WEBVTT 1 00:00:03.600 --> 00:00:08.600 Ich habe spät maturiert, denn ich habe Externisten-Matura gemacht 2 00:00:08.600 --> 00:00:15.860 und habe eigentlich erst im Frühsommer 1967 3 00:00:15.900 --> 00:00:19.360 in Mathematik die Matura 4 00:00:19.360 --> 00:00:23.560 - die musst ich wiederholen, denn Mathematiker war ich keiner, war ich nie - 5 00:00:23.560 --> 00:00:29.880 und war da erst fertig und habe erst mit Herbst 1967 immatrikuliert und inskribiert 6 00:00:29.880 --> 00:00:33.540 Ich bin vorher noch in Berlin gewesen 7 00:00:33.540 --> 00:00:39.160 und bin ein gependelt zwischen der damaligen Kommune I 8 00:00:39.160 --> 00:00:43.960 und dem SDS - der war am Kurfürstendamm damals 9 00:00:43.960 --> 00:00:48.720 und die Kommune I 10 00:00:48.720 --> 00:00:55.320 also eh das bekannte Experiment damals 11 00:00:55.320 --> 00:00:59.980 Da war gerade eine Kampagne zur Befreiung von Fritz Teufel 12 00:00:59.980 --> 00:01:02.100 der saß gerade im Gefängnis 13 00:01:02.100 --> 00:01:08.760 und ich habe Langhans und Kunzelmann und Gudrun Ensslin 14 00:01:08.760 --> 00:01:13.320 die zwar nicht dort gewohnt hat, aber oft zu Besuch war 15 00:01:13.320 --> 00:01:17.460 da kennen gelernt und es gab eine Menge Diskussionen 16 00:01:17.460 --> 00:01:20.700 die die Nächte durchgegangen sind 17 00:01:20.700 --> 00:01:23.260 und damit angefüllt und angepumpt 18 00:01:23.260 --> 00:01:30.280 und auch mit dem, was ich vom SDS mitbekommen habe - ich wurde dort als Exot und Junger 19 00:01:30.280 --> 00:01:34.800 Ich war zwar auch schon 23, aber die waren alle vier, fünf Jahre älter 20 00:01:34.800 --> 00:01:40.080 und das bedeutet in diesem Lebensabschnitt ja noch eine Menge 21 00:01:40.580 --> 00:01:44.580 Ich wurde da so quasi eingeweiht 22 00:01:44.580 --> 00:01:47.840 und belehrt und geschult - mehr oder weniger 23 00:01:47.840 --> 00:01:52.540 Durch sehr lange Gespräche, wo es lang geht und worauf es ankommt und ähnliches 24 00:01:52.540 --> 00:01:56.700 Ich war also ganz angefüllt mit diesen Gesprächen 25 00:01:56.700 --> 00:02:01.800 und habe als Vorwissen Marcuse gelesen, wie wir alle damals 26 00:02:01.800 --> 00:02:05.220 Ich kam nach Wien 27 00:02:05.280 --> 00:02:12.340 und habe dort mit einigen anderen die Kommune Wien gegründet 28 00:02:12.340 --> 00:02:16.340 die aber keine Wohngemeinschaft wie in Berlin war 29 00:02:16.340 --> 00:02:20.180 sondern gleich eine politische Organisation 30 00:02:20.180 --> 00:02:22.980 die aber antiautoritär funktionieren sollte 31 00:02:22.980 --> 00:02:26.960 also ohne Hierarchien und ohne Leitung 32 00:02:26.960 --> 00:02:29.360 Das heißt, eine Mischung 33 00:02:29.360 --> 00:02:33.900 - ich habe es mir damals vorgestellt - eine Mischung aus der K1 34 00:02:33.900 --> 00:02:36.980 also auch was die Provokationen und ähnliches anbelangt 35 00:02:36.980 --> 00:02:43.180 und einer Entwicklung eines politischen Programms 36 00:02:43.180 --> 00:02:49.840 Das heißt, es ging uns damals um die persönlich Emanzipation und die gesellschaftliche 37 00:02:49.840 --> 00:02:51.680 Wir wollten das verbinden 38 00:02:51.680 --> 00:02:57.520 Ich komme erziehungsmäßig ja aus der kommunistischen Partei 39 00:02:57.520 --> 00:03:01.620 und wusste, dass da das Individuelle immer hintanstand 40 00:03:01.620 --> 00:03:07.660 Da ging es um das Kollektiv, um die Menschheit, aber selten um den einzelnen Menschen - das ist ja bekannt 41 00:03:07.660 --> 00:03:11.720 und daher war mir das besonders wichtig, dass sich diese beiden Dinge verbinden 42 00:03:17.540 --> 00:03:20.900 Ja, wie gesagt, da gab es sozusagen- 43 00:03:20.900 --> 00:03:23.960 gleich das [unverst.] Wien, das war unser Einstieg 44 00:03:23.960 --> 00:03:28.880 wo wir versuchten - also damals war die Aula 45 00:03:29.220 --> 00:03:35.940 Man durft ohne Zustimmung des Rektors in der Aula nichts machen - also nur hindurch gehen 46 00:03:36.120 --> 00:03:39.900 Wir wollten damals die Aula zum Hyde Park machen 47 00:03:39.900 --> 00:03:46.000 also kann abwechselnd dort Reden halten und seine Meinung äußern 48 00:03:46.000 --> 00:03:48.480 und haben zu diesem Zweck ein love-in gemacht 49 00:03:48.480 --> 00:03:53.020 wo wir mit schwarzen Papierrosen um uns geworfen haben 50 00:03:53.020 --> 00:03:59.400 und Bibelpsalme - vor allem aus dem Hohelied - zitiert haben 51 00:03:59.400 --> 00:04:03.880 und aus anderen Psalmen 52 00:04:03.880 --> 00:04:09.600 Und die anrückenden Pedelle mit schwarzen Rosen beworfen haben 53 00:04:09.600 --> 00:04:17.040 Ein bisschen waren die Blumenkinder in Amerika das Vorbild 54 00:04:17.040 --> 00:04:19.820 aber wir wollten das eigentlich nur zitieren 55 00:04:19.860 --> 00:04:23.100 wir waren also keine Blumenkinder in diesem Sinne 56 00:04:23.100 --> 00:04:28.280 und lange nicht so naiv, denn wir hatten alle bereits ein politische Vergangenheit 57 00:04:28.280 --> 00:04:32.280 Wir wollten das zitieren und auch als Provokation verwenden 58 00:04:32.280 --> 00:04:35.400 Haben dann auch Flugblätter verteilt 59 00:04:35.400 --> 00:04:42.180 wo wir Anweisungen gegeben haben 60 00:04:42.180 --> 00:04:46.960 wie man den indischen Hüftknick in der Sexualität durchführen kann und ähnliches 61 00:04:46.960 --> 00:04:53.080 Es war ja - das darf man nicht vergessen - 1967 war Österreich und Wien noch 62 00:04:53.080 --> 00:04:57.220 unglaublich verspießert und ein Muckertum 63 00:04:57.220 --> 00:05:00.700 eine tabuisierte Sexualität 64 00:05:00.700 --> 00:05:05.420 Man konnte darüber auch nicht- man sprach darüber auch nicht 65 00:05:05.420 --> 00:05:10.920 Dadurch war es ein wenig so wie in Berlin vorher 66 00:05:11.340 --> 00:05:15.100 eine ziemliche Provokation und natürlich 67 00:05:15.100 --> 00:05:18.440 ein gefundenes Fressen für die Boulevardzeitungen 68 00:05:18.440 --> 00:05:22.900 die sich da gerne darauf gestürzt und eine Riesensache daraus gemacht haben 69 00:05:22.900 --> 00:05:26.560 "Der Untergang des Abendlandes" und so fort 70 00:05:26.560 --> 00:05:28.560 und von da her 71 00:05:28.560 --> 00:05:34.900 ist es voll aufgegangen und damit war die Kommune Wien als politische Formation etabliert 72 00:05:34.900 --> 00:05:39.520 und hat ihr kurzes Leben bis zum Juni '68 73 00:05:39.520 --> 00:05:46.520 mit Spaziergang-Demonstrationen meistens gegen Vietnam, aber auch Franco-Spanien 74 00:05:46.520 --> 00:05:52.600 Spaziergang-Demonstrationen war also die Form der Demonstration 75 00:05:52.600 --> 00:05:58.600 dass wir den Verkehr blockiert haben und bevor die Polizei kam, haben wir uns überall verstreut 76 00:05:58.600 --> 00:06:06.060 und an einem vorher ausgemachten Treffpunkt kamen wir wieder zusammen 77 00:06:06.060 --> 00:06:10.340 Dadurch konnten wir eigentlich nicht wirklich bekämpft werden 78 00:06:10.340 --> 00:06:14.520 Das haben wir ja aus Berkeley und Berlin gelernt, diese Sachen 79 00:06:14.520 --> 00:06:19.000 Ja und so haben wir diesen "Sommer der Anarchie" 80 00:06:19.000 --> 00:06:23.480 oder den "Frühling der Anarchie" ein bisschen so verbracht 81 00:06:28.060 --> 00:06:35.240 Das war eine kleine - Georg Kreisler hat das zu Recht eine "heiße Viertelstunde" genannt 82 00:06:35.240 --> 00:06:39.860 Das war ein Lüfterl. Es ist in Wien immer alles 83 00:06:39.860 --> 00:06:46.260 viel gemütlicher und viel schlampiger und viel weniger prinzipientreu abgelaufen 84 00:06:46.260 --> 00:06:49.640 Unsere deutschen Gäste waren entsetzt 85 00:06:49.640 --> 00:06:52.580 wie lässig wir das alles machen 86 00:06:52.580 --> 00:06:58.280 dass wir keine Grundsatzdiskussionen führen und keine Leute ausschließen 87 00:06:58.540 --> 00:07:01.800 Aber das war die kurze Zeit, bevor 88 00:07:01.800 --> 00:07:05.640 das strenge Regiment der K-Gruppen, also der 89 00:07:06.140 --> 00:07:09.140 kommunistischer Bund und 90 00:07:09.140 --> 00:07:11.500 marxistisch-leninistische Studenten 91 00:07:11.500 --> 00:07:13.820 Maoisten, Trotzkisten 92 00:07:13.820 --> 00:07:19.480 Bis das strenge Regiment dieser Politisierung über die Studentenschaft hereingebrochen ist 93 00:07:22.880 --> 00:07:28.800 In der Aula durfte man kann Veranstaltungen machen. Wir haben sie gemacht 94 00:07:28.800 --> 00:07:33.540 Die Regeln, die es auf der Uni gab 95 00:07:33.540 --> 00:07:37.660 "Studieren und nicht protestieren" - Das haben wir durchbrochen 96 00:07:37.660 --> 00:07:41.760 Aber das waren Winzigkeiten. Das wurde irrsinnig aufgebauscht 97 00:07:41.760 --> 00:07:45.200 Das waren Kleinigkeiten. Da kann man doch nur lachen über das- 98 00:07:45.200 --> 00:07:50.660 Was damals alle so aufgeregt hat: Wir hatten damals nur freie Rede in der Aula 99 00:07:50.660 --> 00:07:52.660 und das war irgendwie- 100 00:07:53.220 --> 00:07:56.620 Vor allem gab es damals eine sehr aggressive 101 00:07:58.480 --> 00:08:03.520 einen sehr aggressiven Boulevardjournalismus durch die Zeitung "Express" 102 00:08:03.520 --> 00:08:06.460 auch "Krone" schon damals, aber vor allem "Express" 103 00:08:06.460 --> 00:08:10.460 und einen sehr sehr aggressiven Boulevardjournalisten 104 00:08:10.460 --> 00:08:13.480 der auch jetzt noch tätig ist - der Jeannée 105 00:08:13.480 --> 00:08:22.280 der mit halb faschistischen Schmähartikeln versucht hat 106 00:08:22.280 --> 00:08:24.860 gegen die Studentenschaft vorzugehen 107 00:08:24.860 --> 00:08:28.660 Der war, glaube ich, vorher bei der Bild oder hat da gelernt 108 00:08:28.660 --> 00:08:34.940 Uns war das ja recht. Das hat die ganze Sache aufgeheizt 109 00:08:34.980 --> 00:08:37.860 Dadurch ist es auch in die Medien gekommen 110 00:08:37.860 --> 00:08:42.860 und wir konnten dann auch die entsprechenden Anliegen, die wir hatten 111 00:08:42.860 --> 00:08:45.980 über einen kleinen Kreis hinaus bekannt machen 112 00:08:45.980 --> 00:08:51.240 Sie wurden dadurch bekannt. Das war auch Ausgangspunkt 113 00:08:51.240 --> 00:08:57.000 einer zu Beginn der 70er Jahre viel breiteren Studentenbewegung, die sich immer mehr verbreitert hat 114 00:08:57.000 --> 00:09:02.640 und übrigens auch unter Medien[unverst.] der Kreisky-Regierung 115 00:09:02.640 --> 00:09:06.760 sind auch viele dieser Forderungen auch umgesetzt worden 116 00:09:06.760 --> 00:09:15.680 Es war kein Scheitern oder es war ein erfolgreiches Scheitern 117 00:09:15.680 --> 00:09:18.520 in diesem Sinne - wobei ich ausdrücklich sage, 118 00:09:18.520 --> 00:09:26.340 dass wir, also die Kommune Wien, einen ganz kleinen Beitrag zu dieser Entwicklung geliefert hat 119 00:09:26.340 --> 00:09:28.180 Denn es lag in der Zeit 120 00:09:28.180 --> 00:09:34.680 Es ist ja zeitgleich in Amerika - sogar ein bisschen vorher - in Deutschland, in Frankreich überall losgegegangen 121 00:09:34.680 --> 00:09:38.240 Es lag auch in der Zeit 122 00:09:38.240 --> 00:09:44.320 und das Schicksal hat sich in Wien solche Leute wie mich ausgesucht 123 00:09:44.320 --> 00:09:46.540 Hätte auch jemand anderes sein können 124 00:09:52.000 --> 00:09:56.560 Wir haben unsere Forderungen in die Inaugurationsfeier eingebracht 125 00:09:56.560 --> 00:09:58.980 und es kam ein bisschen zu Gerangel 126 00:09:58.980 --> 00:10:01.780 Es war nichts Schlimmes 127 00:10:01.780 --> 00:10:06.500 Dann wurde gedroht mit der Redigierung 128 00:10:06.500 --> 00:10:11.460 und ich bin zum Rektor gegangen 129 00:10:12.600 --> 00:10:15.420 Der war eigentlich sehr 130 00:10:15.940 --> 00:10:20.700 zu meinem Erstaunen, später haben wir das dann 131 00:10:20.700 --> 00:10:23.840 Wie haben wir das genannt? -Repressive Toleranz 132 00:10:23.840 --> 00:10:29.220 Aber der war ausgesprochen freundlich, liebenswürdig, verständnisvoll 133 00:10:29.220 --> 00:10:34.700 Ich war eingestellt auf einen alten CVler oder auch Burschenschafter 134 00:10:34.700 --> 00:10:37.300 Einen alten Herren quasi 135 00:10:37.300 --> 00:10:41.220 Mit dieser ganzen unheiligen Tradition 136 00:10:41.220 --> 00:10:44.360 Die Unis waren ja wirklich rechts damals 137 00:10:44.360 --> 00:10:48.100 Und der war sehr freundlich, liebenswürdig 138 00:10:48.160 --> 00:10:51.040 Er war auch ein Liberaler - im Nachhinein gesehen 139 00:10:51.040 --> 00:10:56.660 Der sagte, er könne nicht anders, aber es ist irgendwie 140 00:10:57.300 --> 00:11:02.120 Das ginge nicht, der Druck wäre so groß 141 00:11:02.120 --> 00:11:04.880 Ob wir eine Idee hätten, wie wir da rauskommen 142 00:11:04.880 --> 00:11:08.180 Ich habe gesagt: "Wir wollen gar nicht heraus" 143 00:11:08.180 --> 00:11:10.400 Dann ist das passiert 144 00:11:10.400 --> 00:11:15.320 dass die Disziplinarkommission nicht tagen konnte, weil die ÖH 145 00:11:15.320 --> 00:11:18.880 die auch schon damals dabei hätte sein müssen 146 00:11:18.880 --> 00:11:20.880 das nicht beschickt hat 147 00:11:24.980 --> 00:11:28.800 Der berühmte Slogan "Unter den Talaren"- 148 00:11:30.020 --> 00:11:33.620 der Staub? -der Muff! von tausend Jahren 149 00:11:33.620 --> 00:11:41.440 wobei das doppelsinnig ist. Sowohl die lange Tradition der Uni, ohne dass sich etwas geändert hat 150 00:11:41.440 --> 00:11:44.960 als auch das Tausendjährige Reich - war beides in diesem Spruch 151 00:11:44.960 --> 00:11:49.500 Es war die Verschulung 152 00:11:49.500 --> 00:11:53.040 die es vorher gegeben hat und die dann nachher auch wieder kam 153 00:11:53.040 --> 00:11:57.740 Das nicht freie Studieren-Können 154 00:11:57.740 --> 00:12:03.480 im Studienprozess auch keine freie, unabhängige Meinung entwickeln zu können 155 00:12:03.480 --> 00:12:07.780 Auch das Erziehen zu einer freien Meinung 156 00:12:07.780 --> 00:12:11.360 Die Sklavenmentalität, die Untertanenmentalität 157 00:12:11.360 --> 00:12:16.560 Nachreden und Nachlernen, was vorgeplappert wird 158 00:12:16.560 --> 00:12:18.660 Also all das, 159 00:12:18.660 --> 00:12:23.700 was in der Kritischen Theorie schon kritisiert wurde 160 00:12:23.700 --> 00:12:27.040 an dieser Art des Betriebes 161 00:12:27.040 --> 00:12:31.820 hat uns aufgeregt und das waren die Hauptproteste 162 00:12:35.900 --> 00:12:40.900 Die Studentenschaft war zum Teil sehr gespalten 163 00:12:40.900 --> 00:12:44.180 Es gab sehr, sehr viele, und da haben wir das auch bemerkt 164 00:12:44.180 --> 00:12:46.860 dass da auch im Interesse vieler Studenten war 165 00:12:46.860 --> 00:12:50.400 die wollten sich nicht selbstständig etwas überlegen 166 00:12:50.400 --> 00:12:52.400 sondern wollten ihren Stoff haben und den lernen 167 00:12:52.400 --> 00:12:54.980 und ihren Schein kriegen - Schluss, aus, basta 168 00:12:54.980 --> 00:12:57.780 Deswegen waren wir auch nicht besonders erfolgreich 169 00:12:57.780 --> 00:12:59.940 bei den Studenten selbst 170 00:12:59.940 --> 00:13:03.300 Wir glaubten zwar, dass wir ihre Interessen vertreten 171 00:13:03.300 --> 00:13:09.240 aber ihre Interessen waren zum Teil: Augen zu und durch. Und Schluss, aus, basta 172 00:13:14.220 --> 00:13:19.420 Naja, von Verständnis kann nicht viel die Rede sein 173 00:13:19.420 --> 00:13:23.900 Wir haben sie nicht verstanden, sondern als autoritäre Scheisser angesehen 174 00:13:23.900 --> 00:13:28.980 die nur ihre Privilegien und ihre Lehrstühle verteidigen wollten 175 00:13:28.980 --> 00:13:32.140 und möglichst Ruhe, Ruhe 176 00:13:32.140 --> 00:13:37.860 Man darf auch nicht vergessen, in der damaligen Professorenschaft 177 00:13:37.860 --> 00:13:42.340 das war '67, da waren noch so viele Alt-Nazis 178 00:13:42.340 --> 00:13:45.460 ob die nun Parteimitglieder waren, war ganz unwichtig 179 00:13:45.460 --> 00:13:48.780 Aber auch von Geist her. Ganz konservativ, 180 00:13:48.780 --> 00:13:50.980 zum Teil nationalistisch, chauvinistisch 181 00:13:50.980 --> 00:13:57.240 Die Uni war ja damals noch ein Hort des rechten Gedankenguts 182 00:13:57.240 --> 00:13:59.240 Das hat sich relativ schnell geändert 183 00:13:59.240 --> 00:14:05.420 Gebrochen ist ja eigentlich schon in der Borodajkewicz-Affäre zwei Jahre vorher 184 00:14:05.420 --> 00:14:10.260 Das hat den Rechten damals auf der Uni das Genick gebrochen 185 00:14:10.260 --> 00:14:15.420 diese Geschichte mit dem Tod dieses Widerstandskämpfers 186 00:14:16.020 --> 00:14:21.920 Von daher war diese Uni auch in so einem Umbruch 187 00:14:21.920 --> 00:14:24.520 und die Professoren mussten umlernen 188 00:14:24.520 --> 00:14:26.600 und das fiel ihnen sehr schwer 189 00:14:26.600 --> 00:14:28.680 Wir waren auch nicht sehr verständnisvoll 190 00:14:28.680 --> 00:14:34.700 Wir haben auch nicht versucht, herauszubekommen 191 00:14:34.700 --> 00:14:39.560 wieso sind die so und wo setzt man an, um die auch auf unsere Seite zu ziehen 192 00:14:39.560 --> 00:14:45.200 Die Konfrontation war natürlich - jung wie wir waren - auch ein Vergnügen 193 00:14:45.480 --> 00:14:49.860 Aber es gab einige Professoren 194 00:14:49.860 --> 00:14:54.420 die mit uns sympathisiert haben und denen ging es natürlich am schlechtesten 195 00:14:54.420 --> 00:14:57.920 weil sie waren dann auch die Weichstellen - das war der Heidger 196 00:14:57.920 --> 00:15:01.000 Marian Heidger war damals Pädagogik-Professor 197 00:15:01.540 --> 00:15:05.240 und der war ein Liberaler und die Liberalen waren die Hauptfeinde 198 00:15:05.240 --> 00:15:09.300 Weil die die Konfrontation aufgeweicht hätten 199 00:15:09.300 --> 00:15:13.460 Also die Liberalen waren das Ärgste 200 00:15:13.460 --> 00:15:16.020 man wollte einen richtig konservativen Gegner haben 201 00:15:16.020 --> 00:15:18.900 daran konnte man sich reiben, aber die Liberalen waren schwierig 202 00:15:18.900 --> 00:15:21.380 Aber es gab auch einen jungen Dozenten 203 00:15:21.380 --> 00:15:26.880 der Sohn des Philosophie-Ordinarius Erich Heindl 204 00:15:26.880 --> 00:15:28.640 war Peter Heindl 205 00:15:28.640 --> 00:15:33.380 Der hat verdeckt und offen mit uns sympathisiert 206 00:15:33.380 --> 00:15:37.700 Es sind auch viele von der Kommune damals in seine Vorlesung gegangen 207 00:15:37.700 --> 00:15:40.540 Er war damals Dozent und später Gründungsrektor in Klagenfurt 208 00:15:40.540 --> 00:15:47.120 Das heißt, wir hatten schon auch Bündnispartner in der Professorenschaft 209 00:15:47.120 --> 00:15:53.040 Dies ist auch in den 70er Jahren gewachsen und ist dann auch unaufhaltsam geworden 210 00:15:58.020 --> 00:15:59.880 Ja, da war- 211 00:15:59.880 --> 00:16:06.300 Wir haben also versucht, den 1. Mai der Sozialdemokraten am Rathausplatz zu stören 212 00:16:06.300 --> 00:16:11.700 Da war der Bürgermeisten Marek, der etwas hilflos war 213 00:16:11.720 --> 00:16:13.640 der die Polizei rief 214 00:16:13.640 --> 00:16:20.620 Deswegen hat auch Nenning den Artikel vom Polizeisozialismus im Neuen Forum geschrieben 215 00:16:20.620 --> 00:16:23.320 Da wurden wir gewaltsam entfernt 216 00:16:23.320 --> 00:16:25.780 Das interessante war noch 217 00:16:25.780 --> 00:16:31.580 Der interessanteste Teil war, als die Polizei gekommen ist 218 00:16:32.560 --> 00:16:35.680 und begonnen hat, uns zu entfernen 219 00:16:35.680 --> 00:16:39.400 sind wir aufgestanden und haben die Internationale gesungen 220 00:16:39.400 --> 00:16:41.500 und Bürgermeister Marek 221 00:16:41.500 --> 00:16:45.120 der gerade die Polizei rief und ganz wütend war 222 00:16:45.120 --> 00:16:48.780 hat die Internationale gehört, stand auf und hat mitgesungen 223 00:16:49.040 --> 00:16:51.440 (lacht)Alter Sozialdemokrat 224 00:16:51.440 --> 00:16:56.640 das geht, wenn jemand die International singt, dass er sitzen bleibt 225 00:16:56.640 --> 00:17:01.000 Das war ein rührendes Element bei dieser Angelegenheit 226 00:17:05.340 --> 00:17:11.680 Das war nicht Programm, sondern das hat sich aus den Protagonisten ergeben 227 00:17:11.680 --> 00:17:18.300 Ich war auch schon damals, wenn auch nicht bekannt, aber ein angehender Schriftsteller. Habe auch schon geschrieben 228 00:17:18.300 --> 00:17:24.980 '67, '68 wurde die Erzählung 'Kassandra' schon geschrieben 229 00:17:24.980 --> 00:17:29.360 die dann in der Hundsblume veröffentlicht wurde. Das war alles 68er Zeit 230 00:17:29.420 --> 00:17:31.980 Und wir haben natürlich 231 00:17:31.980 --> 00:17:36.460 der Kunst eine gewissen Sprengkraft zugetraut 232 00:17:36.460 --> 00:17:44.760 Es war auch Polles(?) der damals verlangt hat, dass man die Opern in die Luft sprengen soll 233 00:17:45.360 --> 00:17:49.620 der spätere Operndirektor von diversen Opern 234 00:17:49.620 --> 00:17:51.680 Es war wunderbar 235 00:17:51.680 --> 00:17:54.860 Wir waren irgendwie- Das war ja alles Establishment 236 00:17:54.860 --> 00:17:59.540 und wir waren gegen die Hochkultur und für eine alternative Kultur 237 00:18:03.940 --> 00:18:08.560 Die waren um einige Jahre älter auch 238 00:18:08.560 --> 00:18:12.580 Also der Ossi Wiener war zehn Jahre älter als ich 239 00:18:12.580 --> 00:18:17.320 und ich war schon älter innerhalb der Gruppe 240 00:18:18.900 --> 00:18:21.100 und sie waren auch erfahren 241 00:18:21.100 --> 00:18:24.980 Sie wollten uns zuerst einmal überreden 242 00:18:24.980 --> 00:18:28.660 das Burgtheater zu stürmen und ich sagte damals: 243 00:18:28.660 --> 00:18:37.240 "Das halte ich für eine völlig unsinnige Sache. Was hat das Burgtheater mit den politischen Kämpfen der Studenten zu tun?" 244 00:18:37.240 --> 00:18:39.720 "Das ist irgendeine Institution" 245 00:18:39.720 --> 00:18:42.340 Nur weil sie eine Hochkultur hat 246 00:18:42.340 --> 00:18:45.140 willkürlich da jetzt - das fand ich 247 00:18:45.140 --> 00:18:48.500 Der Ossi Wiener hat sich sehr darüber geärgert 248 00:18:48.500 --> 00:18:50.620 und haben uns 249 00:18:50.620 --> 00:18:53.660 wir hatten damals große Veranstaltungen 250 00:18:53.660 --> 00:18:55.660 in einem Lokal in der Erdbergstraße 251 00:18:55.660 --> 00:18:59.660 Da wurden die Künstler eingeladen und haben ihre Vorschläge gemacht 252 00:18:59.660 --> 00:19:04.040 und schlugen vor ein teach-in zu machen 253 00:19:04.040 --> 00:19:09.160 Gemeinsam, wo Künstler und Studentenbewegung zusammenfinden 254 00:19:09.160 --> 00:19:12.440 und gemeinsame Ziele formulieren sollen 255 00:19:12.440 --> 00:19:14.300 Wir haben natürlich zugestimmt 256 00:19:14.300 --> 00:19:19.320 Wir wussten ja nicht, was sie vor hatten. Das haben sie uns auch nicht gesagt 257 00:19:19.640 --> 00:19:24.360 Im Nachhinein finde ich es eh gut, aber damals waren wir vollkommen verblüfft 258 00:19:24.360 --> 00:19:29.060 weil wir die Schirmherrschaft hatten und auch die Vorträge hielten 259 00:19:33.420 --> 00:19:37.160 Ich war gleichzeitig an diesem 7. Juni 260 00:19:37.160 --> 00:19:39.540 daran merkt man, was damals auf der Uni los war 261 00:19:39.540 --> 00:19:42.980 war ich im Auditorium maximum bei einer Podiumsdiskussion 262 00:19:42.980 --> 00:19:47.360 wo alle Fraktionen der ÖH und die Kommune Wien eingeladen waren 263 00:19:47.360 --> 00:19:49.940 die eigentlich natürlich nicht in der ÖH war 264 00:19:49.940 --> 00:19:52.840 Ich war als Vertreter der Kommune Wien dort 265 00:19:52.840 --> 00:19:55.900 Wir haben diskutiert über Studienreformen 266 00:19:55.900 --> 00:20:00.060 Es war zum Brechen voll, auch das Audimax 267 00:20:00.060 --> 00:20:03.980 und es war der Hörsaal 1 im NIG auch voll 268 00:20:03.980 --> 00:20:06.480 Ich wusste nur, dass das dort stattfindet 269 00:20:06.480 --> 00:20:11.100 'Kunst und Revolution' - wusste aber nicht, was los war 270 00:20:11.100 --> 00:20:13.900 War also auch gar nicht dabei 271 00:20:13.900 --> 00:20:17.980 und wurde dann - nachher kamen Leute hereingelaufen und sagten 272 00:20:17.980 --> 00:20:22.280 "Komm rüber. Es ist der Bär los." und ich bin hinüber 273 00:20:22.280 --> 00:20:26.600 und bin dann nurmehr durch die Urinlachen gewatet (lacht) 274 00:20:26.600 --> 00:20:30.120 die dort waren. Der Hörsaal war nach wie vor voll 275 00:20:30.120 --> 00:20:33.960 Die Aktion von Brus war bereits beendet 276 00:20:33.960 --> 00:20:37.500 auch von Weibel - ich habe die noch gesehen 277 00:20:37.500 --> 00:20:39.680 Ich ging dann zum Mikrofon 278 00:20:39.680 --> 00:20:46.360 und habe gesagt: "Ich bin gegen diese Auffassung 279 00:20:48.460 --> 00:20:52.820 Das ist nicht unsere Kunstauffassung, 280 00:20:52.860 --> 00:20:56.200 aber ich natürlich dafür, dass sie gemacht werden darf" 281 00:20:56.200 --> 00:20:58.200 Diese typische Geschichte 282 00:20:58.200 --> 00:21:04.400 Das haben mir die Künstler aber nachgetragen und ich wurde zum Rektor zitiert 283 00:21:04.400 --> 00:21:11.180 und habe versucht, das Verbot des SÖS zu verhindern 284 00:21:11.180 --> 00:21:16.740 Was nicht ging, aber die haben dann die Radikal-sozialistische Union gegründet 285 00:21:16.740 --> 00:21:22.980 Das wurde mir oder uns lange von den Künstlern als Verrat 286 00:21:22.980 --> 00:21:27.860 inzwischen gab es schon Versöhnungen außer mit Wiener 287 00:21:27.860 --> 00:21:30.060 mit dem ist überhaupt nicht zu reden. 288 00:21:30.060 --> 00:21:33.020 Mit Mühl hatten wir gar nichts mehr zu tun 289 00:21:33.020 --> 00:21:36.620 weil der einen Weg ging, den niemand wollte 290 00:21:36.660 --> 00:21:39.940 Aber zum Beispiel mit Brus haben wir uns nachher sehr gut verstanden 291 00:21:39.940 --> 00:21:43.480 Er hat unsere Position und wir seine auch verstanden 292 00:21:43.480 --> 00:21:45.900 Da gab es nachher auch gute Gespräche 293 00:21:45.900 --> 00:21:48.900 Aber damals war es natürlich so, dass wir sagten 294 00:21:48.900 --> 00:21:50.740 das ist ohne unser Wissen 295 00:21:50.780 --> 00:21:54.020 und wir sind reingelegt worden 296 00:21:54.520 --> 00:21:59.440 Ich habe die Sprengkraft dieser Aktion eigentlich nicht verstanden damals 297 00:21:59.440 --> 00:22:03.820 Die haben auch schwer gezahlt dafür - mit Gefängnis 298 00:22:03.820 --> 00:22:09.840 Es war also keine angenehme Angelegenheit für sie 299 00:22:09.840 --> 00:22:15.240 und sind auch bis heute noch verletzt, was das anbelangt und noch ein wenig böse auf uns 300 00:22:15.240 --> 00:22:21.440 dass unsere Solidarität - wir haben zwar als Wiener im Gefängnis saß, schon Solidaritätsaktionen gemacht 301 00:22:21.440 --> 00:22:24.540 aber das war natürlich für ihn alles zu wenig 302 00:22:24.540 --> 00:22:32.240 Jedenfalls kam es da auch zum Bruch zwischen den Künstlern und uns 303 00:22:32.240 --> 00:22:41.020 Das hat vielleicht auch die immense ideologisierung der Studentenbewegung in Wien auch mit befördert 304 00:22:41.020 --> 00:22:43.840 Abgesehen davon, dass das ein europäischer Trend war 305 00:22:43.840 --> 00:22:50.640 Wir haben gesagt, wir wollen mit denen nicht mehr zu tun haben. Die haben gesagt, sie wollen mit uns nichts mehr zu tun haben 306 00:22:50.640 --> 00:22:53.980 Wir sind dann sozusagen auch kadermäßig unterwegs gewesen 307 00:22:59.280 --> 00:23:05.100 Die waren sehr gespalten - objektiv kann ich nicht viel sagen 308 00:23:05.100 --> 00:23:15.240 Sie haben damals - waren sie - Kollaborateure des Rektorats. So haben wir sie aufgefasst 309 00:23:15.240 --> 00:23:19.160 im Nachhinein gesehen, waren sie wahrscheinlich in sich sehr gespalten 310 00:23:19.160 --> 00:23:25.380 Einerseits haben sie sympathisiert und wollten Neuerungen. Anderseits haben sie sich gefürchtet 311 00:23:25.380 --> 00:23:35.680 Wie gesagt, die Mehrheit der ÖH war dominiert von sehr konservativen Leuten 312 00:23:35.680 --> 00:23:40.840 und einem starken RFS - Ring Freiheitlicher Studenten 313 00:23:40.840 --> 00:23:46.000 wobei wir das liberale Element damals gar nicht bemerkt haben 314 00:23:46.000 --> 00:23:52.460 Das es aber auch schon damals gab. Für uns waren das einfach Neo-Nazis - mehr oder weniger 315 00:23:57.300 --> 00:24:02.260 Sie waren, wie wir sagten, [unverst.] 316 00:24:02.260 --> 00:24:05.900 Sie waren keine Gewerkschafter, aber reine Interessensvertreter 317 00:24:05.900 --> 00:24:08.560 Wir wollten natürlich eine Politisierung der ÖH 318 00:24:08.560 --> 00:24:14.700 Das heißt, die ganze Welt und Probleme der Welt gehören auch auf die Uni 319 00:24:14.700 --> 00:24:21.580 und nicht nur Studiengebühren und Bildungsreformen im Kleinen 320 00:24:21.580 --> 00:24:28.340 Wir wollten, dass sie sich öffnen und das haben sie erst ganz langsam im Verlauf der 70er gemacht 321 00:24:28.360 --> 00:24:34.120 Ich glaube, da hat die Kreisky-Regierung mehr gemacht als damals die ÖH 322 00:24:39.340 --> 00:24:44.500 Gar nicht, das war ihnen gar nicht recht, wie ich schon sagte 323 00:24:44.500 --> 00:24:46.420 sie wollten keinen Luftzug 324 00:24:46.420 --> 00:24:50.540 Sie wollten nur schauen, dass sie ihren Schein bekommen und Schluss, aus, basta 325 00:24:50.540 --> 00:24:54.760 Man kann das ja verstehen 326 00:24:54.760 --> 00:24:57.720 wenn man kein politischer Mensch ist 327 00:24:57.720 --> 00:25:00.660 oder es war eine Ausbildungsstätte für sie 328 00:25:00.660 --> 00:25:04.640 Die wollten schauen, dass sie als Juristen rechtzeitig fertig werden 329 00:25:04.640 --> 00:25:07.200 Die Eltern haben Druck gemacht und so weiter 330 00:25:07.200 --> 00:25:12.440 Viele wollten sich nicht ablenken lassen 331 00:25:12.440 --> 00:25:15.140 In jeder Schule gab es ja auch immer Brave 332 00:25:15.140 --> 00:25:18.220 und Mitläufer der Braven 333 00:25:18.580 --> 00:25:22.900 Es ist ja heute immer eine Minderheit, 334 00:25:22.900 --> 00:25:25.320 die gegen den Stachel läuft (?) 335 00:25:25.320 --> 00:25:29.320 Ich will ihnen das gar nicht vorwerfen 336 00:25:29.320 --> 00:25:32.520 außerdem gab es sehr viele von diesen Studenten 337 00:25:32.520 --> 00:25:37.780 die 1968, '69 sich gar nicht bewegt haben, auch nicht in der ÖH 338 00:25:37.780 --> 00:25:41.780 die '73 und '74 ganz anders waren 339 00:25:41.780 --> 00:25:45.980 und die ÖH hat damals in den 70er Jahren eine sehr positive Rolle gespielt 340 00:25:45.980 --> 00:25:50.400 und Sachen vorangetrieben, auch was die Studienreformen anbelangt 341 00:25:50.400 --> 00:25:54.760 So kann man das jetzt nicht sagen. Es kam alles in Bewegung 342 00:25:54.760 --> 00:26:01.480 und manche sind voran gelaufen - auch mit Übertreibungen und Überspitzungen 343 00:26:01.480 --> 00:26:05.560 Andere sind später aufgewacht und waren dann vielleicht nachhaltiger 344 00:26:05.560 --> 00:26:07.840 Ich will das gar nicht werten 345 00:26:07.840 --> 00:26:14.360 Es war ein großer Prozess, der in den 70er Jahren das ganze Universitätsleben umgestaltet hat 346 00:26:14.360 --> 00:26:17.820 und eben die Welt mit hineingenommen hat 347 00:26:22.320 --> 00:26:29.360 Wir haben versucht - wie später in den K-Gruppen, wo es systematisert wurde, in die Betriebe zu gehen 348 00:26:29.360 --> 00:26:31.360 Die konnten mit uns gar nichts anfangen 349 00:26:31.360 --> 00:26:33.400 und wir im Grunde auch nicht mit ihnen 350 00:26:33.400 --> 00:26:35.400 Das war ein theoretischer Ansatz 351 00:26:35.400 --> 00:26:38.160 Auch aus Deutschland gekommen 352 00:26:38.160 --> 00:26:43.640 Dann haben natürlich einige versucht, das Studium aufzugeben und in die Betriebe zu gehen 353 00:26:43.640 --> 00:26:47.780 und dort politische Arbeit zu leisten. Das war aber auch später 354 00:26:47.780 --> 00:26:52.800 Wir haben diese Forderung "Arbeiter-Studenten-Solidarität" 355 00:26:52.800 --> 00:26:55.480 Wollten wir praktizieren 356 00:26:55.480 --> 00:27:03.220 und standen vor den Fabrikstoren, verteilten Flublätter und die Arbeiter hatten nicht das geringste Verständnis dafür 357 00:27:03.220 --> 00:27:06.600 Ein bisschen half uns dann der Pariser Mai 358 00:27:06.600 --> 00:27:15.500 denn da gab es zum ersten Mal auch eine Solidarität zwischen Arbeitern und Studenten - es ist eben dort gelungen 359 00:27:15.500 --> 00:27:19.340 Die Renault-Arbeiter haben alle mitgemacht 360 00:27:19.340 --> 00:27:23.040 Aber das war auf Österreich nicht zu übertragen 361 00:27:23.040 --> 00:27:27.220 Der [unverst.] war zwar dann auch einmal in Wien - soweit ich mich erinnere 362 00:27:27.220 --> 00:27:32.920 oder nein, nein - oder wir sind zum Konvent gepilgert nach Frankfurt 363 00:27:32.920 --> 00:27:36.980 und haben mit ihm auch diskutiert und er wollte uns Tipps geben 364 00:27:36.980 --> 00:27:42.880 wie das möglich war und bei uns rühren sich die Arbeiter nicht von der Stelle 365 00:27:42.880 --> 00:27:49.980 Aber das war dann halt so. Die französische Arbeiterklasse hat eine ganz andere Geschichte als die österreichische 366 00:27:49.980 --> 00:27:52.640 Das lässt sich durchaus erklären 367 00:27:52.640 --> 00:27:59.300 Wir waren auch nicht so prächtig aufgestellt wie die französischen Studenten 368 00:27:59.300 --> 00:28:04.160 Es gab viele Gründe, wieso das in Deutschland und Österreich nicht gelang 369 00:28:08.940 --> 00:28:14.260 Der Schiller-Kopf war immer ein Ärgernis 370 00:28:14.260 --> 00:28:19.520 weil er ein Beispiel für deutschnationale Umtriebe war 371 00:28:19.540 --> 00:28:24.820 Schiller wurde als deutscher Freiheitsdichter von den rechten vereinnahmt 372 00:28:24.820 --> 00:28:28.920 Es gab schon Unruhen um die Schillerfeier 373 00:28:28.920 --> 00:28:34.120 '59 also zum 200. Geburtstag 374 00:28:34.180 --> 00:28:38.940 Mit großen Demonstrationen und Rangeleien. War ich auch dabei 375 00:28:43.320 --> 00:28:50.760 Wir haben uns ununterbrochen in Privatwohnungen, in den sich bildenden Wohngemeinschaften 376 00:28:50.760 --> 00:28:55.860 Die sind ja damals auch gegründet worden - getroffen 377 00:28:55.860 --> 00:29:00.760 Es gab Kaffeehäuser, die ihre Räumlichkeiten zur Verfügung stellten 378 00:29:00.760 --> 00:29:05.340 für unsere teach-ins - wie das Café Hohenstauf zum Beispiel 379 00:29:08.680 --> 00:29:15.840 Also es war ein Aufeinander-Sitzen 380 00:29:15.840 --> 00:29:19.900 nicht nur ein Auseinandersetzen, sonder auch ein Aufeinander-Sitzen 381 00:29:19.900 --> 00:29:24.480 um also alle Fragen von "Ich und die Welt" 382 00:29:24.480 --> 00:29:30.320 durch zu diskutieren und nach Wegen zu suchen, diesen Planeten bewohnbar zu machen 383 00:29:30.320 --> 00:29:36.400 Aus der Tradition der Linken, aber mit einer Neuen Linken 384 00:29:36.400 --> 00:29:41.140 angefüttert vom theoretischen Überbau 385 00:29:41.140 --> 00:29:47.400 den wir über Adorno, Habermas damals bekamen 386 00:29:49.320 --> 00:29:54.380 Das hat auch in ganz Europa mittelfristig auch gefruchtet 387 00:29:54.380 --> 00:29:57.060 Es wurde dann auch sehr vieles verändert 388 00:29:57.060 --> 00:30:05.720 Es waren gleichsam mit '68 die ersten Anzeichen da, dass die Nachkriegszeit vorbei ist