WEBVTT
1
00:00:06.640 --> 00:00:12.460
Ich muss dazu sagen, dass ich einer eminent politischen Familie entstamme
2
00:00:12.460 --> 00:00:16.600
Die Geschichten, die man mir als Kind erzählt hat
3
00:00:16.600 --> 00:00:21.440
haben nicht von Hexen oder so etwas gehandelt, sondern vom Gefängnis
4
00:00:21.560 --> 00:00:25.360
Verlust des Arbeitsplatzes wegen Gewerkschaftsmitgliedschaft
5
00:00:25.360 --> 00:00:27.740
Hinrichtung durch die Nazis
6
00:00:27.740 --> 00:00:29.980
und ähnliches
7
00:00:29.980 --> 00:00:33.980
Also, das hat mit drei Jahren begonnen
8
00:00:33.980 --> 00:00:36.720
Daher war es völlig logisch, ich landete
9
00:00:36.720 --> 00:00:39.280
im zarten Alter von 13 Jahren
10
00:00:39.320 --> 00:00:42.420
beim damaligen Verband sozialistischer Mittelschüler
11
00:00:42.420 --> 00:00:45.820
wo ich dann später Landesobmann in Wien war
12
00:00:48.180 --> 00:00:51.020
Der VSM war links
13
00:00:51.020 --> 00:00:53.920
und der VSStÖ war damals rechts
14
00:00:54.520 --> 00:00:57.180
also der prominenteste Name
15
00:00:57.180 --> 00:00:59.600
waren Mauhardt und Androsch
16
00:00:59.600 --> 00:01:01.600
Das waren unsere Intimfeinde
17
00:01:02.020 --> 00:01:05.200
Heinz Fischer, Plecha waren die Antipoden dazu
18
00:01:05.680 --> 00:01:08.320
Daher bin ich zwar natürlich
19
00:01:08.320 --> 00:01:11.360
als ich zu studieren begann
20
00:01:11.360 --> 00:01:13.220
dem VSStÖ beigetreten
21
00:01:13.220 --> 00:01:16.580
aber mehr der linken Fraktion als dem Gesamtverband
22
00:01:16.580 --> 00:01:21.360
und wir haben dann viele Jahre herzhaft miteinander gestritten
23
00:01:21.860 --> 00:01:25.540
Irgendwann gab es eine Art Ausgleich, der mit dann
24
00:01:25.540 --> 00:01:33.360
ein Mandat in der Wiener Hochschülerschaft und später auch im Zentralausschuss verschaffte
25
00:01:33.360 --> 00:01:37.680
Wir haben die Funktionen im VSStÖ paritätisch aufgeteilt
26
00:01:38.620 --> 00:01:41.640
Es war daher eine logische Konsequenz
27
00:01:41.640 --> 00:01:46.000
aber es war natürlich eine ganz andere Uni
28
00:01:46.000 --> 00:01:49.120
und eine ganz andere Studentenschaft als heute
29
00:01:54.080 --> 00:01:59.040
Es gab vor allem den Ring Freiheitlicher Studenten als zweite große Gruppe
30
00:01:59.460 --> 00:02:02.180
zu den wenigen Erfolgen
31
00:02:02.180 --> 00:02:05.440
Ich habe nicht wirklich beigetragen, aber es ist einfach schön zu sehen
32
00:02:05.440 --> 00:02:08.520
welche Wahlergebnisse der RFS heute erzielt
33
00:02:08.520 --> 00:02:10.520
Das macht Freude
34
00:02:10.520 --> 00:02:13.140
Nein, die Wahlen waren immer
35
00:02:13.140 --> 00:02:16.060
ein klares Ergebnis, das feststand
36
00:02:16.060 --> 00:02:19.300
Der Wahlblock oder wie immer er gerade hieß
37
00:02:19.300 --> 00:02:21.300
hat die absolute Mehrheit
38
00:02:21.580 --> 00:02:25.460
der RFS kriegt 30 oder 32 Prozent
39
00:02:25.900 --> 00:02:28.380
und der VSStÖ zwölf
40
00:02:28.380 --> 00:02:33.600
Wir hatten irgendwann einmal einen tollen Erfolg, da hatten wir 16 Prozent
41
00:02:33.840 --> 00:02:37.280
Da waren wir alle sehr berauscht danach
42
00:02:37.280 --> 00:02:42.660
Dann gab es noch eineinhalb Prozent für die kommunistischen Studenten
43
00:02:42.660 --> 00:02:47.260
und irgendwelche - also die hießen damals noch nicht Fachschaftslisten
44
00:02:47.260 --> 00:02:52.180
an den damaligen Musikhochschulen
45
00:02:52.180 --> 00:02:54.180
gab es natürlich eigene Listen
46
00:02:54.180 --> 00:02:56.640
die nicht fraktionell oder politisch waren
47
00:02:56.980 --> 00:03:01.460
Daher war es eine sehr undankbare Aufgabe
48
00:03:01.840 --> 00:03:05.940
einer von sehr wenigen VSStÖ-Vertretern zu sein
49
00:03:06.420 --> 00:03:10.340
weil wir konnten zwar käppeln, aber das war wirklich schon alles
50
00:03:10.400 --> 00:03:13.780
Das wurde ordnungsgemäß im Protokoll niedergeschrieben
51
00:03:13.780 --> 00:03:18.180
aber das war es dann auch schon. Unsere Einflussnahme war genau null
52
00:03:19.060 --> 00:03:25.320
Daher war das in Wirklichkeit nicht sehr anstrengend, die politische Tätigkeit
53
00:03:25.320 --> 00:03:27.800
Man hat geschimpft. Das ist relativ leicht
54
00:03:27.800 --> 00:03:33.940
aber wir haben für nichts die Verantwortung oder gar die administrative Abwicklung übernehmen müssen
55
00:03:33.940 --> 00:03:39.280
Wir sind in der Loge gesessen und haben hinunter geschrien und geschimpft
56
00:03:43.940 --> 00:03:48.080
Naja, in dieser minimalisierten Rolle
57
00:03:48.080 --> 00:03:52.800
haben unsere internen Konflikte keine Rolle gespielt
58
00:03:52.800 --> 00:03:58.360
Dass wir nicht mit dem Wahlblock ins Bett gegangen sind, war selbstverständlich
59
00:03:58.400 --> 00:04:00.760
also auch für die andere Fraktion
60
00:04:03.380 --> 00:04:09.780
Daher hat uns das nicht zersplittert. Da haben schon einen einheitlichen Standpunkt eingenommen
61
00:04:09.780 --> 00:04:12.700
Dazu muss man sagen, dass natürlich
62
00:04:12.700 --> 00:04:15.460
die Struktur eine ganz andere war
63
00:04:15.460 --> 00:04:19.140
nämlich der Universitäten - nicht so sehr der Hochschülerschaft
64
00:04:19.140 --> 00:04:22.960
denn eine Mitsprache hat es ja nicht gegeben
65
00:04:23.700 --> 00:04:29.080
Wir haben auch da die Zuschauer in der Loge
66
00:04:29.080 --> 00:04:33.500
Die Entscheidungen hat damals - noch sehr viel mehr als das heute ist
67
00:04:33.500 --> 00:04:35.960
wo es ja doch ein paar sehr gemischte Gremien gibt
68
00:04:35.960 --> 00:04:42.820
ausschließlich das Rektorat und die entsprechenden Einrichtungen getroffen
69
00:04:43.440 --> 00:04:47.320
Wir konnten milde Proteste anmelden
70
00:04:47.320 --> 00:04:49.320
Aber das war es dann auch schon
71
00:04:49.320 --> 00:04:53.880
Auch die Universitätspolitik wurde von der ÖH
72
00:04:53.880 --> 00:04:58.820
zwar kritisiert, aber eine Eingriffsmöglichkeit hatten wir nicht
73
00:04:58.820 --> 00:05:02.120
Wir waren eine Standesvertretung
74
00:05:02.120 --> 00:05:10.740
Aber eine ohne Position vis-a-vis der anderen Kraftzentren der Universität
75
00:05:12.560 --> 00:05:15.860
Wir hatten nichts mitzureden
76
00:05:15.860 --> 00:05:18.420
Wir wurden auch nicht gefragt
77
00:05:23.180 --> 00:05:26.140
Wir haben uns eigentlich ziemlich herausgehalten
78
00:05:26.200 --> 00:05:30.700
wir haben nicht gefunden, dass diese Uni ein Recht hat, sich zu feiern
79
00:05:30.820 --> 00:05:34.100
Ich muss da einfach dazu sagen, wir hatten
80
00:05:34.100 --> 00:05:39.580
also zumindest in der juridischen Fakultät, wo ich lernte oder nicht so viel lernte
81
00:05:39.820 --> 00:05:45.240
ein aberwitziges Spektrum an verrückten Professoren gehabt
82
00:05:45.240 --> 00:05:54.160
Das Sammelsurium - auch dort - von kaum abzubringenden Nazis
83
00:05:54.160 --> 00:05:56.880
merkwürdigen Monarchisten
84
00:05:56.880 --> 00:06:02.780
die zwar gegen die Nazis waren, aber sonst auch nicht ganz auf meiner Linie lagen
85
00:06:03.440 --> 00:06:07.420
und eine - na, sagen wir - Arroganz
86
00:06:07.420 --> 00:06:09.500
die heute unvorstellbar ist
87
00:06:09.500 --> 00:06:16.260
Das würde kein Universitätsprofessor heute überleben, was damals an Arroganz geboten wurde
88
00:06:16.260 --> 00:06:19.480
Bis hin zu Prüfungsfragen
89
00:06:19.480 --> 00:06:22.380
die einfach ein Witz waren
90
00:06:22.380 --> 00:06:26.440
Eine beliebte Prüfungsfrage hieß:
91
00:06:26.960 --> 00:06:32.640
"Wenn Sie auf dem Stephansdom stehen und sie sehen hinunter, was sehen Sie?"
92
00:06:34.680 --> 00:06:36.800
Gute Frage, ja.
93
00:06:36.800 --> 00:06:40.340
Die Frage war, von wem man gerade geprüft wird
94
00:06:40.520 --> 00:06:46.460
Die Kirchenrechtlerin wollte die Antwort "Kleriker und Laien" hören
95
00:06:47.160 --> 00:06:52.140
und der andere, der diese Frage regelmäßig verwendete
96
00:06:52.140 --> 00:06:55.580
der kein Kirchenrechtler war
97
00:06:55.580 --> 00:06:59.200
"Rechtssubjekte und Rechtsobjekte"
98
00:07:00.880 --> 00:07:03.140
Das lernte man im Rechtskurs
99
00:07:03.140 --> 00:07:05.140
und daher war man vorbereitet
100
00:07:05.140 --> 00:07:10.100
aber der Schwachsinn dieser Fragestellung erschließt sich für jeden
101
00:07:10.260 --> 00:07:13.160
Wir hatten einen
102
00:07:13.160 --> 00:07:16.560
- auch der Studienplan war ein völlig anderer
103
00:07:16.560 --> 00:07:23.720
Ich nehme nicht an, dass heute auch nur ein Assistent die jungen JUS-Studenten darüber aufklärt
104
00:07:23.720 --> 00:07:26.460
wie das germanische Rechtsystem war
105
00:07:26.460 --> 00:07:30.320
Wir hatten das natürlich. Wir mussten das auch lernen
106
00:07:30.320 --> 00:07:35.400
Der Professor, der dieses Segment betreute
107
00:07:35.400 --> 00:07:38.340
hatte eine besondere Vorliebe
108
00:07:38.340 --> 00:07:43.840
Nämlich wie man Menschen zu einem Geständnis bringt
109
00:07:43.840 --> 00:07:47.340
und wie man sie umbringt, wenn man sie verurteilt
110
00:07:47.340 --> 00:07:51.820
Seine Lieblingsvariante des Umbringens war
111
00:07:51.820 --> 00:07:56.800
"Ausdärmen" - Man schlitze einem Menschen den Bauch auf
112
00:07:56.800 --> 00:08:00.940
und ziehe die Gedärme heraus - irgendwann stirbt er daran
113
00:08:00.940 --> 00:08:07.400
Das konnte er sehr bildhaft und stundenlang erläutern - und tat es
114
00:08:07.400 --> 00:08:09.420
Da saßen dann
115
00:08:09.420 --> 00:08:13.700
leicht mit grauem Gesicht Studenten, die dachten
116
00:08:13.700 --> 00:08:17.160
"Was erzählt uns der Wahnsinnig und was nützt uns das
117
00:08:17.160 --> 00:08:21.720
wenn wir irgendwann mal Richter und Rechtsanwälte werden sollten?"
118
00:08:22.560 --> 00:08:27.180
Das Potenzial an sich ständig ergänzenden
119
00:08:27.180 --> 00:08:30.400
- Der Sohn vom Freund oder vom Kollegen
120
00:08:30.400 --> 00:08:35.820
wurde plötzlich Professor - alles heute unvorstellbar
121
00:08:36.460 --> 00:08:40.400
Diese Seilschaften gibt es nach wie vor noch
122
00:08:40.400 --> 00:08:45.440
Ja, aber nicht in dem Extrem. Vor allem sind sie nicht mehr so national wie damals
123
00:08:45.440 --> 00:08:50.240
Manchmal kriegen wir ja einen Ausländer auch herein in die Uni
124
00:08:50.240 --> 00:08:53.700
wenn er sich halbwegs anpasst (lacht)
125
00:08:58.840 --> 00:09:07.800
So männlich war die Uni, dass sich die wenigen Frauen außerhalb des Dolmetschstudiums
126
00:09:07.800 --> 00:09:11.720
Das war die Frauenfakultät und ein bisschen die Kunstgeschichte
127
00:09:11.720 --> 00:09:14.280
noch nicht in dem Ausmaß wie später
128
00:09:14.280 --> 00:09:18.660
Aber die haben sich dort so verlorgen gefühlt und nicht gewollt
129
00:09:18.660 --> 00:09:22.720
dass die meisten irgendwann einmal das Handtuch geworfen haben
130
00:09:22.720 --> 00:09:25.900
Eine solche Männer-Universität
131
00:09:25.900 --> 00:09:28.820
ist heute auch unvorstellbar
132
00:09:28.820 --> 00:09:31.860
Sowohl auf dem Gebiet der Lehrenden wie der Studierenden
133
00:09:31.860 --> 00:09:33.860
Ich habe keine Ahnung
134
00:09:33.860 --> 00:09:39.080
Ich kann keine Statistik sagen, wie viele Prozent der Studierenden damals weiblich waren
135
00:09:39.120 --> 00:09:43.420
aber sie waren im VSStÖ auch nicht prozentuell mehr
136
00:09:49.060 --> 00:09:53.300
Es gibt zunächst einmal so etwas wie eine Mitsprache
137
00:09:53.300 --> 00:09:56.640
Sie ist nicht weltbewegend, aber sie existiert
138
00:09:56.640 --> 00:09:58.880
Das ist das eine
139
00:09:58.880 --> 00:10:04.900
Das stärkt natürlich die Rolle der studentischen Vertretung gewaltig
140
00:10:04.900 --> 00:10:09.640
Die Tatsache, dass wir heuer zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder
141
00:10:09.640 --> 00:10:15.480
einen Zentralausschuss - oder Sie, ich nicht - direkt gewählt haben
142
00:10:15.480 --> 00:10:20.180
ist einfach wieder eine Rückkehr in diese Phase
143
00:10:20.180 --> 00:10:24.380
Wir haben immer einen gewählten Zentralausschuss gehabt
144
00:10:24.380 --> 00:10:26.380
Auf der anderen Seite
145
00:10:26.380 --> 00:10:30.460
hat es das damals nicht gegeben, was es heute gibt
146
00:10:30.460 --> 00:10:35.100
Diese unendliche Vielzahl von auch Universitäten
147
00:10:35.100 --> 00:10:37.380
außerhalb des staatlichen Bereichs
148
00:10:38.780 --> 00:10:43.680
die völlig andere Strukturen haben. Wo auch die Studierenden andere Interessen haben
149
00:10:45.140 --> 00:10:48.000
Damals war Universität
150
00:10:48.000 --> 00:10:50.620
beziehungsweise Hochschule damals noch genannt
151
00:10:50.740 --> 00:10:53.660
staatliches Monopol in Wirklichkeit
152
00:10:53.660 --> 00:10:57.720
Die Umgehung oder die andere Art der Ausbildung gab es nicht
153
00:10:57.720 --> 00:11:01.940
Daher hat sich das alles wirklich in der Uni abgespielt
154
00:11:01.940 --> 00:11:03.940
Also nicht nur in der Uni Wien, sondern auch
155
00:11:03.940 --> 00:11:08.900
Es gab damals etwas später die ersten Neugründungen
156
00:11:08.900 --> 00:11:17.500
die ja bewusste mit neuen Ideen vonseiten der Professoren oder der dort Machthabenden
157
00:11:17.500 --> 00:11:22.040
Linz, Klagenfurt - das waren auch Gegenpole
158
00:11:22.040 --> 00:11:24.540
zu den immer noch ziemlich verkalkten
159
00:11:24.540 --> 00:11:29.340
Universitäten und Hochschulen im Wiener Bereich oder im traditionellen Bereich
160
00:11:29.340 --> 00:11:35.660
Das war dann - fünf Jahre später etwa - eine ganze bewusste Politik
161
00:11:35.660 --> 00:11:37.920
neue Universitäten zu schaffen
162
00:11:37.920 --> 00:11:39.920
mit neuen Professoren
163
00:11:39.920 --> 00:11:44.200
und einem anderen Verhältnis zwischen Professoren und Studenten
164
00:11:44.200 --> 00:11:48.320
Das ist ja in Linz über viel Jahre gut gelungen
165
00:11:52.460 --> 00:11:56.580
Es hat im Gefolge der Reformen
166
00:11:56.740 --> 00:12:01.440
oder parallel mit den beginnenden Reformen
167
00:12:01.440 --> 00:12:06.580
eine Veränderung doch der Studentenstruktur gegeben
168
00:12:06.580 --> 00:12:10.960
Es hat Themen gegeben, die auch
169
00:12:11.100 --> 00:12:15.580
nicht ausschließlich linke Studenten mobilisiert haben
170
00:12:15.580 --> 00:12:21.260
Vietnam oder Chile waren nicht nur eine Sache der Linken
171
00:12:21.260 --> 00:12:26.960
sondern auch eine Sache der katholischen Gruppierungen beispielsweise
172
00:12:26.960 --> 00:12:32.440
Da gab es dann doch so etwas wie einen Durchbruch
173
00:12:32.440 --> 00:12:39.040
Zunächst im außeruniversitären Bereiche, denn die Demos hatten mit der Uni nichts zu tun
174
00:12:39.040 --> 00:12:41.720
auch wenn wir uns manchmal dazu vor der Uni getroffen haben
175
00:12:41.720 --> 00:12:45.060
Aber es war ein anderer Geist dahinter
176
00:12:45.060 --> 00:12:50.400
und der hat sich natürlich in die Universität - langsam aber doch - eingeschlichen
177
00:12:50.400 --> 00:12:53.700
Insofern hat es hier Veränderungen gegeben
178
00:12:53.700 --> 00:12:58.380
und es hat - was sicher ein Zufall war, weil das zu dieser Zeit noch nicht
179
00:12:58.380 --> 00:13:02.260
so kommuniziert war
180
00:13:02.320 --> 00:13:07.520
Es hat auch die ersten - also eine Steigerung der weiblichen Studenten in dieser Phase gegeben
181
00:13:07.700 --> 00:13:10.740
die auch studentenpolitisch aktiv wurden
182
00:13:10.740 --> 00:13:14.720
Was sie vorher allesamt mit wenigen Ausnahmen nicht waren
183
00:13:14.720 --> 00:13:18.040
Womit, glauben Sie, hing das zusammen?
184
00:13:18.040 --> 00:13:24.040
Mit den neuen gesellschaftspolitischen Themen, die nichts mit der Uni zu tun hatten
185
00:13:24.040 --> 00:13:27.340
Der Vietnamkrieg wurde nicht vom Rektorat ausgelöst
186
00:13:27.340 --> 00:13:31.300
Aber die Themen haben viele ergriffen
187
00:13:31.460 --> 00:13:33.640
Sie haben sich engagiert
188
00:13:33.640 --> 00:13:39.340
und das hat natürlich in das Rahmenklima - sagen wir. Das hatte nichts mit dem Studium zu tun
189
00:13:39.340 --> 00:13:43.540
In das Rahmenklima der Uni doch Änderungen eingebracht
190
00:13:48.440 --> 00:13:54.620
Es war eine - es gab auch innerkirchliche Bewegungen
191
00:13:54.620 --> 00:13:56.860
und Organisationen
192
00:13:56.860 --> 00:14:01.120
die die Gesellschaftspolitik auf ihre Fahnen geschrieben haben
193
00:14:01.120 --> 00:14:04.380
und die, die dort angestreift haben
194
00:14:04.460 --> 00:14:06.720
Da war auch ein gewissen Wolfgang Schüssel dabei
195
00:14:06.720 --> 00:14:10.880
der das dann nicht weiter verfolgt hat, um es so zu formulieren
196
00:14:10.880 --> 00:14:13.180
Aber da gab es viele
197
00:14:13.180 --> 00:14:19.100
die in die studentische und die außerhalb der studentisch liegenden Politik
198
00:14:19.100 --> 00:14:23.180
doch mit einem völlig anderen Ansatz hingingen
199
00:14:23.180 --> 00:14:33.060
Dazu haben manche der kirchlichen Organisationen eine wichtige Rolle gespielt - vor allem im Jugendbereich
200
00:14:33.060 --> 00:14:36.220
Die damals sehr stark auch schon
201
00:14:37.920 --> 00:14:42.720
von der moderneren Theologie ergriffen wurden
202
00:14:42.720 --> 00:14:44.720
und sehr stark weiblich waren
203
00:14:44.720 --> 00:14:48.900
Ich würde für diese Phase sagen
204
00:14:48.900 --> 00:14:53.160
Der Zustrom an die Unis von Frauen
205
00:14:53.160 --> 00:14:57.640
war im katholischen Bereich größer als im poletarisch-sozialistischen Bereich
206
00:15:02.420 --> 00:15:05.720
Professoren sind mir nicht in Erinnerung
207
00:15:05.720 --> 00:15:10.960
aber der Mittelbau hat eine zunehmend positive Rolle gespielt
208
00:15:10.960 --> 00:15:15.460
Der ja ein anderer Mittelbau war, als er es heute ist
209
00:15:15.460 --> 00:15:19.780
weil es ja theoretisch auch eine Lebensoption sein konnte
210
00:15:19.780 --> 00:15:22.900
Eben nicht Professor zu werden
211
00:15:22.900 --> 00:15:26.100
Vielleicht keine gewollte, aber eine mögliche Lebensoption
212
00:15:26.100 --> 00:15:29.380
Die haben sich innerhalb
213
00:15:29.380 --> 00:15:33.460
begonnen zu organisieren
214
00:15:33.460 --> 00:15:38.340
Haben auch auf Mitbestimmung gepocht - insofern waren sie Partner
215
00:15:38.340 --> 00:15:42.180
Kamen natürlich zu einem guten Teil
216
00:15:42.180 --> 00:15:46.480
aus der vorigen Generation von Studentenfunktionären
217
00:15:46.480 --> 00:15:53.060
Insofern war da auch eine emotionale Nähe vorhanden
218
00:15:53.400 --> 00:15:57.260
Dieses Naheverhältnis gab es zu den Professoren nicht?
219
00:15:57.860 --> 00:16:02.480
Ich kann mich nicht erinnern, dass irgendeiner von denen
220
00:16:02.480 --> 00:16:05.480
sich je für uns interessiert hätte
221
00:16:05.480 --> 00:16:09.780
Im Sinn von: "Mitbestimmung, so blöd wäre das ja nicht"
222
00:16:09.780 --> 00:16:16.620
Oder sich politisch in den Themen, die wir verfolgt haben, exponiert hätte
223
00:16:17.380 --> 00:16:19.320
Warum denken Sie, war das so?
224
00:16:19.400 --> 00:16:22.760
Es war ein anderes Biotop
225
00:16:22.760 --> 00:16:27.100
Es war vermutlich auch unter der Würde eines Universitätsprofessors
226
00:16:27.100 --> 00:16:32.180
Es gab also ein gewisses Bild der Professorenschaft
227
00:16:32.180 --> 00:16:34.180
Ja, genau das
228
00:16:34.180 --> 00:16:37.740
Die haben schon ein sehr massives Standesbewusstsein gehabt
229
00:16:43.740 --> 00:16:46.940
Der VSStÖ und seine Partei
230
00:16:46.940 --> 00:16:49.640
haben immer ein schwieriges
231
00:16:49.640 --> 00:16:54.820
jederzeit eine Scheidung inkludierendes Verhältnis zueinander gehabt
232
00:16:58.440 --> 00:17:04.480
Der VSStÖ war dann in zunehmenden Maße links und nicht parteitreu
233
00:17:04.480 --> 00:17:07.520
Der VSM war das immer schon
234
00:17:07.520 --> 00:17:10.060
Ich kann mich erinnern, dass wir
235
00:17:10.060 --> 00:17:14.720
einen Maiaufmarsch, also einen Fackelzug
236
00:17:14.720 --> 00:17:20.340
dann mit denselben Transparenten den Maiaufmarsch geplant hatten
237
00:17:20.340 --> 00:17:25.160
wo wir wegen der heftigen Intervention des Landesparteisekretariats
238
00:17:25.160 --> 00:17:28.560
gegen unsere Parolen, beschlossen hatten
239
00:17:28.560 --> 00:17:34.000
mit leeren Transparenten, also roten Tüchern ohne Inschrift (lacht)
240
00:17:34.000 --> 00:17:36.000
daran teilzunehmen
241
00:17:36.000 --> 00:17:39.960
Das wurde uns dann erfolgreich ausgeredet und wir durften
242
00:17:40.020 --> 00:17:42.520
einige unserer Parolen doch anbringen
243
00:17:42.520 --> 00:17:47.940
Aber das ein wirklich sehr, sehr angespanntes Verhältnis
244
00:17:50.840 --> 00:17:54.020
Es war daher logisch,
245
00:17:54.700 --> 00:17:57.740
Ich sage: Wieder ein wenig später
246
00:17:57.740 --> 00:18:02.280
in der Phase, wo in Deutschland die großen Demonstrationen stattfanden
247
00:18:02.280 --> 00:18:06.840
Kam es in Österreich zu einer Spaltung des VSStÖ - das war nichts anderes
248
00:18:06.840 --> 00:18:10.280
Mit dem Entstehen einer neuen Gruppierung
249
00:18:10.280 --> 00:18:15.300
aus dem extrem linken Flügel würde ich sagen aus meiner damaligen Position
250
00:18:15.300 --> 00:18:17.300
des VSStÖ heraus
251
00:18:17.980 --> 00:18:19.920
Was war ihre damalige Position?
252
00:18:19.920 --> 00:18:25.260
Naja, - ich war ein Zentrist, wenn Sie wollen
253
00:18:30.080 --> 00:18:34.460
Es gab fortwährende Proteste, aber wir sind nicht auf die Straße gegangen
254
00:18:34.460 --> 00:18:39.560
Wir waren einmal vor dem Unterrichtsministerium mit einer eher kleinen Demonstration
255
00:18:39.560 --> 00:18:43.200
und es gab immer wieder parlamentarische Anfragen
256
00:18:43.200 --> 00:18:46.560
die wir initiiert haben oder die eh gemacht wurden
257
00:18:46.560 --> 00:18:51.580
Das hat entsetzlich lange gedauert und vor allem
258
00:18:51.580 --> 00:18:55.160
Es war ja nun wirklich
259
00:18:55.160 --> 00:19:02.700
ein gemütlicher und wohl mit Geld versehener Abgang, der ihm da gewährt wurde
260
00:19:02.700 --> 00:19:05.540
Also ihm ist nichts passiert
261
00:19:05.860 --> 00:19:09.040
Genau, mit vollen Bezügen ist ja nicht so schlecht
262
00:19:09.040 --> 00:19:13.400
Es kann nicht jeder, der in Pension ist, von sich sagen
263
00:19:13.400 --> 00:19:16.500
Weil wir vorher darüber sprachen,
264
00:19:16.500 --> 00:19:19.960
dass es diese Professorenschaft gab
265
00:19:19.960 --> 00:19:22.880
Hat sich das nach der Affäre geändert?
266
00:19:22.880 --> 00:19:26.680
Nicht sofort. Die Menschen, die Akteure waren ja dieselben
267
00:19:26.680 --> 00:19:32.200
außer Borodajkewycz kam ja keiner weg
268
00:19:32.200 --> 00:19:36.700
Das war dann langsam in den nächsten fünf Jahren
269
00:19:38.640 --> 00:19:43.700
Ich meine, die Herrschaften waren alle schon pensionsreif, auch wenn die damalige
270
00:19:43.700 --> 00:19:47.140
Pensionierungsgrenze sehr viel höher lag
271
00:19:47.200 --> 00:19:51.500
Man konnte ja bis knapp vorm Zentralfriedhof amtieren
272
00:19:52.400 --> 00:19:55.800
Aber irgendwann gingen sie
273
00:19:55.800 --> 00:19:58.620
Also die, die mich im JUS-Studium gequält haben
274
00:19:58.620 --> 00:20:02.160
waren sechs, sieben, acht Jahre später alle weg
275
00:20:02.160 --> 00:20:05.880
Entweder starben sie oder sie waren pensioniert
276
00:20:05.880 --> 00:20:13.120
Da sind dann doch teilweise modernere, nicht unbedingt sympathischere Professoren nachgekommen
277
00:20:17.020 --> 00:20:23.580
Das war irgendwie zu früh für uns
278
00:20:23.580 --> 00:20:26.720
Fünf Jahre später wäre das ganz anders gelaufen
279
00:20:26.720 --> 00:20:29.300
Denn der große Input
280
00:20:29.300 --> 00:20:33.260
der neuen Studentinnen und Studenten war noch nicht angekommen
281
00:20:33.260 --> 00:20:37.160
Die Demos von damals
282
00:20:37.160 --> 00:20:40.820
Die große Anti-Springer-Demo
283
00:20:40.820 --> 00:20:43.660
die wir absurderweise veranstaltet haben
284
00:20:43.660 --> 00:20:47.280
Der Herr Springer war damals nicht gerade in Österreich tätig
285
00:20:47.280 --> 00:20:49.800
Da waren wir 800 Leute
286
00:20:51.420 --> 00:20:54.320
Also das war keine Massenbewegung
287
00:20:54.320 --> 00:20:59.540
Das wäre, sagen wir, '72 ganz anders ausgefallen
288
00:20:59.540 --> 00:21:03.080
Die deutsche Entwicklung war für Österreich zu früh
289
00:21:03.080 --> 00:21:05.080
Die konnten wir nicht toppen
290
00:21:05.080 --> 00:21:07.080
Dazu hat uns die Substanz gefehlt
291
00:21:12.100 --> 00:21:15.260
Es waren die gesamten katholischen Verbände dabei
292
00:21:15.260 --> 00:21:18.360
Das ist heute, soweit ich weiß, nicht mehr der Fall
293
00:21:18.360 --> 00:21:21.420
Das sind nurmehr schlagenden Verbindungen
294
00:21:21.420 --> 00:21:23.800
Aber der Couleurtag war damals
295
00:21:30.540 --> 00:21:33.520
Der Wahlblock hieß ja deshalb Wahlblock
296
00:21:33.520 --> 00:21:38.660
weil er ein Bündnis zwischen den Nicht-Kappel-tragenden
297
00:21:38.660 --> 00:21:45.100
und den Kappel-tragenden katholischen Organisationen der bürgerlichen Organisationen war
298
00:21:46.020 --> 00:21:49.140
Ich mein, die die keine Kappel trugen, waren nicht dort
299
00:21:49.140 --> 00:21:54.380
Aber sowohl der CV wie - gibt's die noch?
300
00:21:54.380 --> 00:21:58.900
Diese Monarchistischen? Ja, die gibts noch.
301
00:21:58.900 --> 00:22:01.680
Die waren dann dort genauso vertreten
302
00:22:01.680 --> 00:22:03.680
wie die deutschen Burschenschaften
303
00:22:03.680 --> 00:22:09.720
Zumindest haben sie es als gemeinsame Traditionspflege betrachtet
304
00:22:09.720 --> 00:22:14.320
Mir ist nicht bekannt, dass es da jemals zu Reibereien gekommen ist
305
00:22:14.320 --> 00:22:19.220
Wäre möglich, wir waren nicht dort. Wir haben das nicht beobachtet. Das war unser Normalzustand
306
00:22:19.300 --> 00:22:23.340
Wir waren eine marginale Gruppe
307
00:22:24.600 --> 00:22:30.500
Das zu diskutieren und thematisieren wäre uns nicht in den Sinn gekommen
308
00:22:30.500 --> 00:22:33.040
Ich meine, wir waren halt der Feind
309
00:22:33.040 --> 00:22:35.920
Haben diese Rolle auch ganz gerne angenommen
310
00:22:35.920 --> 00:22:38.240
Das war ja nicht unlustig, aber
311
00:22:38.240 --> 00:22:41.160
die Wahrheit ist, wir waren uns bewusst
312
00:22:41.160 --> 00:22:43.940
Wir sind eine Randerscheinung
313
00:22:43.940 --> 00:22:46.700
Die anderen sind das Vielfache von uns
314
00:22:47.820 --> 00:22:52.220
Insofern war es kein Affront, sondern der Normalzustand
315
00:22:54.540 --> 00:22:59.400
Jeder von uns hat in Wirklichkeit höllisch aufgepasst - auch im Studium
316
00:22:59.400 --> 00:23:08.320
irgendwas nicht unbotmäßiges in eine Seminararbeit oder eine Prüfung hineinzuschreiben
317
00:23:08.320 --> 00:23:12.540
Gott bewahre! Wir wollten ja irgendwie fertig studieren