:55.480 --> 00:36:04.880 Offenheit, diese Gastfreundlichkeit, dass man auf den anderen zugeht, auch eine gewisse Neugierde, diese 00:36:04.880 --> 00:36:14.200 Flexibilität. Ich bin ja dann auch herumgefahren in den Vereinigten Staaten, und dann habe ich einmal 00:36:14.200 --> 00:36:21.800 einen Mann getroffen, der gesagt hat, er hat jetzt sein Haus verkauft und er kauft sich jetzt einen 00:36:21.800 --> 00:36:30.160 Wohnwagen und er zieht dann in so einen Trailerpark, weil er will jetzt einfach mobil sein. Sich auf etwas 00:36:30.160 --> 00:36:41.520 einlassen. Also, was schon störend war – dass dieser Mann, der im Geschäftseingang gelegen ist, dass der 00:36:41.520 --> 00:36:48.160 Mann dann keine Hilfe hat oder nicht so schnell. Obwohl ich es auch erlebt habe, in den 00:36:48.160 --> 00:36:55.040 Kirchengemeinden dort, diese Bereitschaft, für den anderen etwas zu tun. Natürlich, wenn der Staat das 00:36:55.040 --> 00:37:00.480 nicht macht. In einem Wohlfahrtsstaat wie bei uns, sagt sich der Einzelne, warum soll ich? Der kriegt das 00:37:00.480 --> 00:37:09.320 eh vom Staat. Natürlich, das zivilgesellschaftliche Engagement ist ein anderes. Und ich habe damals schon 00:37:09.320 --> 00:37:15.720 gerade bei diesen Kirchengemeinden - auch die Familie, die ich da sehr gut gekannt habe, das waren Baptisten, 00:37:15.720 --> 00:37:21.840 das habe ich schon sehr positiv gesehen. Und damals – ich weiß nicht, ob es damals schon so war, vielleicht 00:37:21.840 --> 00:37:27.000 habe ich es nicht kennengelernt, also dieses Fundamentalistische, dieses Evangelikale, das mir 00:37:27.000 --> 00:37:32.360 natürlich nichts gibt, weil es eine Einengung ist und den Blick völlig verstellt. Das habe ich damals gar 00:37:32.360 --> 00:37:46.760 nicht so mitgekriegt. Aber was mir auch sehr gut gefallen hat, war, dass sich Leute getraut haben zu 00:37:46.760 --> 00:37:53.640 sagen: ich möchte das werden. Also ich habe zwei oder drei Leute in Harvard kennengelernt, die gesagt haben, 00:37:53.640 --> 00:37:59.520 ich möchte Präsident der USA werden. Oder ein Mädchen: ich möchte erste Präsidentin werden. Niemand hat 00:37:59.520 --> 00:38:04.440 darüber gelacht. Und die hat sich das auch genau ausgerechnet. Sie hat gesagt, ich gehe in eine 00:38:04.440 --> 00:38:10.800 Anwaltskanzlei in Washington D.C., dann zurück in den Heimatstaat Kansas, dann schau ich, dass ich in den 00:38:10.800 --> 00:38:19.520 Senat gewählt werde, und so werde ich meinen Weg machen. Dass jemand sich das getraut hat… Bei uns war 00:38:19.520 --> 00:38:28.280 das: Um Gottes willen! Nur nicht irgendwie etwas sagen! Und was drüben für mich schon auch mit 00:38:28.280 --> 00:38:34.120 befreiend, war - schon das Gefühl, dass die Leute vermittelt haben – und ich glaube, das entspricht 00:38:34.120 --> 00:38:40.480 auch den Tatsachen: wenn ich gut bin, wenn ich mich anstrenge, dann kann ich etwas erreichen. Ich habe mir 00:38:40.480 --> 00:38:47.560 gedacht, als ich studiert habe – ich komme vom Land, von einem Bauernhof - da habe ich mir gedacht: wenn 00:38:47.560 --> 00:38:54.440 man bei uns irgendwas werden will, dann musst Du jemanden kennen. Ich kenne niemanden und damit 00:38:54.440 --> 00:39:01.880 schaut’s schlecht aus. Ich wäre mein Leben nie zu einer Partei gegangen. Ich will jetzt niemandem 00:39:01.880 --> 00:39:09.680 nahetreten, ich bin da schon angeeckt mit dem, aber das war mir damals schon so, als bräuchte ich eine 00:39:09.680 --> 00:39:14.960 Karriereleiter. Es gibt sicher Leute, die aus Idealismus dazugehen, das will ich gar nicht in Frage 00:39:14.960 --> 00:39:22.440 stellen, aber für mich wäre das gar nicht in Frage gekommen. Also schon dieses Leistungsbewusstsein: Ich 00:39:22.440 --> 00:39:34.240 kann es schaffen. Ich strenge mich an. Ich mache etwas! Was mir auch damals schon gefallen hat, das war 00:39:34.240 --> 00:39:41.640 nicht nur einseitig – ich muss gute Noten haben. Da ist auch das Soziale dazu gekommen. Der Versuch, den 00:39:41.640 --> 00:39:53.440 ganzen Menschen auszubilden, dass der nicht nur seine Karriere im Sinn hat und sonst nix. Da gab es und gibt 00:39:53.440 --> 00:39:59.840 es in Amerika sehr, sehr viele gute Ansätze. Natürlich gibt's auch andere Entwicklungen. Aber die Menschen 00:39:59.840 --> 00:40:06.080 sind halt so verschieden, aber es gibt viel Positives, das habe ich schon so empfunden. 00:40:11.160 --> 00:40:17.760 Das war grundverschieden. Also, ich habe ja noch in einer Zeit studiert, als Vorlesungen - jedenfalls bei 00:40:17.760 --> 00:40:22.360 einigen Professoren - Vorlesungen waren. Einen hatten wir da, der hat sein Buch gehabt und hat es 00:40:22.360 --> 00:40:30.200 vorgelesen. Paragraph 1, Absatz 1 Ziffer 1 oder so ähnlich. Da gab es keine Interaktion zwischen dem 00:40:30.200 --> 00:40:38.200 Lehrenden und Studierenden. In Harvard war das ganz anders. Die haben ja das sokratische System. Es werden 00:40:38.200 --> 00:40:47.480 Fragen gestellt und anhand der Fragen wird ein Problem aufgearbeitet. Man kommt zum Nachdenken. Das war für 00:40:47.480 --> 00:40:54.400 mich grundlegend anders und sehr, sehr positiv. Ich habe ja viele Jahre einen Lehrauftrag an der WU gehabt 00:40:54.400 --> 00:41:02.960 und in Graz eine Honorarprofessur an der juridischen Fakultät. Da habe ich auch immer Lehrveranstaltungen 00:41:02.960 --> 00:41:09.000 gemacht. Ich habe das auch immer so gemacht und immer irgendetwas Selbstverständliches hingestellt – das ist 00:41:09.000 --> 00:41:17.680 jetzt so, also Gerichtsstand am Wohnort des Beklagten, warum ist das so? Dann war oft die Antwort: Das steht 00:41:17.680 --> 00:41:23.360 im Paragraph so. Ja, warum steht das so? Warum macht man nicht eine andere Lösung? Was wäre noch 00:41:23.360 --> 00:41:32.080 möglich? Ist das sinnvoll? Wie würden Sie das machen? Was bringt’s? Was schadet’s? Immer so drüber 00:41:32.080 --> 00:41:39.200 Nachdenken – sich das Erarbeiten. Und das habe ich schon dort gesehen. Also das hat mir sehr zugesagt. Es 00:41:39.200 --> 00:41:47.280 hat mir auch für mein Leben, und ich habe lange auch unterrichtet - hat mich schon sehr geprägt. Das zweite 00:41:47.280 --> 00:41:55.240 war, was mir dort auch sehr gut gefallen hat, war die Art der Prüfungen. Als ich studiert habe, waren das ja 00:41:55.240 --> 00:42:01.280 nur mündliche Prüfungen oder Klausurarbeiten in den Übungen, und da ist man irgendetwas gefragt worden, 00:42:01.280 --> 00:42:05.520 man hat dann die Antwort gegeben. Und in der Regel war das so, dass man das wiedergegeben hat, was man 00:42:05.520 --> 00:42:10.560 gelernt hat. Ja, also es war eine Wissensprüfung. Viel weniger eine Prüfung - kann ich das überhaupt 00:42:10.560 --> 00:42:16.320 anwenden, kann ich überhaupt mit dem Arbeiten? Dort haben wir das Material bekommen. Ich habe 00:42:16.320 --> 00:42:26.440 amerikanisches Verfassungsrecht gemacht. Ein Fall war, zwei Staaten streiten darüber, wer die Wolken zum 00:42:26.440 --> 00:42:32.920 Regnen bringen kann, also wie wird das jetzt gelöst zwischen den beiden Staaten? Und da kriegt man das 00:42:32.920 --> 00:42:41.760 ganze Material, das es dazu gibt. Alles – es waren ja immer Open Book Exams. Du kannst Nachschauen. Man hat 00:42:41.760 --> 00:42:49.240 eine bestimmte Zeit gehabt und musste eigene Gedanken und eigene Ideen entwickeln. Und das ist ja für eine 00:42:49.240 --> 00:42:56.240 Tätigkeit danach – ob ich Anwalt, Richter, Anwältin, Richterin, wurscht was ich mache – ist das ja ganz 00:42:56.240 --> 00:43:02.240 entscheidend, dass ich lerne, damit umzugehen. Natürlich brauche ich ein Grundwissen. Also, wenn ich 00:43:02.240 --> 00:43:09.280 keine Struktur habe, dann kann ich auch nicht das, was ich neu erfahre, dann irgendwie einhängen. Da bin ich 00:43:09.280 --> 00:43:14.800 auch für die Art, wie ich das Studium noch erlebt habe mit den drei Staatsprüfungen, wo ich den ganzen Stoff 00:43:14.800 --> 00:43:20.760 auf einmal parat haben musste, bin ich sehr dankbar, weil ich habe so ein Grundwissen gehabt über die 00:43:20.760 --> 00:43:27.520 Struktur unseres Rechtssystems. Und es hat mich mein ganzes Berufsleben durchgetragen, weil ich gewusst 00:43:27.520 --> 00:43:35.720 habe, das spielt irgendwie so zusammen. Und das dann noch dazu, dass ich jetzt lerne, wie gehe ich mit dem 00:43:35.720 --> 00:43:41.760 um? Welche Probleme ergeben sich da? Welche Möglichkeiten habe ich, dieses Problem zu lösen? Das 00:43:41.760 --> 00:43:50.360 hat mich schon sehr beeindruckt. Und natürlich der Kontakt zwischen den Professoren - oder zwischen den 00:43:50.360 --> 00:43:56.680 Lehrenden und den Studierenden, muss man echt gendergerecht sagen. Da konnte man immer hingehen. Die 00:43:56.680 --> 00:44:01.120 haben nach Hause eingeladen und dann ist man dort zusammengestanden und hat darüber geredet. Es war 00:44:01.120 --> 00:44:07.720 nicht diese Barriere. Aber das ergibt sich ganz logisch daraus, weil eben nicht da die Wissenden und 00:44:07.720 --> 00:44:14.600 da die Nichtwissenden waren, sondern Menschen, die sich zusammengefunden haben, um gemeinsam mehr zu 00:44:14.600 --> 00:44:20.760 erkennen. Wobei ja auch der Lehrende profitiert, wenn er einen Studierenden hat, der neue Fragen stellt, 00:44:20.760 --> 00:44:26.440 weil er irgendwas nicht versteht. Weil dann sagt er sich selber, wie kann ich das begreiflich machen? Wie 00:44:26.440 --> 00:44:31.520 ist es denn wirklich? Ist es so? Was ist denn der Hintergrund? Dann kommt man selber drauf. Man 00:44:31.520 --> 00:44:39.680 profitiert ja auch. Aber heute ist es ja bei uns auch schon anders. Also, ich komme natürlich aus einer Zeit 00:44:39.680 --> 00:44:47.520 - also 1965 habe ich maturiert. Dann habe ich das Jahr das Latinum dann gemacht, also von 66 bis 70 habe ich 00:44:47.520 --> 00:44:53.240 Jus studiert. Das war schon eine andere Zeit. Heute sind schon andere Lehrmethoden. Damals gab es 00:44:53.240 --> 00:44:59.520 überhaupt keine Pädagogik-Ausbildung für Lehrende. Ich weiß, eine Kollegin, als ich Assistentin war, die hat 00:44:59.520 --> 00:45:05.000 dann begonnen, so etwas zu organisieren. Da ist erst langsam das Bewusstsein entstanden, dass es vielleicht 00:45:05.000 --> 00:45:10.800 da Techniken gibt, wie man den Leuten das besser beibringt. Aber das war ein langer Prozess. Ich 00:45:10.800 --> 00:45:17.280 glaube schon, dass wir insgesamt von Amerika viel profitiert haben – von dieser Art. Weil es waren ja 00:45:17.280 --> 00:45:20.760 viele drüben, die zurückgekommen sind und etwas mitgebracht haben. 00:45:24.640 --> 00:45:32.760 Ich bin dann zurück gekommen - also das war im Sommer 1975 und ich war ja an der Uni karenziert. Mein 00:45:32.760 --> 00:45:37.920 Vertrag an der Uni ist weitergelaufen. In der Zwischenzeit war mein Chef gestorben. Der ist ‘74 00:45:37.920 --> 00:45:46.920 gestorben und die Lehrkanzel war unbesetzt. Es war nix an der Uni. Ich habe ja in Harvard - das war in der 00:45:46.920 --> 00:45:54.240 Hinsicht auch prägend – das Gefühl bekommen: jemand, der nur an der Uni ist - Assistent oder Assistentin, 00:45:54.240 --> 00:46:00.960 wie bei uns, ist eigentlich nix. Das ist nicht das wirklich Juristische. Die Professoren, die wir dort 00:46:00.960 --> 00:46:08.640 gehabt haben, Chase zum Beispiel, der war Kennedy-Berater, als die Schweinebucht-Krise war – das 00:46:08.640 --> 00:46:17.080 waren Menschen, die waren aus dem Leben gekommen und haben ihre Erfahrungen erzählt und damit gearbeitet. Die 00:46:17.080 --> 00:46:25.400 hatten praktische Erfahrung. Dass jemand dann nur an der Uni war, des war eigentlich nicht. Die hatten ganz 00:46:25.400 --> 00:46:32.840 andere Kontakte und haben da viel mehr aus der Praxis auch an die Uni gebracht. Da war nicht diese strenge 00:46:32.840 --> 00:46:39.040 Trennung. Und da habe ich mir gedacht, wenn ich jetzt eine gute Juristin werden will, dann brauche ich 00:46:39.040 --> 00:46:45.800 praktische Erfahrung. An der Uni wäre ich allein gewesen – was mach ich da? Ich habe schon eine Arbeit 00:46:45.800 --> 00:46:51.160 gehabt, an der ich da geschrieben habe, aber das ist es eigentlich nicht. Dann habe ich gedacht, um 00:46:51.160 --> 00:47:00.880 praktische Erfahrung zu gewinnen: jetzt bewerbe ich mich bei einer Bank. Und ich habe mich dann bei drei 00:47:00.880 --> 00:47:08.760 Banken beworben. Eine hat gar nicht geantwortet. Eine hat geschrieben, sie brauchen jetzt niemanden und die 00:47:08.760 --> 00:47:14.600 dritte, die haben mich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Und dann war ich dort in der 00:47:14.600 --> 00:47:23.800 Rechtsabteilung. Ich muss noch dazu sagen, am Vorabend, da bin ich nach Wien gekommen, habe ich 00:47:23.800 --> 00:47:29.120 einen Kollegen getroffen, der auch in Harvard war. Der hat aber zu Allerheiligen schon abgebrochen und ist 00:47:29.120 --> 00:47:34.680 zurückgefahren, und der Konzipient in einer Anwaltskanzlei. Und der sagt zu mir: Geh nicht in eine 00:47:34.680 --> 00:47:40.440 Bank – geh in eine Anwaltskanzlei. Mach die Anwaltsprüfung, das ist viel gescheiter. Da hast Du 00:47:40.440 --> 00:47:46.080 viel mehr Möglichkeiten. Dann habe ich überlegt und gedacht, vielleicht hat er recht. Das ist einfach ein 00:47:46.080 --> 00:47:51.200 größerer Spielraum. Jedenfalls bin ich dann am nächsten Tag da hingegangen zu diesem 00:47:51.200 --> 00:47:59.880 Vorstellungsgespräch. Das war ganz lustig, denn der Chef der Rechtsabteilung hat zu mir gesagt: Sie waren 00:47:59.880 --> 00:48:05.920 in Amerika? Na, das passt ja gut. Wir haben jetzt so einen Letter of Credit gehabt und haben nicht gewusst, 00:48:05.920 --> 00:48:17.840 was das ist. Das war 1975. Jedenfalls, nach dem Gespräch mit diesem Freund habe ich gedacht, 00:48:17.840 --> 00:48:22.680 eigentlich will ich das jetzt eh nicht. In eine Rechtsabteilung zu gehen, interessiert mich nicht. 00:48:22.680 --> 00:48:28.200 Dann habe ich gesagt, ich will 10000 Schilling netto. Da hat er gesagt, so viel können sie nicht zahlen. Ja 00:48:28.200 --> 00:48:34.080 gut, dann mache ich es nicht, aber ich war ja innerlich schon entschieden, dass ich das nicht machen 00:48:34.080 --> 00:48:42.400 will. Und dann habe ich mich in einer Anwaltskanzlei beworben. Also, ich habe ein Inserat aufgegeben. Und 00:48:42.400 --> 00:48:50.080 dann habe ich eine Zuschrift bekommen von einem Anwalt. Und ich hatte geschrieben „LLM (Harvard)“ – 00:48:50.080 --> 00:48:56.680 entsprechend herausgestrichen und Universitätsassistent – nicht die weibliche Form. Dann 00:48:56.680 --> 00:49:01.920 kam ein Brief, von einem Anwalt geschrieben, der geschrieben hat: „Sehr geehrter Herr Kollege! Auch ich 00:49:01.920 --> 00:49:07.000 gehöre zu den wenigen, die mit einem LLM aus den Vereinigten Staaten nach Österreich zurückgekehrt 00:49:07.000 --> 00:49:12.360 sind. Allerdings nicht aus Harvard, sondern aus Yale.“ 00:49:12.360 --> 00:49:21.400 Jedenfalls habe ich mich bei diesem Anwalt vorgestellt. Und es war ganz lustig, weil – als ich 00:49:21.400 --> 00:49:29.640 dort war, hat er einen Telefonanruf bekommen und da ging es auch um einen Letter of Credit - und er hat 00:49:29.640 --> 00:49:36.640 noch zu mir gesagt, das könnte eine größere Geschichte werden. Ich bin dann zu diesem Anwalt gegangen und ich 00:49:36.640 --> 00:49:47.920 habe dann an dieser Sache gearbeitet - mit Akkreditiv. Also 3 Jahre, Jänner ‘76 habe ich begonnen und ich war 00:49:47.920 --> 00:49:54.880 dort bis Jänner ’79, und hat also das war meine Tätigkeit Haupttätigkeit, ich habe ihm zugearbeitet. 00:49:54.880 --> 00:50:01.000 Und das war schon für mich ganz ungewohnt. Es war ein äußerst komplexer Sachverhalt, wir haben damals ein 00:50:01.000 --> 00:50:06.840 englisches Bankenkonsortium vertreten, das die CA geklagt hat. Es ging um 400 Millionen Schilling. Das 00:50:06.840 --> 00:50:11.920 war damals eine ganz große Sache, und dieser Sachverhalt war sehr komplex. Und wir haben eigentlich 00:50:11.920 --> 00:50:18.120 keine Informationen gehabt und ich musste diesen Sachverhalt irgendwie aufbereiten und fassbar machen, 00:50:18.120 --> 00:50:24.360 also, wie geht man das an? Es gab ja noch keine EDV. Die ersten Telekopierer sind aufgekommen, aber da 00:50:24.360 --> 00:50:28.920 musste man aufpassen, wenn man was kopiert hat, dass es nicht nass geworden ist. Das war noch eine andere 00:50:28.920 --> 00:50:36.280 Zeit. Da musste ich gewisse Strategien entwickeln, wie ich diesen Sachverhalt einordnen kann - Mappen 00:50:36.280 --> 00:50:42.800 angelegt, jeden Tag alle Dokumente exzerpiert, was da immer war, chronologisch geordnet, Dann so Tableaus 00:50:42.800 --> 00:50:49.800 gezeichnet, das man sich auskennt. Das war eine gute Schule. Das hat mir dann bei der Hypo-Kommission sehr 00:50:49.800 --> 00:50:57.560 geholfen, diese Erfahrung. Dann war ich dort in der Anwaltskanzlei, habe dort zugearbeitet und da habe ich 00:50:57.560 --> 00:51:06.680 dann die Anwaltsprüfung gemacht. Da habe ich schon das Gefühl gehabt, eigentlich tut man sich als Anwalt sehr 00:51:06.680 --> 00:51:12.760 schwer, die Richter dazu zu bringen, dass sie sich wirklich mit der Sache auseinandersetzen. Das war ja 00:51:12.760 --> 00:51:20.960 ein sehr komplexer Fall. Dieser Anwalt hat immer mit mir drüber diskutiert und wir haben da so viel 00:51:20.960 --> 00:51:28.560 überlegt. Und kommt man in die Verhandlung und er wollte das vorbringen, und der Richter sagt: Das weiß 00:51:28.560 --> 00:51:35.280 ich schon. Das war ein bissel frustrierend. Da habe ich mir gedacht, wenn ich jetzt eine gute Anwältin 00:51:35.280 --> 00:51:42.200 werden will, muss ich eigentlich wissen, wie ein Richter denkt. Und das Beste ist, ich gehe zu Gericht 00:51:42.200 --> 00:51:51.400 und ich schaue mir das einmal an, wie ist das für einen Richter. Ich hätte auch beim Anwalt in der 00:51:51.400 --> 00:51:59.920 Kanzlei bleiben können, nur er war eine sehr starke Persönlichkeit. Das ist nicht so leicht, sich da zu 00:51:59.920 --> 00:52:04.760 entwickeln. Ich musste da weggehen. Gerade, wenn jemand sehr stark ist, wenn man sehr beeindruckt ist, 00:52:04.760 --> 00:52:13.640 dann muss man eigentlich gehen. Und dann habe ich mich bei Gericht beworben, und ich habe ein ganz gutes 00:52:13.640 --> 00:52:19.680 Ergebnis bei der Anwaltsprüfung gehabt. Die waren dann interessiert. Die haben ja Richter gesucht damals, und 00:52:19.680 --> 00:52:25.080 dann habe ich mich vorgestellt beim Obergericht, und dieser Richter, der dafür zuständig war - der 00:52:25.080 --> 00:52:31.920 Vizepräsident - der hat so meine Unterlagen angeschaut, meine Zeugnisse, und hat zu mir gesagt: 00:52:31.920 --> 00:52:45.800 eines spricht gegen Sie. Sie sind unstet. Das war die Einstellung damals. Junge Leute können sich das gar 00:52:45.800 --> 00:52:51.200 nicht vorstellen. Wenn ich mit den Freunden meiner Kinder rede – heute macht er das, morgen macht er das 00:52:51.200 --> 00:52:56.120 - ganz selbstverständlich, findet niemand was dabei. Aber damals war das so. Aber sie haben mich trotzdem 00:52:56.120 --> 00:53:03.560 genommen. Und ich habe dann am 1. Februar 1979 begonnen, und ich kann mich gut erinnern, das war das 00:53:03.560 --> 00:53:07.480 Handelsgericht noch in der Riemergasse, das Bezirksgericht für Handelssachen. Ich habe damals 00:53:07.480 --> 00:53:16.800 gesagt zu dem Vizepräsidenten, ich möchte nur in Handelssachen arbeiten und ich will weiterhin in der 00:53:16.800 --> 00:53:23.040 Kanzlei arbeiten - weil eben dieser Fall noch nicht abgeschlossen war. Ich kann meinen Chef nicht 00:53:23.040 --> 00:53:29.840 hängenlassen. Das war ungewöhnlich, und das haben sie mir aber gestattet, weil sie eben Richter gesucht 00:53:29.840 --> 00:53:35.880 haben. Und ich kann mich gut erinnern, wie ich da ins Bezirksgericht für Handelssachen gegangen bin, das war 00:53:35.880 --> 00:53:40.880 in der Riemergasse. Da bin ich durch die Domgasse hinuntergegangen und es war 1. Februar. Schneematsch 00:53:40.880 --> 00:53:47.760 auf der Straße. Man ist dort ein paar Stufen hinaufgegangen und hineingegangen - alles war dreckig. 00:53:47.800 --> 00:53:55.920 Ich denke mir – ich hab´ mein Leben ruiniert. Jetzt gehe ich da her. Ich hatte wirklich ein sehr schönes 00:53:55.920 --> 00:54:01.440 Zimmer in der Kanzlei. Das war mindestens so groß, wie das, was ich später im OGH gehabt habe, als ich 00:54:01.440 --> 00:54:06.960 Präsidentin war. Es war mir schon klar, so schnell kriegt man nicht so ein schönes Zimmer in der Justiz. 00:54:06.960 --> 00:54:19.000 Da hatte ich schon das Gefühl – eigentlich, was machst Du jetzt? Ich war ja nie Richteramtsanwärterin. Meine 00:54:19.000 --> 00:54:24.920 Gerichtspraxis lag schon Jahre zurück, die habe ich so auf Raten gemacht. Und die Abteilung war eine Zeit 00:54:24.920 --> 00:54:29.600 lang unbesetzt gewesen. Und die Richter haben ausgeschrieben. Es waren am nächsten Tag schon 200 00:54:29.600 --> 00:54:37.000 erste Tagsatzungen. 3 Monate waren voll ausgeschrieben. Ich habe gar nicht gewusst, wie ich so 00:54:37.000 --> 00:54:44.800 etwas machen soll. Ich glaube, ich bin einmal mitgegangen mit einem anderen Anwalt. Wir haben ja 00:54:44.800 --> 00:54:51.360 nicht so viele Gerichtssachen gehabt in der Kanzlei. Und das werde ich auch dem Vorsteher des 00:54:51.360 --> 00:54:56.640 Bezirksgerichts nie vergessen. Der hat sich mit mir hingesetzt an diesem ersten Februar und hat mir 00:54:56.640 --> 00:55:01.560 gezeigt, wie man die Kosten rechnet. Ich hab’s nicht gewusst. Normalerweise war es so, wenn man 00:55:01.560 --> 00:55:07.000 ausgeschrieben hat, muss man die Kosten rechnen. Er hat mir das gezeigt. Dann habe ich die Kosten 00:55:07.000 --> 00:55:13.280 gerechnet. Und am nächsten Tag um 8:15 Uhr haben die ersten Tagsatzungen begonnen. Da waren immer 15 pro 00:55:13.280 --> 00:55:20.000 Viertelstunde. Da gibt's heute nicht mehr. Heute ist überall das Mahnverfahren. Dann haben sie mir so einen 00:55:20.000 --> 00:55:27.840 alten Talar gegeben. Und ich habe gedacht, ich muss den Talar anziehen. Und dann ziehe ich den Talar an. 00:55:27.840 --> 00:55:33.200 Und dann kommt so eine Dame aus einer Kanzlei - die hat man BU- Damen genannt - die eine 00:55:33.200 --> 00:55:39.000 Beglaubigungsurkunde gehabt hat - und die hat gesagt: Frau Rat, da brauchen’s keinen Talar. Da habe ich ihn 00:55:39.000 --> 00:55:48.320 erleichtert ausgezogen. So hat das begonnen. Dann die Verhandlungen und dann learning by doing… Es war schon 00:55:48.320 --> 00:55:56.480 ein Sprung ins kalte Wasser. Ein Richter von dort, den ich kannte, hat gesagt: Sie werden ins Wasser 00:55:56.480 --> 00:56:05.240 geworfen, man wird sehen, ob Sie schwimmen können. Dann habe ich ja noch aus meiner Konzipientenzeit – 00:56:05.240 --> 00:56:13.400 ein paar kleine Fälle hat man schon bei Gericht gehabt. Und da hat mich extrem gestört, und auch als 00:56:13.400 --> 00:56:22.720 Rechtspraktikantin, wenn Richter versucht haben, einen Vergleich zustande zu bringen. Das war mir derart 00:56:22.720 --> 00:56:29.640 unangenehm. Also, ich habe überhaupt nicht versucht, irgendwas zu vergleichen, bis ein Kollege zu mir 00:56:29.640 --> 00:56:34.440 gesagt hat, dass ein Anwalt gesagt hat: Sie versucht es nicht mal. Es wäre schon gut, wenn sie es versuchen 00:56:34.440 --> 00:56:42.200 würde. Also, ich habe erst so langsam da hineingefunden und war dann ein Jahr am Bezirksgericht 00:56:42.200 --> 00:56:47.240 für Handelssachen. Bin dann ans Handelsgericht bekommen, und das war meine schönste Zeit als 00:56:47.240 --> 00:56:54.320 Richterin, weil als Erstrichterin, da hat man nicht diese Massen, die man am Bezirksgericht hat. Das sind 00:56:54.320 --> 00:57:00.280 weniger Fälle und man kann das wirklich ordentlich machen. Und das hängt so stark von einem selber ab - 00:57:00.280 --> 00:57:06.160 wenn man sich anstrengt, wenn man sich gut vorbereitet, wenn man mit den Leuten reden kann, dann 00:57:06.160 --> 00:57:10.920 kann man auch viel erreichen. Mich hat ja nie gestört, wenn ich ein Urteil schreiben muss. Dann war ich bis 00:57:10.920 --> 00:57:19.280 ‘87 am Handelsgericht. Dann war ich am Oberlandesgericht, da war ich bis Ende ’92, und am 00:57:19.280 --> 00:57:27.320 1. Jänner 1993 bin ich dann an den Obersten Gerichtshof gekommen. Aber die schönste Zeit war am 00:57:27.320 --> 00:57:35.680 Handelsgericht. Das ist das wirkliche Richtersein. In den Instanzen ist das anders – man hat Akten und man 00:57:35.680 --> 00:57:40.880 erledigt das. Man macht eine Entscheidung. Manchmal gelingt’s besser, manchmal nicht so gut. Man ist 00:57:40.880 --> 00:57:46.960 bemüht, das halbwegs zu machen, aber der richtige Kontakt und wirklich den Fall zu gestalten – der 00:57:46.960 --> 00:57:53.000 Richter in der ersten Instanz ist ja ganz entscheidend, weil er Sachverhalt feststellt. Wenn der 00:57:53.000 --> 00:58:01.720 Sachverhalt einmal steht, kann man ja nichts mehr machen. Die Verantwortung ist da sehr groß, aber 00:58:01.720 --> 00:58:09.600 das ist ja das Schöne: Man ist vom ersten Tag an sein eigener Herr. Man ist voll verantwortlich. Also das 00:58:09.600 --> 00:58:18.280 ist schon das ist schon ein schönes Gefühl. Also, ich habe da schon meinen Traumberuf gefunden. Ich war sehr 00:58:18.280 --> 00:58:25.400 gerne Richterin. Auch diese Freiheit, die man hat. Man macht seine Sache. Das war auch eine ganz 00:58:25.400 --> 00:58:32.920 entscheidende Erfahrung, hat jetzt mit Harvard nichts zu tun, aber ich habe auch das erste Mal gearbeitet in 00:58:32.920 --> 00:58:38.760 den Ferien nach der dritten Klasse Handelsakademie. Und da war ich in einer Bank und war dort in der 00:58:38.760 --> 00:58:47.560 Buchhaltung, und meine Aufgabe war, Belege abzulegen. Das ist keine sehr faszinierende Arbeit, aber muss 00:58:47.560 --> 00:58:56.840 gemacht werden. Jeden Tag so um 3 war ich fertig. Bis 5 Uhr musste ich dort sein. Und von 3 bis 5 habe ich 00:58:56.840 --> 00:59:02.600 nichts zu tun gehabt. Ich konnte aber kein Buch nehmen und lesen - nichts. Es gab auch noch nicht die PCs, wo 00:59:02.600 --> 00:59:08.240 man andere Seiten anschauen kann. Handys gab es auch nicht. Einfach dort gesessen und gewartet. Und damals 00:59:08.240 --> 00:59:14.880 habe ich mir gedacht, ich möchte mal einen Beruf haben, wo ich nicht dort sein muss, wenn ich nichts zu 00:59:14.880 --> 00:59:22.800 tun habe. Und das habe ich als Richterin dann gehabt. Also diese Langeweile im Beruf - viele klagen, dass 00:59:22.800 --> 00:59:28.360 sie gar nicht wissen, warum sie da sind, dass es völlig sinnlos ist, dass es nutzlos, was sie tun – das 00:59:28.360 --> 00:59:34.840 hat man da nie. Weil es ganz klar ist, jemand muss sagen: Du zahlst die 1000 € oder Du zahlst es nicht. 00:59:34.840 --> 00:59:42.120 Und ich bin diejenige, die berufen ist, das zu überlegen. Das war schön schön. 00:59:47.360 --> 00:59:55.160 Fulbright, finde ich, ist ganz entscheidend für die Bildung des einzelnen Menschen - auch für die 00:59:55.160 --> 01:00:00.200 Verantwortung in der Gesellschaft, also die Verantwortung für das eigene Leben und für die 01:00:00.200 --> 01:00:08.800 Verantwortung in der Gesellschaft. Und ich finde, der größte Vorteil in der EU ist Erasmus. Die Möglichkeit, 01:00:08.800 --> 01:00:17.080 andere Menschen kennenzulernen, indem man als junger Mensch dorthin geht. Dort mit anderen lernt, andere 01:00:17.080 --> 01:00:24.080 Mentalitäten kennenlernt, und Fulbright ist da ja absolut ein Vorreiter und haben das ja zu einer Zeit 01:00:24.080 --> 01:00:29.280 gemacht, also es noch kein Erasmus gab. Für Menschen dieser Generation war das die einzige 01:00:29.280 --> 01:00:41.000 Möglichkeit. Und es hat mir unglaublich viel gebracht. Diese Erweiterung des Horizonts, was Anderes zu sehen, 01:00:41.000 --> 01:00:48.520 was Anderes zu erleben, über dieses Enge hinauszugehen - nicht zu glauben, draußen sind nur 01:00:48.520 --> 01:00:52.440 Gefahren, wir müssen schon bei uns bleiben, nur ja 01:00:52.440 --> 01:00:56.400 nicht etwas anders kennenlernen – das hat man dort nicht. 01:00:56.400 --> 01:01:04.160 Das überwindet man, so man es gehabt hat. Ich finde, das ist ein Dienst am einzelnen Menschen und an der 01:01:04.160 --> 01:01:13.040 Gesellschaft. Wertvoller kann es für mich gar nicht sein. Denn alles, was wir an positiven Entwicklungen 01:01:13.040 --> 01:01:22.040 in der Gesellschaft erhoffen können, wünschen können, beginnt beim Einzelnen. Fulbright hilft dem Einzelnen, 01:01:22.040 --> 01:01:28.760 das zu entwickeln und das zu tun. Ich bin unendlich dankbar und bin froh, dass es das nach wie vor gibt.