WEBVTT - https://subtitletools.com 00:00:12.080 --> 00:00:19.480 Ich bin in Deutschland - in Kiel – geboren, in Norddeutschland, wohin mein Vater in der 00:00:19.480 --> 00:00:26.400 Zwischenkriegszeit ausgewandert ist. In Österreich hat es keine Stellen gegeben und dort hat er Arbeit 00:00:26.400 --> 00:00:32.000 gefunden, seine Frau kennengelernt – eine Hamburgerin. Aber in den 1940er Jahren ist er nach 00:00:32.000 --> 00:00:35.560 Österreich zurückgekehrt und wir haben dann in Innsbruck gelebt. 00:00:35.560 --> 00:00:42.040 Er war Professor an der Handelsakademie, und ich bin ganz normal ins Gymnasium 00:00:42.040 --> 00:00:48.360 in Innsbruck gegangen und wollte dann Germanistik studieren und Anglistik als 00:00:48.360 --> 00:00:55.760 Nebenfach, ursprünglich. Leider war damals die Anglistik völlig verwaist; 00:00:55.760 --> 00:01:01.240 der alte Professor war weg, der neue Professor war noch nicht da und ich habe in erster Linie Germanistik 00:01:01.240 --> 00:01:06.880 studiert, und war schon im dritten oder vierten Semester, bevor ich überhaupt auf die Anglistik 00:01:06.880 --> 00:01:15.720 gekommen bin. Aber das war gerade die kritische Zeit, wo ich zum ersten Mal mit Fulbright in Kontakt 00:01:15.720 --> 00:01:20.960 gekommen bin. Es gab ja schon seit den 1950er Jahren an der Uni Innsbruck Fulbright-Professoren, allerdings 00:01:20.960 --> 00:01:27.360 nicht nur in den philologischen und historischen Fächern, sondern auch woanders, und die haben 00:01:27.360 --> 00:01:36.440 regelmäßig Vorlesungen gehalten. Da fast alle anglistischen Vorlesungen auf Deutsch waren und wir 00:01:36.440 --> 00:01:41.560 eigentlich außer den paar Sprachkursen, die es gegeben hat, keine Möglichkeit hatten, Native Speakers zu 00:01:41.560 --> 00:01:48.160 hören und mit ihnen zu sprechen – sind viele von uns in diese Fulbright-Vorlesungen gegangen, um unser 00:01:48.160 --> 00:01:59.280 Englisch aufzufrischen. Das war ein ganz wichtiger Grund. Es waren immer so ungefähr 50 Leute da, aber 00:01:59.320 --> 00:02:06.560 die Vorlesungen haben keinen Einfluss gehabt auf die Normalstudien. Sie waren Teil eines „Studium 00:02:06.560 --> 00:02:15.040 Generale“ für alle Hörer der Universität, und hatten keine Prüfungsrechte und nichts. Man ging einfach hin, 00:02:15.040 --> 00:02:25.680 um sich zu informieren. Das war also der Beginn. Meine erste Begegnung mit einem Amerikaner ist ganz 00:02:25.680 --> 00:02:32.840 interessant. Die US-Army ist mit einem Panzerregiment über den Brenner aus Italien nach Bayern 00:02:32.840 --> 00:02:37.920 hinaufgezogen. Und ich kann mich noch genau daran erinnern; wir haben in Seefeld gewohnt im ersten 00:02:37.920 --> 00:02:44.480 Stock und da sind diese großen amerikanischen Panzer vorbeigekommen. Wir haben das Fenster offen gehabt, 00:02:44.480 --> 00:02:51.000 und meine erste Begegnung mit einem Amerikaner war ein schwarzer G.I., der mir einen Kaugummi ins Fenster 00:02:51.000 --> 00:02:59.040 geworfen hat – also eine ganz und gar freundliche und nette Begegnung. Nachher haben sie leider unsere 00:02:59.040 --> 00:03:06.320 Wohnung in Beschlag genommen und den Ort besetzt. Meine Mutter wollte ein bisschen Zeit gewinnen für den 00:03:06.320 --> 00:03:13.720 Auszug und hat gesagt, dass ihr Sohn krank ist. Und dann ist da ein großer G.I., ein Weißer, gekommen, 00:03:13.720 --> 00:03:20.760 hat mich genommen und in die Luft geworfen und hat lachend gesagt: „Er ist nicht krank!“ Das war die 00:03:20.760 --> 00:03:23.840 erste direkte Begegnung. Die zweite Begegnung waren dann schon die 00:03:23.840 --> 00:03:33.760 Fulbright-Professoren an der Uni. Der erste war Professor Eisinger, damals eine Koryphäe. Er war sehr 00:03:33.760 --> 00:03:42.560 bekannt durch seine Bücher und sein erstes Seminar war über „The American Mind“, also ein ganz breites 00:03:42.560 --> 00:03:49.520 Thema. Und ich kann mich erinnern, wie er uns in der ersten Stunde gefragt hat – wir waren ungefähr so 12 00:03:49.520 --> 00:03:58.040 bis 14 Studierende : „What do you know about American culture?“, und eine von den Studentinnen hat 00:03:58.040 --> 00:04:03.240 zurückgefragt „Is there any?“ Und dann sind die ganzen Klischees gekommen, Wolkenkratzer und Cowboys 00:04:03.240 --> 00:04:10.440 und Indianer und Winnetou und so weiter. Das wenige, was einige gekannt haben, war „Der alte Mann und das 00:04:10.440 --> 00:04:21.320 Meer“ und „Vom Winde verweht“ - und sonst war Wüste, kaum Wissen über irgendetwas. Eisinger hat dann eine 00:04:21.320 --> 00:04:28.920 tolle Vorlesung und ein Seminar gehalten, und wir haben zum ersten Mal die ganz großen Autoren der 00:04:28.920 --> 00:04:40.840 amerikanischen Literatur kennengelernt. Und für mich war das insofern ein ganz wichtiges Ereignis, als 00:04:40.840 --> 00:04:46.720 dieser Fulbright-Professor und auch die nachfolgenden völlig anders waren als unsere Professoren, die wir 00:04:46.720 --> 00:04:54.920 damals gehabt haben. Also normalerweise war alles in der Germanistik und auch in der Anglistik frontal – 00:04:54.920 --> 00:05:01.880 Vorlesungen mit vielen Hörern immer nur frontal - es gab keinerlei Kommunikation. Und auch in den Seminaren 00:05:01.880 --> 00:05:08.800 war es eigentlich so, dass die Studenten aus irgend- welchen Papers vorgelesen haben und wenn er 00:05:08.800 --> 00:05:14.320 oder sie fertig war, ist der nächste drangekommen. Alles war vollkommen kommunikationslos und ohne 00:05:14.320 --> 00:05:21.240 persönlichen Impact – im Gegenteil, man hat das Gefühl gehabt, die Professoren wollten eigentlich gar nicht, 00:05:21.240 --> 00:05:27.760 dass wir unsere persönliche Meinung äußern, weil die sowieso subjektiv und unwissenschaftlich ist. Und jetzt 00:05:27.760 --> 00:05:34.680 sagt dieser Professor: „Ihr sollt nicht so viel Sekundärliteratur lesen. Es ist besser, ihr lest die 00:05:34.680 --> 00:05:42.080 Werke ganz genau und dann macht ihr euch selber Gedanken drüber, was Ihr davon hält.“ Und es war das 00:05:42.080 --> 00:05:47.520 erste Mal in meinem Leben, dass ich wirklich selbstständig über einen Text – von Walt Whitman – 00:05:47.520 --> 00:05:55.800 nachgedacht und alles niedergeschrieben und ein „A“ bekommen habe. Da habe ich gedacht – wie gibt es das? 00:05:55.800 --> 00:06:02.240 Ich habe doch eigentlich gar nicht wirklich geforscht - ich habe nur meine Meinung von mir gegeben, und das 00:06:02.240 --> 00:06:13.160 war dann ein „A“. Ich muss überhaupt vorweg sagen, dass das 00:06:13.160 --> 00:06:20.920 Fulbright-Programm auf mein Leben eine unglaublich wichtige Einwirkung gehabt hat. Ich glaube, ohne 00:06:20.920 --> 00:06:27.560 Fulbright wäre ich ein anderer Mensch geworden als ich heute bin. Das klingt vielleicht komisch, aber es ist so. 00:06:27.560 --> 00:06:33.920 Ich war so angeödet von dem Studium an der Universität. Es hat mich gelangweilt, diese endlosen 00:06:33.920 --> 00:06:41.360 Vorlesungen, dann dieser Positivismus, immer nur Daten und Fakten und Biografien – nie einmal eine wirkliche 00:06:41.360 --> 00:06:48.520 lebendige Analyse eines literarischen Werks. Das hat es damals kaum gegeben; nur ausnahmsweise gab es ein 00:06:48.520 --> 00:06:53.960 paar Lehrende, die das gemacht haben, aber im Großen und Ganzen, war es eine ziemlich langweilige Sache. 00:06:53.960 --> 00:07:00.560 Und die Fulbright-Professoren waren vollkommen lebendig und haben uns immer ins Gespräch eingebunden. 00:07:00.560 --> 00:07:08.600 Die zweite große Begegnung an der Uni war George Steiner, der ja später sehr berühmt geworden ist und 00:07:08.600 --> 00:07:14.960 als Kulturphilosoph in Cambridge in England lange Zeit gelehrt hat. Der war damals ein ganz junger Mann und 00:07:14.960 --> 00:07:25.200 hat eine Vorlesung über Herman Melville gehalten. Moby Dick war zwar auf der anglistischen Leseliste und ich 00:07:25.200 --> 00:07:30.640 hatte ihn schon gelesen. Es ist ja ein endlos langes Werk mit über 500 Seiten in schwierigem Englisch, und 00:07:30.640 --> 00:07:38.960 ich habe mich sehr schwer getan. Und dann kam dieser Professor und hat eine Vorlesung gehalten, die mich so 00:07:38.960 --> 00:07:48.320 mitgerissen hat, dass ich das Werk dann mindestens noch zwei-, dreimal gelesen habe. Er hat das Ganze aus 00:07:48.320 --> 00:07:56.200 einer tiefenpsychologischen Sicht gesehen. Also, der weiße Wal war das Unbewusste und Captain Ahab das 00:07:56.200 --> 00:08:01.680 zivilisatorische Super-Ego, und da gab es Unterdrückungs- und Verdrängungsprozesse und zum 00:08:01.680 --> 00:08:09.000 Schluss kehrt das Verdrängte zurück und zerstört das ganze Schiff und die Mannschaft. Das waren 00:08:09.000 --> 00:08:16.120 philosophische Dimensionen, die mich einfach überrascht haben. Für mich war ja Moby Dick 00:08:16.120 --> 00:08:22.520 ursprünglich auch nur eine Geschichte über Walfang und Walfische und so, nichts Tiefergehendes. Aber 00:08:22.520 --> 00:08:28.280 Steiner hat uns den ganzen Kosmos, der in dem Buch enthalten ist, vor Augen geführt. Das hat mich so 00:08:28.280 --> 00:08:34.400 begeistert, dass ich nach diesen zwei Lehrveranstaltungen fast alle Fulbright-Seminare und 00:08:34.400 --> 00:08:41.200 Vorlesungen besucht habe. Aber die Germanistik war aber trotzdem immer noch mein Hauptfach – es gab ja 00:08:41.200 --> 00:08:47.720 keine anglistischen Professoren. Erst im vierten Semester kam dann der Anglistik-Professor Kühnelt und 00:08:47.720 --> 00:08:54.520 ab da konnte man auch regelmäßig Anglistik studieren. Ich habe also meinen Abschluss in Germanistik gemacht, 00:08:54.520 --> 00:09:02.720 weil ich vier Semester voraus war. Aber schon während des Studiums war mir klar, ich möchte eigentlich nicht 00:09:02.720 --> 00:09:09.800 Germanist werden, ich möchte Amerikanist werden, weil mich diese Fulbright-Professoren sowohl inhaltlich, 00:09:09.800 --> 00:09:15.640 als auch von ihren Persönlichkeiten her so begeistert haben. Sie haben uns ja nicht nur als Lehrer und 00:09:15.640 --> 00:09:24.080 Schüler behandelt, sondern sie haben uns in ihre Häuser eingeladen zum Essen oder zum Kaffee. Wir 00:09:24.080 --> 00:09:30.760 haben mit ihnen geplaudert und sie waren ja nicht nur one-way, sie wollten auch von uns etwas wissen, wie 00:09:30.760 --> 00:09:38.560 wir über sie denken. Sie haben immer wieder gesagt, sie stehen Amerika auch kritisch gegenüber und es 00:09:38.560 --> 00:09:42.880 interessiert sie, was wir wirklich denken. Keiner von ihnen hat je versucht, uns politisch zu 00:09:42.880 --> 00:09:46.040 indoktrinieren. Man hat das Gefühl gehabt, sie waren bereit, auch von uns etwas aufzunehmen. Und das war 00:09:46.040 --> 00:09:51.560 für uns völlig neu. Ein österreichischer Professor hat sich ja kaum etwas von einem Studenten sagen lassen. 00:09:51.560 --> 00:10:01.360 Also das war der Beginn. Haben Sie jetzt noch präziser Fragen zu diesen ersten Kontakten? 00:10:04.480 --> 00:10:10.600 Ja, es war natürlich die ganze Sozialisation in Amerika wahrscheinlich vollkommen anders als bei uns. 00:10:10.600 --> 00:10:17.880 „Individualism“ - die Konzentration auf das Individuum und auf das eigene Denken – „self-reliance“, Emerson, 00:10:17.880 --> 00:10:24.040 das war irgendwie im amerikanischen Denken drinnen, während bei uns alles autoritär war, von oben nach 00:10:24.040 --> 00:10:33.560 unten. Das war eben ein grundlegender Unterschied. Später hat sich dies schon geändert und es gibt heute 00:10:33.560 --> 00:10:40.360 nicht mehr so gravierende Unterschiede. Ein moderner Unterricht an der Uni ist auch bei uns heute 00:10:40.360 --> 00:10:46.600 kommunikativ mit Teamwork und so weiter, aber damals war es eben etwas ganz anderes und Neues. 00:10:49.040 --> 00:10:56.600 Nein, das Anglistik-Studium war ein ganz normales Philologie-Studium - sehr stark auf Sprachausbildung 00:10:56.600 --> 00:11:03.360 und Sprachgeschichte ausgerichtet und auf die Geschichte der englischen Literatur. Amerikanistik hat 00:11:03.360 --> 00:11:10.920 da praktisch nur am Rand existiert. Sie war Zusatz. Im Studium Generale konnte man die Lehrveranstaltungen 00:11:10.920 --> 00:11:17.200 der Fulbrighters besuchen, aber sie konnten wie gesagt keine Prüfungen abhalten, man konnte keine 00:11:17.200 --> 00:11:24.040 Diplomarbeiten schreiben oder gar Dissertationen. Das kam dann erst viel später, erst in den 1970er Jahren 00:11:24.040 --> 00:11:32.000 wurde das integriert. Ja, aber schon damals habe ich beschlossen, wenn ich mit dem Germanistik-Studium 00:11:32.000 --> 00:11:39.920 fertig bin, sattle ich um. Dann möchte ich mich auf Amerikanistik konzentrieren. Und ich habe mich dann 00:11:39.920 --> 00:11:44.040 auch, wie das Studium abgeschlossen war, bei Fulbright um ein USA-Stipendium beworben und bin für ein 00:11:44.040 --> 00:11:59.160 akademisches Jahr an die Kent State University in Ohio gegangen. Es war ein Travel Grant von Fulbright, 00:11:59.160 --> 00:12:06.680 der mir ermöglicht hat, dort hinzukommen. Und diese Universität, die ja nicht zu den allergrößten 00:12:06.680 --> 00:12:13.480 amerikanischen Universitäten gehört, war sehr stimulierend – die ganze Art, wie dort der 00:12:13.480 --> 00:12:20.800 Unterricht abgewickelt wurde, war völlig anders. Und ich war der Star mit besten Evaluationen. Ich habe 00:12:20.800 --> 00:12:27.640 deutsche Literatur und Comparative Literature gelehrt und die Studenten waren unglaublich offen und 00:12:27.640 --> 00:12:32.240 gesprächsbereit, und es war für mich einfach ein Highlight. Ich litt damals unter 00:12:32.240 --> 00:12:38.480 Minderwertigkeitskomplexen und die habe ich dann abgelegt. Ich habe zum ersten Mal gemerkt, ich bin 00:12:38.480 --> 00:12:44.240 wer, ich kann was, ich kann denen etwas vermitteln und habe beschlossen, Lehrer zu werden, zumindest 00:12:44.240 --> 00:12:49.240 zuerst, und dann später vielleicht Hochschullehrer. Obwohl – das kann man ja nicht unbedingt wollen, das 00:12:49.240 --> 00:12:56.200 wird man dann oder nicht. Aber damals sind die Weichen gestellt worden. Kent State war übrigens die 00:12:56.200 --> 00:13:07.720 Universität, wo später das Massaker stattgefunden hat und die Miliz in die Studentenmenge geschossen hat. 00:13:07.720 --> 00:13:17.560 Nach diesem einen Jahr bin ich nicht wie mein Freund Otmar Drekonja, der zuvor dort war, in Amerika 00:13:17.560 --> 00:13:26.680 geblieben. Obwohl mir eine Tenure Position angeboten wurde, habe ich trotzdem entschieden zurückzukehren. 00:13:26.680 --> 00:13:36.160 Ich wollte zurück nach Österreich und bin heimgekehrt und danach war dann der Weg sehr sehr steinig. 00:13:38.560 --> 00:13:45.080 Ja, das kommt daher, dass damals ein wunderbarer Mann am Werk war in der Fulbright Commission, die es schon 00:13:45.080 --> 00:14:01.080 seit 1961 gegeben hat dann. Professor Porhansl war der Generalsekretär – ein unglaublich charismatischer 00:14:01.080 --> 00:14:09.920 und freundlicher Mann. Der hat einem an den Augen abgesehen, was man eigentlich will und hat einen 00:14:09.920 --> 00:14:15.400 gefördert. „Wenn Sie das machen wollen - wir fördern Sie. Bewerben Sie sich um einen Grant und Sie bekommen 00:14:15.400 --> 00:14:24.400 den.“ Er war immer fördernd, fördernd, fördernd und hat insgesamt an die 3000 Young Scholars nach Amerika 00:14:24.400 --> 00:14:35.000 gebracht. Er hat also eine sehr große Breitenwirkung gehabt. 28 Jahre lang hat er den Job gemacht und war 00:14:35.000 --> 00:14:42.120 immer da, immer präsent - und immer positiv. Und dann, als die großen Kämpfe losgegangen sind um die 00:14:42.120 --> 00:14:48.400 Einrichtung von American Studies in Österreich, war er in der vordersten Linie, hat für uns gekämpft, und 00:14:48.400 --> 00:14:56.080 die Beziehungen und das Network hergestellt. Von Porhansl habe ich nur die allerbesten Meinungen im 00:14:56.080 --> 00:15:00.640 Rückblick. Der hat mich also gefördert. Sonst war da niemand, 00:15:00.640 --> 00:15:05.560 es war wirklich nur Porhansl, mit dem ich damals in Kontakt war. 00:15:08.240 --> 00:15:12.560 Die Überfahrt war abenteuerlich – ich bin ja auf einem einfachen 00:15:12.560 --> 00:15:20.360 Frachter hinüber. Er hat keine Stabilisatoren gehabt und wir sind in den Hurricane 00:15:20.360 --> 00:15:26.480 Faith gekommen. Und das Schiff ist durch die Wogen geschaukelt und wir waren alle seekrank. Man 00:15:26.480 --> 00:15:32.840 konnte nicht im Speisesaal essen, weil die Tische und alles andere durch die Gegend gerutscht sind. Wir 00:15:32.840 --> 00:15:39.200 haben also am Boden sitzend essen müssen und in den Gängen hatten sie Seile gespannt. Das war also 00:15:39.200 --> 00:15:45.600 aufregend und ich habe an die „Mayflower“ gedacht und wie schwierig und gefährlich die Überfahrten früher 00:15:45.600 --> 00:15:57.680 nach Amerika waren. Wir sind dann mit zwei Tagen Verspätung in New York angekommen und da war eine 00:15:57.680 --> 00:16:07.080 junge Frau, mit der ich schon an Bord gesprochen hatte und die fragte mich beim Aussteigen: „Was 00:16:07.080 --> 00:16:12.080 machen Sie jetzt in New York?“ Ich sagte, „Ich weiß es nicht, ich gehe vielleicht ins YMCA.“ „Nein! 00:16:12.080 --> 00:16:16.880 Kommen Sie zu uns nach Hause,“ sagte sie. „Meine Eltern nehmen Sie gerne in ihr Haus auf.“ Es waren 00:16:16.880 --> 00:16:22.320 wohlhabende Leute in einem schönen Steinhaus irgendwo am Rand - und da habe ich dann eine Woche lang 00:16:22.320 --> 00:16:30.920 gewohnt. Auch das war ein Erlebnis, wie ich es noch nie erlebt hatte. Diese hospitality, diese Offenheit, 00:16:30.920 --> 00:16:38.200 jemanden aufzunehmen, den man eigentlich überhaupt nicht kannte. Mein Koffer war zerschlissen und sie 00:16:38.200 --> 00:16:45.480 haben mir gleich einen neuen gekauft. Und dann bin ich nach Kent, Ohio, gefahren und dort war der Empfang 00:16:45.480 --> 00:16:52.640 auch sehr freundlich. Das waren alles positive Erlebnisse, durch und durch. 00:16:54.360 --> 00:17:03.120 Kent, Ohio, war ein eher provinzieller Ort. Er war nicht so verschieden von dem, was wir haben; es war 00:17:03.120 --> 00:17:13.000 nicht die Großstadtwelt Amerikas. Es war eher eine friedliche ruhige Universität – obwohl dort später das 00:17:13.000 --> 00:17:22.960 Massaker stattgefunden hat. Die Professoren waren alle freundlich bis auf einen. Das war ein jüdischer 00:17:22.960 --> 00:17:31.480 Professor, der vertrieben worden war und der mich zuerst ignoriert hat. Herbert Hochhäuser hat er 00:17:31.480 --> 00:17:38.880 geheißen. Irgendwann habe ich dann zu ihm gesagt: „Du Herbert, warum bist Du eigentlich so unfreundlich zu 00:17:38.880 --> 00:17:45.480 mir? Ich habe Dir doch nichts getan. Ich habe zwar blonde Haare und blaue Augen, aber ich war nie 00:17:45.480 --> 00:17:51.720 antisemitisch und meine Eltern auch nicht. Also, was ist los?“ Er hat gesagt: „Ihr Österreicher wart die 00:17:51.720 --> 00:17:56.840 Schlimmsten! Ihr habt uns sogar unsere Wohnungen nachher nicht mehr zurückgegeben, die ihr uns 00:17:56.840 --> 00:18:03.120 weggenommen habt.“ Da wurde mir zum ersten Mal bewusst, was damals geschah. Das haben wir nicht in 00:18:03.120 --> 00:18:07.640 der Schule oder woanders gelernt. Und dann habe ich mich mit ihm angefreundet und wir wurden gute 00:18:07.640 --> 00:18:18.040 Kollegen. Die ganze Atmosphäre war extrem kollegial. Ein Erlebnis war, wie der Rektor der Universität ans 00:18:18.040 --> 00:18:25.680 Department gekommen ist, um mich zu begrüßen. Und da war die Putzfrau daneben, es war schon am Nachmittag. 00:18:25.680 --> 00:18:31.200 Er stellte mir die Putzfrau vor: „This is Mrs. So-and-so.“ Du lieber Gott, dachte ich, was ist das 00:18:31.200 --> 00:18:36.360 für eine Welt? Warum stellt der Rektor mir die Putzfrau vor? Da habe ich gemerkt, was Demokratie 00:18:36.360 --> 00:18:43.320 ist. Das hätte es bei uns nie gegeben. Und so waren es viele kleine Facetten, und ich habe mich pudelwohl 00:18:43.320 --> 00:18:51.680 gefühlt dort an der Uni. Ich habe im großen Holzhaus einer alten Dame gewohnt und es war wirklich ein 00:18:51.680 --> 00:18:58.640 wunderbares Jahr. Ich hätte bleiben können. Vielleicht war es blöd, vielleicht hätte ich wie Otmar Drekonja 00:18:58.640 --> 00:19:03.600 bleiben sollen. Ich hätte sicher dort sehr schnell Karriere machen können. Es hat viel länger gedauert in 00:19:03.600 --> 00:19:11.440 Österreich und war viel schwieriger, aber ich habe Heimweh gehabt nach den Bergen und nach meiner jungen 00:19:11.440 --> 00:19:19.440 Verlobten, die auf mich gewartet hat. Sie hat das Lehramts-Studium gemacht, und so habe ich mich 00:19:19.440 --> 00:19:27.560 schweren Herzens entschieden zurückzukehren – mit dem Hintergedanken: Ich werde heiraten und vielleicht ein, 00:19:27.560 --> 00:19:31.440 zwei Jahre unterrichten, und dann komme ich wieder zurück. Aber das habe ich nicht mehr gemacht. Ich war 00:19:31.440 --> 00:19:39.480 zwar öfters noch auf Gast-Professuren in den USA, aber an eine Rückkehr habe ich nicht mehr gedacht. Obwohl 00:19:39.480 --> 00:19:45.760 mein Leben wesentlich einfacher gewesen wäre. Man darf nicht vergessen, dass ich ja mit meinem 00:19:45.760 --> 00:19:54.640 Germanistik-Ph.D. eine Karriere offen gehabt hätte. Am Tag nach meiner Promotion ist Professor Walter 00:19:54.640 --> 00:20:00.440 Weiss, damals der neu berufene Germanist in Salzburg, zu mir gekommen und hat gesagt: „Herr Heller - wenn 00:20:00.440 --> 00:20:07.280 Sie wollen, Sie können bei mir als Assistent anfangen.“ Und fast gleichzeitig kam Kühnelt zu mir 00:20:07.280 --> 00:20:15.440 und sagte: „Herr Heller, Sie können bei mir anfangen.“ Und wenn ich Weiss zugesagt hätte, wäre ich Germanist 00:20:15.440 --> 00:20:20.160 geworden, hätte wahrscheinlich auch eine Hochschul-Laufbahn gemacht, möglicherweise viel 00:20:20.160 --> 00:20:24.400 einfacher, weil ich ja ganz neu anfangen musste in der Amerikanistik. Zwar hatte ich ja auch mein 00:20:24.400 --> 00:20:28.280 Anglistik-Studium inzwischen abgeschlossen, aber wissenschaftlich war da außer einer Diplomarbeit über 00:20:28.280 --> 00:20:34.960 Eugene O’Neill noch nicht viel da. Erst in der wunderbaren Bibliothek der Kent State University, 00:20:34.960 --> 00:20:42.600 habe ich begonnen, an meiner Habil-Schrift zu arbeiten. Und dazu muss ich noch ein Wort sagen: Die 00:20:42.600 --> 00:20:50.680 amerikanischen Universitätsbibliotheken haben auch einen ganz anderen Geist zum Ausdruck gebracht. Sie 00:20:50.680 --> 00:20:55.400 waren „open stack“, d. h. man konnte überall an die Bücher heran und sie waren bis spät in die Nacht 00:20:55.400 --> 00:20:59.760 hinein offen. Es gab einen sehr guten Service, z. B. wenn man etwas kopieren wollte und als „faculty“ 00:20:59.760 --> 00:21:07.680 konnte ich alles abgeben und kostenlos wurde alles kopiert. Ich habe am Ende kofferweise Exzerpte und 00:21:07.680 --> 00:21:15.880 Kopien nach Innsbruck geschickt. Man darf nicht vergessen, an den österreichischen Universitäten und 00:21:15.880 --> 00:21:20.480 Instituten gab es ja damals noch kaum amerikanische Literatur und vor allem keine Sekundärliteratur. Es 00:21:20.480 --> 00:21:26.120 gab zwar in Innsbruck schon die „American Library“, die man 1955 eingerichtet hat, als nach dem 00:21:26.120 --> 00:21:31.760 Staatsvertrag das Innsbrucker Amerikahaus aufgelöst wurde. Da hat man, glaube ich, an die 6000 Bände der 00:21:31.760 --> 00:21:39.520 Universität geschenkt mit der Auflage, dass man eine Library einricht. Man hat sogar einen Bibliothekar 00:21:39.520 --> 00:21:48.840 finanziert, Dr. Lanzinger, der das verwaltet hat. Der hat auch die Austauschprogramme koordiniert. Er war 00:21:48.840 --> 00:21:52.120 sozusagen der erste angestellte Amerikanist in Innsbruck. 00:21:52.120 --> 00:22:00.320 Von den amerikanischen Bibliotheken habe ich viele erlebt; alle unsere Forschungen mussten wir ja dort 00:22:00.320 --> 00:22:05.720 durchführen. Wir konnten das nicht in Österreich machen. Es war noch nicht die Zeit das Internets, wo 00:22:05.720 --> 00:22:11.960 man alles online bekommen konnte. Man musste in die Bibliotheken, die Bücher herausholen, exzerpieren, 00:22:11.960 --> 00:22:17.960 kopieren. Ich habe immer nur kopiert und exzerpiert und viele Bücher gekauft – geschrieben habe ich dann 00:22:17.960 --> 00:22:20.240 in Innsbruck nach der Rückkehr, weil ich ja neben meinen Lehrverpflichtungen an der Universität keine 00:22:20.240 --> 00:22:26.000 Zeit hatte, das dort zu machen. Ich habe auch später immer wieder drei, vier, fünf Wochen an einer 00:22:26.000 --> 00:22:30.520 amerikanischen Bibliothek gearbeitet. Mit dem Material bin ich dann zurückgekehrt und habe 00:22:30.520 --> 00:22:37.920 geschrieben. Erst später, wie das Internet gekommen ist, ist es dann alles viel, viel leichter geworden. 00:22:37.920 --> 00:22:43.960 Ich beneide manchmal die jungen Kollegen. Auch das Schreiben war ja etwas ganz anderes mit der 00:22:43.960 --> 00:22:49.880 Schreibmaschine. Wenn man einen Absatz herausnahm, musste man alles 00:22:49.880 --> 00:22:54.560 neu schreiben. Es war quälend im Vergleich zu heute. 00:22:56.680 --> 00:23:01.360 In der Germanistik habe ich eine sehr „scholarly dissertation“ geschrieben – 00:23:01.360 --> 00:23:07.840 über die Sprachwelt Jakob Boehmes, eines Mystikers der Barockzeit, der 00:23:07.840 --> 00:23:14.640 ein Vorläufer des Deutschen Idealismus war. Er war ein Philosoph, der von der Alchimie herkam und ein 00:23:14.640 --> 00:23:23.200 kosmologisches Weltbild hatte. Über die Naturgeister des Universums in den verschiedenen Elementen und über 00:23:23.200 --> 00:23:26.520 eine geheime Natursprache hat er dicke Bücher geschrieben, die in seiner Zeit sehr bekannt waren. 00:23:26.520 --> 00:23:32.760 Wie ich erst später erfuhr, haben diese Bücher z.B. auch Ralph Waldo Emerson, den amerikanischen 00:23:32.760 --> 00:23:39.360 Philosophen stark beeinflusst. Er wollte sogar ein Werk Boehmes ins Englische übersetzen, was er dann 00:23:39.360 --> 00:23:45.960 nicht gemacht hat, weil es extrem schwierig war. Ich war also im Barock zu Hause, aber dann wollte ich 00:23:45.960 --> 00:23:49.480 das alles über Bord werfen und neu anfangen. Ich wollte jetzt über etwas ganz Anderes schreiben und 00:23:49.480 --> 00:23:56.120 meine eigenen Erfahrungen einbringen. Ich habe also eine amerikanistische Habilitationsschrift 00:23:56.120 --> 00:24:04.080 geschrieben und der Titel war ziemlich „lofty“: „Odyssee zum Selbst. Zur Gestaltung jugendlicher 00:24:04.080 --> 00:24:09.920 Identitätssuche im neueren amerikanischen Roman". Es war mein erstes veröffentlichtes Buch und ich war 00:24:09.920 --> 00:24:18.080 damit Gott sei Dank erfolgreich. Sogar Kühnelt konnte es nicht unbedingt ablehnen, als ich mich auch bei 00:24:18.080 --> 00:24:22.800 ihm, dem Anglisten, habilitieren musste. Es gab ja damals noch kein funktionierendes American Studies 00:24:22.800 --> 00:24:27.600 Institut und Kühnelt wollte keine eigenständige wissenschaftliche Amerikanistik. Viele haben mich 00:24:27.600 --> 00:24:31.840 damals gefragt: “Arno, warum hast du denn das alles gemacht? Du warst doch Germanist, du warst doch einer 00:24:31.840 --> 00:24:39.080 von uns! Warum machst du denn auf einmal etwas ganz anderes?“ Hinzu kam, dass ich als Protestant über das 00:24:39.080 --> 00:24:46.760 konservative und katholische Tirol mit seinen Schützenvereinen und Burschenschaften hinaus ein 00:24:46.760 --> 00:24:52.760 großes protestantisches Land kennenlernen wollte. Das war auch ein Grund, warum mich Amerika damals 00:24:52.760 --> 00:25:02.400 fasziniert hat - nicht die Fundamentalisten natürlich - aber der gesamte Geist war für mich etwas Neues. 00:25:02.400 --> 00:25:29.160 Dann habe ich mich also zwei Jahre später habilitiert als erster Amerikanist in Innsbruck. 00:25:29.160 --> 00:25:37.280 Dr. Lanzinger, der frühere Bibliothekar der „American Library“ und spätere Assistent, der hatte sich auch 00:25:37.280 --> 00:25:43.680 habilitieren wollen. Kühnelt hat ihn rundweg abgelehnt. Er musste gehen und ist nach Amerika 00:25:43.680 --> 00:25:48.000 ausgewandert. Er war dann Professor an der Notre-Dame University in South Bend, Indiana, und 00:25:48.000 --> 00:25:51.440 leitete viele Jahre ein Studienprogramm dieser Universität in Innsbruck. Ich war mit ihm noch 00:25:51.440 --> 00:25:55.560 befreundet, habe ihn auch dort mehrmals besucht und verbrachte ein Gastsemester in Notre Dame. 00:25:55.560 --> 00:26:04.880 Es war unglaublich, wie Kühnelt sich quer gestellt hat. Ein Grund war wohl, dass er selbst eine 00:26:04.880 --> 00:26:10.800 Habilitationsschrift über Edgar Allan Poe geschrieben hatte und sich als Amerikanist verstand. Er brauchte 00:26:10.800 --> 00:26:22.320 also keinen Amerikanisten, er war selbst einer. Wie schwierig es dann war, ein wissenschaftliches 00:26:22.320 --> 00:26:29.600 Institut einzurichten, zeigt sich daran, dass es ungefähr neun Jahre gedauert hat, bis eine ordentliche 00:26:29.600 --> 00:26:35.920 Professur ans Institut gekommen ist. Bis dahin gab es immer „nur“ Fulbrighters, diese waren allerdings 00:26:35.920 --> 00:26:43.400 durchwegs von einer sehr hohen Qualität. Da hat man wirklich ausgesuchte Leute nach Europa geschickt 00:26:43.400 --> 00:26:49.480 damals. Und die haben uns allesamt – auch meine Frau – begeistert. 00:26:52.120 --> 00:26:56.760 Die Habilitationsschrift über Initiation und Adoleszenz im amerikanischen Roman war schon eine 00:26:56.760 --> 00:27:01.160 sehr literarische Sache. Ich hatte natürlich in Kent viele junge Leute kennengelernt, aber so tiefgreifend 00:27:01.160 --> 00:27:06.240 waren die Gespräche nicht, dass ich über ihre Initiationserlebnisse hätte referieren können. Der 00:27:06.240 --> 00:27:15.680 Initiationsroman ist ein Genre, das in Amerika sehr häufig vorkommt. Im Unterschied zum deutschen 00:27:15.680 --> 00:27:22.080 Bildungsroman – wo zumeist ein Lebenslauf von der Kindheit bis zum Erwachsenenalter geschildert wird – 00:27:22.080 --> 00:27:30.400 steht im Mittelpunkt dieser Art von Roman die kurze, schockhafte Initiation eines jungen Menschen in die 00:27:30.400 --> 00:27:35.440 Erwachsenenwelt – klassische Beispiele sind u. a. Twains Huckleberry Finn, Salingers Catcher in the Rye, 00:27:35.440 --> 00:27:39.040 Ellisons Invisible Man Bellows Augie March oder Flannery O’Connor The Violent Bear It Away. Ich habe 00:27:39.040 --> 00:27:47.160 eine große Zahl dieser Romane analysiert und erörtert, wie in ihnen immer wieder das gleiche Strukturschema 00:27:47.160 --> 00:27:54.320 vorkommt. Jemand verlässt sein Elternhaus, seine Heimatstadt, das Land, erlebt etwas Tiefgreifendes , 00:27:54.320 --> 00:28:01.240 macht einen inneren Wandel durch und kehrt gereift zurück. Der eingehende Vergleich der verschiedenen 00:28:01.240 --> 00:28:09.040 Initiations- und Individuationsprozesse haben mich fasziniert. 00:28:09.040 --> 00:28:15.760 Ja, und dann hatte ich geglaubt, jetzt habe ich meine Habil-Schrift mit guten Rezensionen veröffentlicht, 00:28:15.760 --> 00:28:21.480 die kann ich jetzt einreichen und mich habilitieren. Es war aber nicht so. Kühnelt sagte mir, es gibt 00:28:21.480 --> 00:28:27.960 keine Habilitation nur aus Amerikanistik. „Gibt’s nicht! Sie können sich entweder in Anglistik 00:28:27.960 --> 00:28:35.400 habilitieren oder nicht – außer Sie machen noch Anglistik dazu.“ Da musste ich noch ein ganzes Jahr 00:28:35.400 --> 00:28:40.840 nach England, um eine weitere Dissertation zu schreiben. Ich war also an der Sussex University und 00:28:40.840 --> 00:28:48.920 schrieb eine M. phil-Dissertation über den englischen Entwicklungsroman, die Kühnelt dann anerkannt hat, 00:28:48.920 --> 00:28:54.160 sodass ich mich für „Amerikanistik und neuere englische Literatur“ habilitieren konnte. Heute ist 00:28:54.160 --> 00:29:02.080 das ja ganz anders, jetzt habilitieren sich die Leute in Amerikanistik – nur Amerikanistik. Aber der Weg 00:29:02.080 --> 00:29:08.920 war nun gebahnt, ich hatte meine Habilitation und war Assistent und Dozent und dann kam bald auch die 00:29:08.920 --> 00:29:12.400 erste dauerhafte ordentliche Professur am Institut. Aber bis dahin gab es – im Rückblick – noch einen 00:29:12.400 --> 00:29:18.640 dornigen Weg. Die erste Professorin, Frau Brigitte Scheer-Schäzler, 00:29:18.640 --> 00:29:26.640 kam 1974, neun Jahre nachdem die Professur offiziell eingerichtet worden war. Sie konnte erstmals alles 00:29:26.640 --> 00:29:31.440 machen – Diplomarbeiten, Dissertationen und Habilitationen betreuen; es gab ein eigenes Budget 00:29:31.440 --> 00:29:34.720 und eigene Institutsräume. Die hatte es allerdings schon vorher gegeben, weil die Fulbright- 00:29:34.720 --> 00:29:46.960 Unterstützung schon seit 1961 die Institutsräume, eine Bibliothek samt Bibliothekar und Büchergeld 00:29:46.960 --> 00:29:50.160 bereit gestellt hatte. Aber im Lehrpersonal gab immer nur wechselnde Fulbright-Professoren. Die blieben für 00:29:50.160 --> 00:29:58.680 ein Jahr, dann gingen sie wieder zurück in die USA. Nur zweimal wollten Fulbright-Professoren bleiben, der 00:29:58.680 --> 00:30:09.000 erste war Professor Hinz; ich glaube es war 1965. Die Stelle wurde ausgeschrieben und es gab einen 00:30:09.000 --> 00:30:20.280 Bewerbungsprozess. Hinz war vorher Fulbright-Professor in Graz und bekam die Stelle. Er versuchte, alle 00:30:20.280 --> 00:30:26.640 möglichen Dinge für das Institut ins Rollen zu bringen, vor allem eine normale Bücher- und 00:30:26.640 --> 00:30:43.680 Zeitschriften-Dotation von der Universität. Dies ist Hinz nicht gelungen. Und man hat ihn auch nicht so 00:30:43.680 --> 00:30:51.800 richtig ins Kollegium integriert. Nach einem Jahr war er total frustriert, hat den Job hingeschmissen und 00:30:51.800 --> 00:30:57.840 ist in die USA zurückgekehrt und zwar auf dramatische Weise. Er hat überhaupt nichts mehr von sich hören 00:30:57.840 --> 00:31:05.000 lassen. Er ist einfach verschwunden. Die Universität hat dann nachgeforscht, ob er krank war oder gestorben 00:31:05.000 --> 00:31:11.040 ist - was ist mit Hinz? Warum ist er nicht zurückgekommen? Und er hat dann nur ein Telegramm - 00:31:11.040 --> 00:31:19.480 ein einziges Telegramm - zurückgeschickt: „I'm still alive, but deep in trouble.“ Er ist nie zurückgekehrt. 00:31:19.480 --> 00:31:26.400 Das hat dem Institut einen unglaublichen Schock verursacht. Es verstärkte die antiamerikanischen 00:31:26.400 --> 00:31:32.000 Vorurteile – „Na ja, man kann sich auf die Leute ja nicht verlassen und. Es hat keinen Sinn sie zu 00:31:32.000 --> 00:31:38.600 berufen.“ Und trotzdem hat dann einige Jahre später ein zweiter Fulbright-Professor den Wunsch gehabt zu 00:31:38.600 --> 00:31:48.120 bleiben. Professor Manierre war ein unglaublich vornehmer Professor von der Rutgers University. Der 00:31:48.120 --> 00:31:52.680 hat also die Professur bekommen und hat dann das gleiche erlebt wie Hinz. Man hat ihn einfach 00:31:52.680 --> 00:32:00.360 geschnitten, man hat ihn nicht wirklich aufgenommen, man hat ihm keine Möglichkeiten gegeben, etwas 00:32:00.360 --> 00:32:05.640 aufzubauen und so hat auch er nach zwei Jahren das Handtuch geworfen und ist in die USA zurückgekehrt. 00:32:05.640 --> 00:32:13.040 Und das war für mich sehr schlimm, weil ich eigentlich unter Manierre lernte, amerikanistisch zu 00:32:13.040 --> 00:32:18.400 arbeiten. Er war ja vor meiner späteren Habilitierung sozusagen mein Mentor. Und wie der dann gegangen war, 00:32:18.400 --> 00:32:25.280 habe ich überhaupt keinen Support mehr gehabt, nirgendwo mehr. Germanistik war sowieso weg, Kühnelt 00:32:25.280 --> 00:32:28.640 wollte eigentlich lieber, dass ich ein Sprachwissenschaftler werde und nicht ein 00:32:28.640 --> 00:32:36.200 Literaturwissenschaftler. Da habe ich mir gedacht, es ist alles aus. Jetzt bewerbe ich mich um eine 00:32:36.200 --> 00:32:45.160 Lektorenstelle am Dolmetscher-Institut und die Sache ist erledigt. Aber da gab es den Dr. Reitinger, den 00:32:45.160 --> 00:32:53.600 Direktor des Dolmetscher-Instituts. Der sagte: „Nein, Arno - du hast schon so viel gemacht. Du bleibst bei 00:32:53.600 --> 00:32:59.320 der Stange. Du wirst es schaffen! Du brauchst jetzt nicht alles hinwerfen, nur weil Manierre weg ist.“ 00:32:59.320 --> 00:33:07.000 Reitinger hat mich davor bewahrt, dass ich aus der Amerikanistik aussteige, weil ich so frustriert war. 00:33:07.000 --> 00:33:25.320 Ja, und dann 1973 wurde die Professorenstelle noch einmal ausgeschrieben. Es haben sich fast nur 00:33:25.320 --> 00:33:34.560 Deutsche beworben - und zum Teil Anglisten, also nicht wirkliche Amerikanisten. Und man wollte dann die 00:33:34.560 --> 00:33:42.920 Stelle mit einem Sprachwissenschaftler besetzen. Es war unglaublich - nicht mit einem Amerikanisten, 00:33:42.920 --> 00:33:57.440 sondern mit einem Sprachwissenschaftler. Und da haben sich die Mitarbeiter an die Ministerin Hertha Firnberg 00:33:57.440 --> 00:34:03.960 gewandt und ihr gesagt, dass dieses Institut für die Amerikanistik gestiftet worden war und dass es sich 00:34:03.960 --> 00:34:11.200 wünscht, dass ein Professor oder ein Professorin für Amerikanistik dort lehrt. Hertha Firnberg hat positiv 00:34:11.200 --> 00:34:16.600 reagiert – dass sie bewirken wird, dass ein Amerikanist, so wie von Anfang an vorgesehen, nach 00:34:16.600 --> 00:34:21.760 Innsbruck kommt. Es war Firnberg, die die Berufung von Brigitte Scheer-Schäzler unterstützt hat und 00:34:21.760 --> 00:34:27.480 diese hat dann die Professur gekriegt. Ohne sie wäre das Ganze fast noch einmal abgestürzt. 00:34:27.480 --> 00:34:32.240 Mit Professor Scheer ist es dann sehr gut gegangen, sie hat das Institut neu organisiert, war sehr 00:34:32.240 --> 00:34:40.320 energisch, konnte sich durchsetzen und sie wurde sogar Jahre später Dekanin. Das Institut ist in den 00:34:40.320 --> 00:34:49.480 späten 1970er und 1980er Jahren richtig aufgeblüht. Damals war Amerika noch attraktiv, und wir haben 00:34:49.480 --> 00:34:55.560 unendlich viele Studenten gehabt – mehr als die anglistische Literaturwissenschaft – und es gab jede 00:34:55.560 --> 00:35:05.400 Menge Diplomanden und Dissertanten. Es war wirklich eine Blütezeit und hat und bis in die 90er Jahre 00:35:05.400 --> 00:35:12.280 hinein angedauert. Es war die schönste Zeit meines Lebens – die Zeit, wo wir das Institut aufgebaut haben 00:35:12.280 --> 00:35:23.760 und unglaublich beliebt waren im Gesamtfach. Und wir haben die ganzen Jahre hindurch immer noch 00:35:23.760 --> 00:35:31.920 Fulbright-Professoren gehabt. Nur haben wir sie dann nicht mehr in Gebieten eingesetzt, die wir selbst 00:35:31.920 --> 00:35:46.480 vertraten - sondern in Bereichen, die von uns nicht versorgt werden konnten. Dazu ist zu sagen, dass die 00:35:46.480 --> 00:35:51.000 philologischen Fächer damals überwiegend rein philologisch orientiert waren – Literatur, Sprache, 00:35:51.000 --> 00:35:57.160 Sprachbeherrschung, Linguistik – im Gegensatz zur Amerikanistik, die sich nach amerikanischem Vorbild 00:35:57.160 --> 00:36:06.600 von Anfang an als ein interdisziplinäres Kulturfach verstanden hat. Auch Geschichte, Philosophie, Politik, 00:36:06.600 --> 00:36:14.200 Musik, Kunst, Film - alles hat dazu gehört. Ein amerikanischer Professor hat die Amerikanistik einmal 00:36:14.200 --> 00:36:20.360 so beschrieben: „Six or seven subjects in search of a discipline“. Das war übrigens ein weiterer Grund, 00:36:20.360 --> 00:36:25.400 warum Kühnelt die Amerikanistik nicht wollte. Das ist ein „Hotchpotch“ von vielen verschiedenen Dingen, 00:36:25.400 --> 00:36:35.120 meinte er, kein philologisches Fach. Da kann man nur Landeskunde machen, aber nicht Wissenschaft. All das 00:36:35.120 --> 00:36:43.280 hat sich dann im Lauf der Jahre konsolidiert. Wir schufen ein Studienprogramm in dem von den Puritanern 00:36:43.280 --> 00:36:49.960 bis zu den Postmodernen inklusive der verschiedenen ethnischen und subkulturellen Gruppierung immer 00:36:49.960 --> 00:36:56.480 alles gelehrt wurde und wir damit sehr erfolgreich waren. Ein wichtiger Grund, warum ich auf American 00:36:56.480 --> 00:37:04.200 Studies umstieg, war ja, dass ich diesen breiteren interdisziplinären Approach so geschätzt habe. Das war 00:37:04.200 --> 00:37:09.600 für mich interessant. Schon in meiner Habil-Arbeit musste ich viel Psychologie und Soziologie 00:37:09.600 --> 00:37:18.040 hineinnehmen, um die Initiationsproblematik zu behandeln. Ich wollte nie nur ein reiner 00:37:18.040 --> 00:37:24.240 Literaturwissenschaftler sein mit Text-immanentem Arbeiten. Das war mir zu eng und ich stehe dem heute 00:37:24.240 --> 00:37:29.360 noch skeptisch gegenüber. Später haben das dann auch andere philologische Fächer das Cultural 00:37:29.360 --> 00:37:34.720 Studies-Konzept in ihre Studienpläne übernommen und ich bin ein wenig traurig darüber, dass manche der 00:37:34.720 --> 00:37:39.080 jüngeren Amerikanisten heute wieder stärker zur Narrativistik zurückkehren und diesen breiten Approach 00:37:39.080 --> 00:37:44.400 nicht mehr haben. Es gibt keine „Master Stories“ mehr über Amerika, es gibt nur viele kleine Teilbereiche, 00:37:44.400 --> 00:37:51.040 wo man über ein Spezialthema schreibt und bei den Tagungen vorlegt. Die Leute können nicht mehr so gut 00:37:51.040 --> 00:37:56.400 miteinander diskutieren, weil es kein allgemeines großes gemeinsames Wissen und keine „Generalisten“ 00:37:56.400 --> 00:38:00.480 mehr gibt. Es ist vielleicht arrogant, das zu sagen, und es gibt ja auch viele Ausnahmen, aber es ist doch 00:38:00.480 --> 00:38:06.160 anders geworden. Es ist nicht mehr so wie es damals war. Wir waren wirklich an den USA interessiert, an 00:38:06.160 --> 00:38:10.640 der Geschichte, an der vielfältigen kulturellen Entwicklung. Und die Literatur war ein Ausdruck davon 00:38:10.640 --> 00:38:16.840 und dann später kam auch der Film dazu. Wir haben den Film voll hereingenommen, vor allem in Graz und in 00:38:16.840 --> 00:38:26.800 Innsbruck, und heutzutage sind ein Großteil der Arbeiten im Bereich der Film-Studies. Die großen 00:38:26.800 --> 00:38:33.400 Schriftsteller Melville, Twain, Henry James, Faulkner, die lehrte man zwar auch noch und musste Vorlesungen 00:38:33.400 --> 00:38:40.800 über sie halten und sie abprüfen, aber die Wissenschaft spielt sich jetzt mehr in den Nischen ab, 00:38:40.800 --> 00:38:47.560 weil es dort noch etwas ganz Neues zu holen gibt. Was mich manchmal auf Tagungen frustriert, ist, dass 00:38:47.560 --> 00:38:55.720 man z.B. in einem Workshop über Dinge referiert, über die die meisten Teilnehmer kaum etwas wissen, weil 00:38:55.720 --> 00:39:04.040 sie – auch theoretisch – als spezialisierte Einzelbereiche behandelt werden. Manche Artikel werden 00:39:04.040 --> 00:39:08.080 ja nur noch von maximal 20 Leuten im ganzen deutschsprachigen Raum gelesen. Mit denen könnte man 00:39:08.080 --> 00:39:13.400 diskutieren – aber sonst weiß kaum jemand etwas davon, weil alles so aufgesplittert ist. Die 00:39:13.400 --> 00:39:21.080 Fragmentarisierung und die Überspezialisierung hat meiner Meinung nach dem Fach sehr geschadet. Es war 00:39:21.080 --> 00:39:27.040 früher spannender, auf Tagungen zu fahren. Da konnte man richtig aufregende Diskussionen über große 00:39:27.040 --> 00:39:31.520 gemeinsame Themen erleben. Dies ist heute seltener geworden. Das heißt nicht, dass es schlechtere 00:39:31.520 --> 00:39:34.520 Wissenschaftler sind, die machen Super-Arbeiten, aber sie sind so 00:39:34.560 --> 00:39:38.720 spezialisiert und theoretisiert, dass oft kaum ein anderer an sie herankommt. 00:39:43.440 --> 00:39:48.520 Hertha Firnberg hat Scheer nicht nur unterstützt, weil sie eine Frau war, 00:39:48.520 --> 00:39:59.120 sondern weil sie die erste habilitierte Amerikanistin in Österreich war. Was die 00:39:59.120 --> 00:40:05.800 weitere Genese der Amerikanistik in Innsbruck, anbelangt – so blieb die Universität gespalten. Es gab 00:40:05.800 --> 00:40:14.560 eine Gruppe von Instituten, die angeführt von der Anglistik, von Amerikanistik nichts wissen wollten. 00:40:14.560 --> 00:40:23.560 Aber es gab z.B. in den Gründungsjahren auch einen Historiker, Professor Pivec, der damals gerade von 00:40:23.560 --> 00:40:31.200 einer Gastprofessur in den USA zurückgekommen und voller Begeisterung war. Er wollte unbedingt die 00:40:31.200 --> 00:40:37.640 American Studies in Innsbruck als eigenes Fach vertreten haben. Und er hat dafür gekämpft. Es war 00:40:37.640 --> 00:40:41.280 also kein Sprachwissenschaftler, kein Literaturwissenschaftler, sondern ein Historiker, noch 00:40:41.280 --> 00:40:46.640 dazu ein Mittelalter-Historiker, der sich für uns eingesetzt hat, und zwar wirklich massiv in der 00:40:46.640 --> 00:40:55.240 Fakultät und überall. Er hat maßgeblich dazu beigetragen, dass sich der Gedanke, die American 00:40:55.240 --> 00:40:59.920 Library in ein wissenschaftliches Institut umzuwandeln, am Ende doch durchgesetzt hat. Das hat 00:40:59.920 --> 00:41:04.960 aber noch lange nicht geheißen, dass es eine Professur gab. Das war der zweite Kampf, einen ordentlichen 00:41:04.960 --> 00:41:11.120 Professor durchzusetzen. Ich habe einmal mit Pivec drüber geredet und er sagte, er musste sich einfach 00:41:11.120 --> 00:41:17.120 gegen diese Duodezfürsten durchsetzen. Und er hat sich durchgesetzt. Er war ein brillanter Mann und war 00:41:17.120 --> 00:41:28.880 neben Porhansl für mich der wichtigste Mann. Er hat diesen großen historischen Ansatz gehabt hat, wie ihn 00:41:28.880 --> 00:41:36.280 auch in Wien der Amerika-Historiker Gerald Stourzh hatte, der damals sehr bekannt war. Die Geschichte ist 00:41:36.280 --> 00:41:43.360 ja sonst in der Amerikanistik eher am Rand gestanden. Das meiste war Literaturwissenschaft und erst in 00:41:43.360 --> 00:41:49.640 neuerer Zeit hat sich das ausgeweitet. Leider gibt es immer noch viel zu wenige Amerika-Historiker in 00:41:49.640 --> 00:42:01.480 Österreich. Anton Pelinka in der Politikwissenschaft kennt sich sehr gut aus und auch Reinhold Wagnleitner 00:42:01.480 --> 00:42:07.880 in Salzburg ist ein guter Amerika-Historiker, aber sonst ist das eher ein verwaistes Fach innerhalb der 00:42:07.880 --> 00:42:16.280 American Studies. Also, man kann nicht sagen, dass die ganze Universität 00:42:16.280 --> 00:42:24.000 gegen die Amerikanistik war. Es hat auch Gruppierungen gegeben, die uns unterstützt haben, aber das war die 00:42:24.000 --> 00:42:30.280 Minderheit - eine sehr kräftige Minderheit. Aber man hat dann auch eingesehen, dass das internationales 00:42:30.280 --> 00:42:38.880 Kulturabkommen zwischen den USA und Österreich auch im Bereich der Universität einzuhalten war. 00:42:38.880 --> 00:42:50.600 Es wurde ja auch viel Geld investiert und man konnte all dies nicht einfach auf die Seite schieben, das hat man 00:42:50.600 --> 00:42:57.840 eingesehen. Aber noch um die Mitte der 1970er Jahre – da war schon das neue UOG in Kraft – musste ich in 00:42:57.840 --> 00:43:04.240 der Budget-Kommission um ein amerikanistisches Bücher-Budget kämpfen, und ich kann mich heute noch 00:43:04.240 --> 00:43:09.360 erinnern, wie einer der Professoren zu mir sagte: „Wozu? Das wird doch eh alles vom amerikanischen 00:43:09.360 --> 00:43:18.480 Propaganda-Betrieb finanziert, was müssen wir jetzt noch was dazu zahlen?“ So quasi Platzhirschen-Denken: 00:43:18.480 --> 00:43:25.160 „Wir wollen nichts abgeben, die haben eh genug!“ Es war ein wirklich harter Kampf für das Institut, ein 00:43:25.160 --> 00:43:34.880 Budget durchzusetzen. Aber es ist dann im Endeffekt doch gelungen. Wir haben das Büchergeld bekommen und 00:43:34.880 --> 00:43:42.560 eine wunderschöne Bibliothek ausgebaut. Man sie jetzt in die Uni-Gesamtbibliothek integriert und zu unserem 00:43:42.560 --> 00:43:52.000 Leidwesen das Library of Congress-Signatursystem aufgelöst. Das hat uns sehr weh getan. Es war 00:43:52.000 --> 00:44:02.640 wirklich eine einmalige Bibliothek mit nicht weniger als 120 amerikanischen Zeitschriften. Die stehen 00:44:02.640 --> 00:44:15.040 jetzt in einem Depot über einem M-Preis am Stadtrand von Innsbruck – eine verwaiste Einrichtung, wo die 00:44:15.040 --> 00:44:23.320 ganzen Zeitschriften der Universitätsbibliothek stehen. Ich war vor einiger Zeit mal dort – nur ein 00:44:23.320 --> 00:44:29.080 einziger Bibliothekar war da, weil kein Mensch geht mehr in diese Zeitschriftenabteilung geht und alles 00:44:29.080 --> 00:44:36.120 übers Internet läuft. Wir haben damals ein ganzes Jahresbudget nur für Zeitschriften ausgegeben, um sie 00:44:36.120 --> 00:44:55.520 ins Laufen zu bringen. Die Jungen, die heute unterwegs sind, die nehmen das alles for granted. Sie wissen 00:44:55.520 --> 00:45:02.280 nicht, wie wir gekämpft haben um das Institut, dass es überhaupt entsteht und das es aufblüht und wächst, das 00:45:02.280 --> 00:45:20.040 war ja nicht selbstverständlich. Heute ist alles da! Trotzdem hat 1999 hat der Universitätsrat noch einmal 00:45:20.040 --> 00:45:28.400 den Versuch unternommen, die Innsbrucker Amerikanistik aufzulösen, d. h. in die Anglistik 00:45:28.400 --> 00:45:32.320 einzugliedern. Das hat der Kampf noch einmal von vorne angefangen. Viele haben die Amerikanistik in 00:45:32.320 --> 00:45:35.680 diesen ganzen Jahren, wo wir so erfolgreich waren, nicht als eigenes Institut akzeptiert. Sie wollten 00:45:35.680 --> 00:45:41.240 auch die Zeitgeschichte abschaffen in Innsbruck. Professor Steininger hat gekämpft wie ein Löwe, dass 00:45:41.240 --> 00:45:50.520 es bleibt. Und mit einer Stimme Mehrheit und nach einer Meldung vom Bundespräsidenten Fischer ist es im 00:45:50.520 --> 00:45:59.880 Universitätsrat gelungen, dass die Amerikanistik erhalten geblieben ist. Rein technokratisch ist es 00:45:59.920 --> 00:46:05.880 natürlich nicht unvernünftig, Institute zusammenzulegen und größere Einheiten zu schaffen. 00:46:05.880 --> 00:46:11.000 Aber in unserem Fall, wo jahrzehntelang immer nur gegeneinander gearbeitet wurde, hätte es zu einer 00:46:11.000 --> 00:46:19.720 totalen Majorisierung der Anglistik über die Amerikanistik geführt. In Wien ist es so gewesen, 00:46:19.720 --> 00:46:26.600 eine Zeit lang zumindest. Es hätte zu einer starken Reduzierung der American Studies geführt, und das 00:46:26.600 --> 00:46:31.240 wollten wir nicht. Gott sei Dank ist es nicht durchgegangen und das Institut ist erhalten 00:46:31.240 --> 00:46:38.080 geblieben. Aber der Versuch war immer noch da. Das ist wirklich erstaunlich. Und von Antiamerikanismus kann 00:46:38.080 --> 00:46:41.760 man da nicht mehr reden, das war einfach nur technokratisch. Man wollte einsparen, zusammenlegen. 00:46:41.760 --> 00:46:48.480 Nur eine Sekretärin statt zwei. Und solche Dinge waren da unterwegs. 00:46:52.880 --> 00:47:02.520 Ich habe mit Prof. Scheer recht gut zusammengearbeitet, viele Jahre. Wir waren manchmal 00:47:02.520 --> 00:47:07.760 schon ein wenig kompetitiv, ich war der Mann, sie war die Frau, aber ich bin auch immer wieder 00:47:07.760 --> 00:47:12.280 Institutsvorstand gewesen und wir haben uns abgewechselt. Es war eigentlich eine ziemlich 00:47:12.280 --> 00:47:24.320 friedliche Zeit. Und dann habe ich den Ruf an die Universität Tübingen bekommen. Aber meine Familie 00:47:24.320 --> 00:47:31.800 wollte nicht nach Schwaben. Und als ich fast gleichzeitig einen Ruf nach Graz bekam, habe mich 00:47:31.800 --> 00:47:37.120 entschieden, dorthin zu gehen trotz des ausverhandelten Rufes nach Tübingen. Und das war 00:47:37.120 --> 00:47:45.440 sogar für mich günstig, weil mir der deutsche Professoren-Gehalt in Österreich in gleicher Höhe 00:47:45.440 --> 00:47:53.600 zugesichert wurde, sodass mir kein Schaden entstand. Und so bin ich 1992 nach Graz gegangen, wo es ja auch 00:47:53.600 --> 00:48:02.400 ein eigenständiges Amerikanitik-Institut gab. In Innsbruck hatte es begonnen und dann neun Jahre später 00:48:02.400 --> 00:48:10.080 ist Graz dazu gekommen. Nur in Graz war die Situation einfacher, weil Professor Stanzel nicht 00:48:10.080 --> 00:48:20.360 amerikafeindlich eingestellt war. Obwohl er ein gestandener Anglist war, hat er sehr viel von der 00:48:20.360 --> 00:48:26.360 amerikanischen Literatur gehalten und hat z.B. über Henry James viel geforscht. Er war eigentlich nie 00:48:26.360 --> 00:48:32.640 dagegen, dass es neben der Anglistik auch eine Amerikanistik gibt. Ich bekam also ein sehr schönes, 00:48:32.640 --> 00:48:41.240 ausgebautes Institut mit ganz neuen, großen Räum- lichkeiten und ich habe mich dort sehr wohl gefühlt. 00:48:41.240 --> 00:48:49.640 Zu berichten ist, dass auch in dieser Zeit noch immer Fulbrighters an den Instituten lehrten. 00:48:49.640 --> 00:48:54.120 Auch in Graz haben wir halbjährige Fulbright-Professuren gehabt, die wir immer in einem 00:48:54.120 --> 00:49:00.080 Spezialbereich angesiedelt haben – Sozialwissenschaften, Geschichte, Gender Studies, 00:49:00.080 --> 00:49:14.160 Medien etc. Die Erfahrungen mit diesen Leuten waren sehr positiv, weil wir immer in engem Kontakt mit 00:49:14.160 --> 00:49:23.600 ihnen standen. Bob Fischer z B. war Sozialwissenschaftler, und hat seine eigenen 00:49:23.600 --> 00:49:29.600 Programme gehabt, mit denen wir zusammengearbeitet haben. Fischer war zweimal in Innsbruck und einmal in 00:49:29.600 --> 00:49:41.200 Graz, und auch später waren immer noch Kontakte da. Und dann wurde 1974 wurde die Austrian Association for 00:49:41.200 --> 00:49:47.760 American Studies gegründet. Anfangs haben wir uns immer im Schloss Leopoldskron in Salzburg 00:49:47.760 --> 00:49:53.560 zusammengefunden, jedes Jahr im November, und das hat uns in ganz Österreich irgendwie zusammengeschweißt. 00:49:53.560 --> 00:49:56.160 Wir haben uns ja alle untereinander gekannt und den Vorsitz rotieren lassen, 00:49:56.160 --> 00:49:58.880 das war auch sehr schön. Heute ist die AAAS ja viel internationaler geworden. 00:50:02.040 --> 00:50:09.680 In Graz war Professor Peper 18 Jahre Institutsleiter, bevor ich gekommen bin. 00:50:09.680 --> 00:50:17.040 Es war eher ein zu kleines Institut in einer alten Villa und Peper war ein 00:50:17.040 --> 00:50:24.160 introvertierter, sehr guter Wissenschaftler, aber er hat relativ wenige Studenten gehabt – so um die 50 00:50:24.160 --> 00:50:33.440 bis 100. Und wie ich dann gekommen bin, hatten wir am Ende 500, ohne dass sich die Belegschaft – mit 00:50:33.440 --> 00:50:40.600 Ausnahme eines zusätzlichen Medienwissenschaftlers – sehr erweitert hätte. Das war für mich sehr anstrengend. 00:50:40.600 --> 00:50:46.160 Da waren drei Assistenten und ao. Professor Hölbling und wir haben gut kooperiert. 00:50:46.160 --> 00:50:58.400 Aber es gab unglaublich viel Prüfungsarbeit, weil im neuen Studienplan Anglistik und Amerikanistik fast 00:50:58.400 --> 00:51:05.920 gleichwertig vertreten waren, wenn man die Sprachwissenschaft ausnimmt. Wir mussten im Bereich 00:51:05.920 --> 00:51:09.360 der Literaturwissenschaft ca. gleich viel anbieten und abprüfen wie die Anglisten aber mit viel weniger 00:51:09.360 --> 00:51:13.840 Personal. Wir haben im Fach Literaturwissenschaft mindestens so viele Studenten, Seminar-, 00:51:13.840 --> 00:51:18.880 Diplomarbeiten und Dissertationen gehabt wie sie. Und das war auf die Dauer nur schwer zu bewältigen, vor 00:51:18.880 --> 00:51:22.680 allem als ich dann noch zum Dekan gewählt wurde. Der Versuch, einen weiteren Professor ans Institut zu 00:51:22.680 --> 00:51:29.760 bekommen – dafür habe ich gekämpft – ist dann in den ganzen Streitigkeiten um die Budget-Autonomie an 00:51:29.760 --> 00:51:37.120 Geldknappheit gescheitert. Die zusätzliche Professur war schon an erster Stelle gereiht und ist dann 00:51:37.120 --> 00:51:40.680 untergegangen. Alles war neben der enormen Kommissionsarbeit einfach zu zeitaufwendig. Ich habe 00:51:40.680 --> 00:51:43.320 mich ausgebeutet gefühlt und bin mit über 42 anrechenbaren 00:51:43.280 --> 00:51:45.440 Dienstjahren gegangen. Jetzt sind drei Professuren am Institut und das ist okay. 00:51:48.920 --> 00:51:56.440 Es ist natürlich absurd, den schwarzen G.I. von 1945 mit Donald Trump zu vergleichen, aber es ist klar, 00:51:56.440 --> 00:52:03.960 dass die negativen Dinge medial stärker berichtet werden. Man weiß ja, dass Amerika in zwei Hälften 00:52:03.960 --> 00:52:12.320 zerfällt und dass ca. die Hälfte der Bevölkerung in die ultrakonservative republikanische Richtung 00:52:12.320 --> 00:52:21.360 geht, während die andere eher noch im alten Sinn amerikanisch ist, so wie wir es geliebt haben. Dieses 00:52:21.360 --> 00:52:28.440 Amerika ist nicht verschwunden, aber es ist nicht mehr dominant. Zur Zeit ist das Bild, das die USA 00:52:28.440 --> 00:52:35.560 vermitteln, negativ. Die anti-europäische Haltung, das Nicht-Mehr-Solidarische – das haben wir überhaupt 00:52:35.560 --> 00:52:41.720 nicht gekannt. Für mich war Amerika immer eine freundliche Nation, und ich war früher durchaus 00:52:41.720 --> 00:52:53.600 positiv gesinnt. Der erste Einbruch geschah mit dem Vietnamkrieg. Da sind dann die Jungen immer kritischer 00:52:53.600 --> 00:52:59.720 geworden gegenüber Amerika. Aber andererseits sieht man, wie Obama in Berlin wirklich mit Freude und mit 00:52:59.720 --> 00:53:06.920 Triumph empfangen wurde. Also es hat immer schon beides gegeben, die Ablehnung und die Zuneigung. Und 00:53:06.920 --> 00:53:16.120 heute überwiegt leider die Ablehnung. Besonders auch unter den Intellektuellen und Akademikern, das ist das 00:53:16.120 --> 00:53:20.160 Traurige. Die waren früher eher noch positiv eingestellt. 00:53:23.640 --> 00:53:30.840 Ja, da hofft man natürlich drauf. Man sagt ja, dass die Jugend in Amerika, die akademische Jugend vor 00:53:30.840 --> 00:53:37.800 allem schon sehr systemkritisch und auch europabewusster ist. Also kann man hoffen, dass das, 00:53:37.800 --> 00:53:48.880 was wir so gemocht haben an Amerika, wieder lebendig wird und hinaufkommt. Ob das so sein wird, weiß ich 00:53:48.880 --> 00:53:56.520 nicht. Es gibt ja auch sehr negative Zukunftsprognosen – dass es noch schlimmer wird, dass die Schere noch 00:53:56.520 --> 00:54:06.040 weiter auseinandergeht und die Unzufriedenheit der Menschen noch größer wird. Eines ist sicher, es klingt 00:54:06.040 --> 00:54:15.560 sehr negativ, aber wenn ich heute 20 wäre, würde ich nicht American Studies studieren – weil mich das, was 00:54:15.560 --> 00:54:23.320 jetzt aus Amerika kommt, eher abstößt. Ich war damals wirklich amerikabegeistert und bin es zum Teil auch 00:54:23.320 --> 00:54:29.640 heute noch. Aber das bezieht sich mehr auf die guten Dinge, die aus den USA noch immer herauskommen. Also 00:54:29.640 --> 00:54:36.600 vor allem gute Literatur und Filme, hochwertige Kunst, wunderbare Dirigenten und Musiker oder auch 00:54:36.600 --> 00:54:40.680 Wissenschaftler. Also das kulturelle Amerika gibt es ja heute auch noch und es fasziniert mich nach wie 00:54:40.680 --> 00:54:47.720 vor. Aber die allgemeine Atmosphäre hat sich stark verändert - nicht zum Guten. Amerika hat sehr viel an 00:54:47.720 --> 00:54:55.480 Reputation verloren in der Welt, leider. Der letzte, der wirklich nur halbwegs angekommen ist, war eben 00:54:55.480 --> 00:55:03.280 Obama, der war wirklich noch in Europa beliebt. Vielleicht kommt mal wieder so einer. Aber mit Trump 00:55:03.280 --> 00:55:08.320 können die Amerikaner keinen Staat machen. Wo ist das amerikanische Volk geblieben, so wie ich es gekannt 00:55:08.320 --> 00:55:17.200 habe? Früher hat man, wenn jemand solche Dinge gemacht hat wie Trump, gesagt, der Mensch ist nicht wählbar. 00:55:17.200 --> 00:55:22.120 Heute ist er wählbar. Die Leute sagen: „Ja, der ist halt so wie ich, der ist so wie wir, nicht besser und 00:55:22.120 --> 00:55:27.640 nicht schlechter – also kann man ihn wählen.“ Für mich ist das unverständlich. Meine Enttäuschung geht 00:55:27.640 --> 00:55:35.040 nicht so sehr auf die Person Trumps. „Mavericks“ wie ihn hat es ja in der amerikanischen Politik immer 00:55:35.040 --> 00:55:40.240 gegeben - Politiker, die sehr extrem und populistisch waren. Aber die Zivilbevölkerung hat immer noch ein 00:55:40.240 --> 00:55:48.440 gewisses Gleichgewicht geschaffen, aber wo ist das hin? Wie kann so ein Betriebsunfall passieren? Und 00:55:48.440 --> 00:55:52.920 dabei ist es ja noch gar nicht sicher, dass es ein Betriebsunfall bleibt! Vielleicht wird Trump noch 00:55:52.920 --> 00:56:00.320 einmal gewählt. Und das ist traurig für einen Amerika-Idealisten, wie ich es war und zum Teil noch 00:56:00.320 --> 00:56:14.520 bin. So wie ich denken übrigens alle an unserem Institut und alle, mit denen ich befreundet bin. Also 00:56:14.520 --> 00:56:21.200 in der akademischen Welt ist die Meinung heute ziemlich eindeutig.