WEBVTT 00:00:03.985 --> 00:00:09.565 Also ich komme aus Oberösterreich, in einem, ja, kleineren Ort, einer kleinen Ortschaft. 00:00:09.765 --> 00:00:17.566 Und ja, ich komme aus einer großen, größeren Familie. Also ich habe noch sechs Geschwister 00:00:17.766 --> 00:00:25.608 und ich bin die viertälteste, vor mir waren drei Brüder. Ja, und ich komme aus einer sehr katholischen Familie. 00:00:25.808 --> 00:00:31.847 Also ich bin- Meine Eltern waren sehr streng katholisch und ich habe eigentlich auch so 00:00:32.047 --> 00:00:36.900 in meiner Kindheit immer gemerkt, dass ich eigentlich irgendwie das gar nicht so- 00:00:37.100 --> 00:00:43.274 damit gar nicht so richtig umgehen kann. Also ich habe relativ schnell so in meiner Kindheit gemerkt, 00:00:43.474 --> 00:00:50.289 dass ich irgendwie eingeengt bin, oder so in Zwängen lebe, ich musste mich immer orientieren 00:00:50.489 --> 00:00:57.174 nach den Wünschen der Eltern. Und der Katholizismus war irgendwie auch sehr bigottisch, 00:00:57.374 --> 00:01:03.638 würde ich einmal sagen. Meine- vor allem meine Mutter hat sehr an so- an die Heiligen geglaubt 00:01:03.838 --> 00:01:09.344 und hat mich immer wieder auch verglichen. Ich war ja die erste- das erste Mädchen nach drei Burschen 00:01:09.544 --> 00:01:13.870 und sie hatte große Erwartungen an mich. Und sie wollte eigentlich auch gleich, 00:01:14.070 --> 00:01:19.551 dass ich eine Nonne werde. Also ihr Wunsch war, dass ich einmal eine Nonne werde 00:01:19.751 --> 00:01:27.060 und das war für mich überhaupt furchtbar. Weil ich wollte überhaupt nichts damit zu tun haben. 00:01:27.260 --> 00:01:33.838 Und dann hat sie mir auch noch irgendwann einmal verraten, dass sie mich Bonaventura nennen wollte. 00:01:34.038 --> 00:01:40.234 Und gottseidank hat mein Vater dagegen gestimmt und hat mich dann Maria genannt, 00:01:40.434 --> 00:01:46.198 also das ist auch sehr katholisch im Grunde genommen, aber jetzt im Nachhinein bin ich froh. 00:01:46.398 --> 00:01:55.617 Ja, also es war schon sehr- Ich habe mich sehr eng gefühlt. Erstens einmal auch in dieser 00:01:55.817 --> 00:02:02.155 ländlichen Ortschaft und habe immer gespürt, ich muss da weg. Also das war schon ständig 00:02:02.355 --> 00:02:07.635 in mir drinnen, dass ich eigentlich weggehen muss aus diese Enge, aus diesem dörflichen Leben, 00:02:07.835 --> 00:02:13.477 wo man eigentlich gerade als Frau wenig Spielraum hat, oder auch Möglichkeiten hat. 00:02:13.677 --> 00:02:19.544 Ich sage auch immer eigentlich, dass mich der Katholizismus zum Feminismus gebracht hat. 00:02:19.744 --> 00:02:26.869 Weil ich eben so aus diesem Kampf heraus- heraus aus dieser Enge und vor allem heraus aus 00:02:27.069 --> 00:02:35.578 dieser Opferrolle. Also der Katholizismus hat ja den Frauen immer so eine Opferrolle - zugeschnitt- 00:02:35.778 --> 00:02:41.732 wie soll man sagen? die Frauen in diese Opferrolle gedrängt auch. 00:02:41.932 --> 00:02:47.336 Also wir müssen sozusagen uns anpassen und dürfen uns auf gar keinen Fall da irgendwie 00:02:47.536 --> 00:02:54.340 aufbegehren und Rechte einfordern. Und dann kam natürlich auch diese Doppelmoral dazu. 00:02:54.540 --> 00:03:01.327 Also als Frau ist man- Also Sexualität war überhaupt ganz ein großes Tabu, durfte man 00:03:01.527 --> 00:03:08.675 überhaupt nicht darüber reden. Und Frau-Sein war überhaupt so- also ja, traditionell zugeschnitten. 00:03:08.875 --> 00:03:15.112 Und dann kam natürlich noch dazu, dass ich natürlich auch sehr traditionell erzogen worden bin. 00:03:15.312 --> 00:03:23.428 Meine Brüder, die durften alles tun, die hatten ihre Freiheiten und Freizeitmöglichkeiten, 00:03:23.628 --> 00:03:28.646 gerade samstags habe ich immer gemerkt, meine Brüder konnten mit den Mopeds herumfahren 00:03:28.846 --> 00:03:35.709 und ich musste den Haushalt machen. Und das war schon für mich so diese innere Rebellion, 00:03:35.909 --> 00:03:40.336 dass ich gesagt habe, nein, das will ich ehrlich gesagt nicht. Und ich kann mich noch erinnern, 00:03:40.536 --> 00:03:45.761 meine Brüder haben dann immer am Wochenende gesagt, zu mir, „Kannst du mir nicht das Moped putzen?“ 00:03:45.961 --> 00:03:50.575 „Kannst du mir nicht die Haare waschen?“, „Kannst du mir nicht das Auto putzen?“und solche Dinge, ja. 00:03:50.775 --> 00:03:58.508 Sie haben mir zwar als Gegenleistung immer wieder auch angeboten, dass sie mich ins Kino mitnehmen 00:03:58.708 --> 00:04:05.738 aber für mich war das einfach unmöglich, ja. Ich hab immer irgendwie gedacht, das ist eigentlich 00:04:05.938 --> 00:04:13.106 schon arg. Und ich habe auch relativ früh gespürt, dass ich in diese Rolle- dass mir das nicht passt 00:04:13.306 --> 00:04:18.555 und dass ich mehr Freiheiten haben möchte und auch irgendwo gleichgestellt sein möchte. 00:04:18.755 --> 00:04:24.355 Und das war dann- hab oft gestritten auch mit meinen Eltern und mit meiner Mutter, 00:04:24.555 --> 00:04:32.270 warum sie uns so ungleich erzieht und warum, ja, die einen so viele Möglichkeiten haben 00:04:32.470 --> 00:04:40.203 und die Mädchen- oder als Frau eigentlich keine. Ja. Also das war so- Ich habe einfach gemerkt 00:04:40.403 --> 00:04:48.729 ich muss da weg. Bin dann auch relativ früh weg. Ich bin mit vierzehn von zuhause ausgezogen, 00:04:48.929 --> 00:04:55.645 bin nach Salzburg gegangen. Und das muss ich schon wiederum meiner Mutter verdanken, 00:04:55.845 --> 00:05:03.969 weil sie hat- sie wollte wirklich, dass alle Kinder etwas lernen, das war schon ihr Bestreben. 00:05:04.169 --> 00:05:11.436 Weil sie selber das nicht konnte. Sie wollte immer als Kind auch Krankenschwester werden, 00:05:11.636 --> 00:05:19.700 aber das war ihr- also das war ihr nicht möglich. Und daher hat sie gemeint, nein, wenigstens die Kinder, 00:05:19.900 --> 00:05:26.570 wenn ich selber nicht kann. Und sie hat das gefördert und ich konnte mit vierzehn dann nach Salzburg 00:05:26.770 --> 00:05:36.025 gehen. Das war zwar auch eine Caritas-Schule. Also es gab so eine Sozialfachschule in Salzburg. 00:05:36.225 --> 00:05:42.219 Statt dem polytechnischen Lehrgang konnte man diese Schule besuchen. 00:05:42.419 --> 00:05:47.002 Und ich habe diese Möglichkeit dann wahrgenommen und war sehr, sehr froh, dass ich 00:05:47.202 --> 00:05:54.728 weg war und weg konnte und war auch überhaupt- Also ich hatte wenig Heimweh, sondern ich war 00:05:54.928 --> 00:06:00.472 so froh, endlich in die Welt hinaus und jetzt habe ich Möglichkeiten mehr zu lernen und 00:06:00.672 --> 00:06:06.873 andere Leute kennenzulernen und vor allem einfach auch mit sozial zu betätigen. 00:06:07.073 --> 00:06:14.274 Das war so immer mein- ein Wunsch, ein soziales Engagement zu haben und mich für andere 00:06:14.474 --> 00:06:18.476 Menschen einzusetzen. Das war die Möglichkeit durch diese Schule. 00:06:18.676 --> 00:06:27.636 Ja, das war schon einmal sehr gut, weil mein Vater hatte immer die Ansicht, 00:06:27.836 --> 00:06:34.093 „Nein, Frauen müssen sowieso nichts lernen, die heiraten ja eh.“ Das war schon seine Ansicht 00:06:34.293 --> 00:06:39.361 und der hätte uns nicht gefördert, vor allem uns Mädchen. Es sind dann noch zwei 00:06:39.561 --> 00:06:46.113 Schwestern gekommen und ja. Die hatten es zwar schon ein bisschen leichter als ich, 00:06:46.313 --> 00:06:54.273 weil ich schon ein bisschen vorgekämpft habe und einiges für sie da irgendwie errungen habe, 00:06:54.473 --> 00:06:59.473 aber im Grunde genommen war es schon auch ein Kampf 00:06:59.673 --> 00:07:04.656 und ein Ringen um meine Freiheiten und meine Möglichkeiten. 00:07:10.939 --> 00:07:20.384 Ich habe gerne eigentlich schon- oder relativ früh angefangen mit vielen Menschen zu diskutieren, 00:07:20.584 --> 00:07:26.008 also diskutieren, so einfach auch mich auseinanderzusetzen mit vielen 00:07:26.208 --> 00:07:35.704 gesellschaftspolitischen Themen. Und bin dann auch oft ziemlich angeeckt mit meinen Ansichten, 00:07:35.904 --> 00:07:41.680 weil ich doch zu damaligen Zeiten oft schon sehr progressive Ansichten hatte, vor allem, 00:07:41.880 --> 00:07:47.497 was Frauen anbelangt. Ich habe das überhaupt nie verstanden, warum Frauen eben so traditionell- 00:07:47.697 --> 00:07:55.392 eine so traditionelle Rolle einnehmen müssen. Und das war natürlich damals in der Caritas-Schule 00:07:55.592 --> 00:08:02.084 auch nicht unbedingt so beliebt, weil damals die Caritas-Schule, das war einfach eine auch sehr 00:08:02.284 --> 00:08:09.528 katholische und nicht unbedingt eine sehr progressive Schule. Aber immerhin, 00:08:09.728 --> 00:08:16.435 sie haben die Mädchen unterstützt und die jungen Frauen unterstützt auf ihrem Lebensweg 00:08:16.635 --> 00:08:20.663 und ich glaube, ich habe trotzdem sehr viel mitgenommen und viel gelernt. 00:08:20.863 --> 00:08:27.367 Ich kann mich erinnern, da war so ein Lehrer auch drinnen, der hat eigentlich auch sehr, sehr 00:08:27.567 --> 00:08:35.326 offene Ansichten gehabt und hat sich auch mit Frauenpolitik irgendwie schon einmal befasst 00:08:35.526 --> 00:08:44.615 und hat immer auch, ja- Ich kann mich erinnern, mit ihm konnte ich auch viele Themen diskutieren 00:08:44.815 --> 00:08:51.761 ohne dass ich sofort irgendwie zurückgewiesen wurde, sondern so im Ansatz habe ich gemerkt, 00:08:51.961 --> 00:08:58.041 der ist nicht unbedingt gegen Frauenemanzipation oder so. 00:08:58.241 --> 00:09:02.810 Damals habe ich das noch gar nicht so gewusst. Emanzipation, das war irgendwie noch kein 00:09:03.010 --> 00:09:09.348 so ein Begriff. Aber eben dieses Streben nach mehr, das war schon sehr tief in mir drinnen. 00:09:09.548 --> 00:09:21.494 Ja, und dann- Meine Mutter wollte natürlich, dass ich dann wieder zurückkomme und nicht wieder- 00:09:21.694 --> 00:09:29.165 oder nicht in Salzburg bleibe. Ich bin dann zwar nach Salzburg [Oberösterreich] zurückgegangen 00:09:29.365 --> 00:09:39.178 und habe aber in Linz, in einem Krankenhaus gearbeitet, damals noch ohne Ausbildung 00:09:39.378 --> 00:09:46.994 und wollte auf gar keinen Fall zurück nach Oberösterreich zu meinen Eltern, sondern ich wollte 00:09:47.194 --> 00:09:57.864 unbedingt sofort arbeiten. Ja, und dann wollte ich die externe Matura machen in Linz, 00:09:58.064 --> 00:10:04.666 da gab es so eine Externisten-Prüfung oder Möglichkeit die Externisten-Prüfung zu machen, 00:10:04.866 --> 00:10:14.046 um eben dann Sozialarbeit zu studieren. Das ist mir nicht gelungen, weil ich irgendwie meine 00:10:14.246 --> 00:10:22.515 ganze Zeit mehr in die Arbeit investiert habe, als ins Lernen. Aber es war trotzdem sehr spannend. 00:10:22.715 --> 00:10:27.102 Ich habe halt Mathematik nicht geschafft. Ich kann mich noch erinnern, das war irgendwie 00:10:27.302 --> 00:10:32.066 so eine große Hürde auch für mich. Ja, dann habe ich mir gedacht, es ist eh egal, 00:10:32.266 --> 00:10:41.619 dann gehe ich jetzt nach Linz nach Wien. Und weil in Wien gab es die Möglichkeit 00:10:41.819 --> 00:10:50.849 von dieser dreijährigen - also diese Sozialfachschule konnte man in Wien erweitern und ich habe 00:10:51.049 --> 00:10:54.758 da meine Mutter angebettelt und habe gesagt, ich würde gerne nach Wien gehen. 00:10:54.958 --> 00:11:01.102 Habe sie natürlich total schockiert, weil das wollte sie überhaupt nicht, dass ich dann von Linz 00:11:01.302 --> 00:11:11.376 dann noch nach Wien ziehe und sie hat dann letztendlich doch zugestimmt und ich konnte dann 00:11:11.576 --> 00:11:18.289 von Linz nach Wien gehen und habe dann noch zwei Jahre von dieser Sozialfachschule in Wien gemacht. 00:11:18.489 --> 00:11:26.207 Und da hatte ich auch die Möglichkeit in viele Einrichtungen hineinzuschnuppern. 00:11:26.407 --> 00:11:34.625 Krankenhäuser, Organisationen, die sich mit Menschen mit Behinderungen auseinandersetzen 00:11:34.825 --> 00:11:39.301 und sehr, sehr viele verschiedene Organisationen habe ich kennengelernt. 00:11:39.501 --> 00:11:48.333 Und das war eigentlich auch so die Basis für meinen zukünftigen Weg. 00:11:52.624 --> 00:11:58.154 Gut, Wien war dann überhaupt ausgesprochen interessant und spannend, weil ich- 00:11:58.354 --> 00:12:06.701 Diese Schule in Wien war so aufgebaut, dass man in einer Familie lebt, gelebt hat und 00:12:06.901 --> 00:12:13.885 dort auch mitgeholfen hat und gearbeitet hat. Und nebenbei- beziehungsweise vormittags 00:12:14.085 --> 00:12:19.212 war man in der Familie und nachmittags ist man in die Schule gegangen, oder man hat 00:12:19.412 --> 00:12:31.647 ein Praktikum irgendwo gemacht. Und ich bin in eine sehr interessante Familie gekommen, 00:12:31.847 --> 00:12:31.847 ich bin in eine Künstlerfamilie gekommen. Die Frau war Künstlerin, Malerin und die hat mir 00:12:32.047 --> 00:12:36.757 schon von Anfang an so imponiert, sie war so eine interessante Frau, die- 00:12:36.957 --> 00:12:44.772 Ich mein, die Bilder selber haben mir nicht so gut gefallen, aber so wie sie gelebt hat, 00:12:44.972 --> 00:12:54.459 also irgendwie so unabhängig und so, ja, so cool und so. Ja, ich habe das Gefühl gehabt, 00:12:54.659 --> 00:12:59.846 sie schert sich um keine Konventionen und sie macht halt das, was ihr Spaß macht. 00:13:00.046 --> 00:13:07.139 Ich war dort in der Familie, weil sie hatte ein behindertes Kind, ein spastisches Kind 00:13:07.339 --> 00:13:13.270 und ich musste dieses Kind betreuen. Und habe da aber auch sehr, sehr viel gelernt eigentlich, 00:13:13.470 --> 00:13:19.984 im Umgang mit einem so schwer kranken Kind. Das hat schon auch sehr viel auch meine 00:13:20.184 --> 00:13:28.201 Kräfte in Anspruch genommen. Ich habe- Ich musste täglich mit dem Kind Übungen machen, 00:13:28.401 --> 00:13:35.135 sodass das Kind ein bisschen lockerer wird, weil diese Kind war permanent angespannt. 00:13:35.335 --> 00:13:41.343 Und ich war beim Essen- das war sehr, sehr anstrengend, weil das Kind immer so an der 00:13:41.543 --> 00:13:49.796 Grenze war zwischen Ersticken und ja- Also das war sehr, sehr anstrengend. Ja. 00:13:49.996 --> 00:13:54.228 Aber es war auch sehr interessant und ich habe die Arbeit eigentlich auch sehr gerne gemacht 00:13:54.428 --> 00:13:58.910 und es hat mir eigentlich gut gefallen. Und das Schöne war auch, ich habe dann einfach 00:13:59.110 --> 00:14:07.015 viele Leute kennengelernt. Diese Künstlerin mit ihrem Mann, die hat am Abend immer große Feste 00:14:07.215 --> 00:14:14.835 - also nicht immer, nicht jeden Tag, aber sehr oft so große Essen organisiert 00:14:15.035 --> 00:14:20.027 und dann sind lauter Journalistinnen und Journalisten gekommen und so Prominente, 00:14:20.227 --> 00:14:24.325 die ich vorher nur vom Fernsehen gekannt habe. Aber es war einfach so spannend. 00:14:24.525 --> 00:14:29.675 Das war eine neue Welt für mich. Und ich bin dann auch sehr, sehr viel damals dann, zum Anfang, 00:14:29.875 --> 00:14:35.037 ins Theater gegangen und habe Wien kennengelernt, so von so vielen Seiten. 00:14:35.237 --> 00:14:45.313 Eine sehr aufregende Zeit. Ja und dann, was auch noch sehr prägend für mich war: 00:14:45.513 --> 00:14:54.830 Ich war relativ schnell- habe mir auch in den Ferien immer so Ferialjobs gesucht, bin dann 00:14:55.030 --> 00:15:07.062 das war in den 80er Jahren - beziehungsweise 1978 war das – und da bin ich dann- 00:15:07.262 --> 00:15:16.503 habe ich mir ein Praktikum auf der Psychiatrie in Gugging ausgesucht. Und das war ja damals 00:15:16.703 --> 00:15:25.944 noch die geschlossene Psychiatrie. Diese Reformation der Psychiatrie, 00:15:26.144 --> 00:15:32.725 das ist ja dann in den 80er Jahren gekommen. Und ich habe im Kinder-Pavillon gearbeitet, 00:15:32.925 --> 00:15:39.435 in Gugging auf der Psychiatrie und das war für mich auch irgendwie ein sehr ein Schock-Erlebnis, 00:15:39.635 --> 00:15:46.725 weil ich überhaupt nicht verstanden habe, wie man mit so psychiatrisch kranken Kindern 00:15:46.925 --> 00:15:52.530 eigentlich umgeht. Es gab da damals kein Spielzeug für diese Kinder, 00:15:52.730 --> 00:16:08.670 die sind einfach dahin vegetiert tagtäglich. Und ich wollte damals mehr unternehmen mit den Kindern. 00:16:08.870 --> 00:16:14.097 Erstens habe ich dann Spielzeug mitgenommen und das wurde mir aber verboten, 00:16:14.297 --> 00:16:19.312 Spielzeug mitzunehmen, das durfte ich gar nicht. Aber ich habe es dann durchgesetzt 00:16:19.512 --> 00:16:23.878 und habe gesagt, ich möchte zumindest mit den Kindern so Brettspiele machen, 00:16:24.078 --> 00:16:28.602 oder ich möchte einfach mehr Ausflüge machen mit den Kindern, weil ich das nicht ertrage, 00:16:28.802 --> 00:16:36.221 wenn Kinder so überhaupt nicht- wenn nichts gemacht wird den ganzen Tag. 00:16:36.421 --> 00:16:41.458 Und dann hatte ich eine Schwester, die mich dann doch sehr unterstützt hat 00:16:41.658 --> 00:16:47.892 und dann durfte ich einiges machen. Aber da habe ich so gemerkt, wenn mir etwas ein Anliegen ist, 00:16:48.092 --> 00:16:54.178 dass ich das dann auch wirklich umsetzen kann. Also das war schon auch so ein kleiner Erfolg. 00:16:54.378 --> 00:17:03.374 Und ja- Und dann bin ich auch noch in der Psychiatrie, da gab es diese Abteilung, 00:17:03.574 --> 00:17:15.412 die hat der Herr Doktor Navratil hat die gemacht, eine Kunstabteilung  und hat mit den 00:17:15.612 --> 00:17:20.902 psychiatrisch kranken Männern – und zwar nur mit den Männern – gearbeitet und 00:17:21.102 --> 00:17:31.632 hat Bilder gemalt - also die Patienten konnten malen und er hat das sehr gefördert. 00:17:31.832 --> 00:17:38.170 Diese Männer wurden dann auch sehr berühmt. Also Navratil und seine Truppe, 00:17:38.370 --> 00:17:42.472 die waren dann ja sehr berühmt. Und das war auch spannend. Aber ich habe dann einmal zu ihm 00:17:42.672 --> 00:17:47.695 gesagt, „Ja, warum nur die Männer? Warum gibt es nicht irgendwie eine Abteilung für Frauen? 00:17:47.895 --> 00:17:55.066 Ich denke mir, die sind ja auch genauso kreativ!“ – „Naja, die Frauen, die können das alles nicht und das ist ..." 00:17:55.266 --> 00:17:59.577 Ja, er hat überhaupt nicht verstanden, warum ich überhaupt diese Frage stelle. 00:18:04.892 --> 00:18:10.354 das hab ich irgendwie mit der Zeit so auch entdeckt. Da war ich nicht irgendwie frauenpolitisch engagiert, 00:18:10.554 --> 00:18:16.747 oder ich war auch in keiner Frauengruppe. Aber ich habe einfach immer wieder gemerkt, 00:18:16.947 --> 00:18:25.684 dass es eigentlich- dass Frauen oft keinen Zugang haben zu Dingen, wo Männer eben von vornherein 00:18:25.884 --> 00:18:28.449 unterstützt werden – sogar in der Psychiatrie. 00:18:28.649 --> 00:18:33.714 Und das hat mich schon irgendwie auch zum Nachdenken gebracht. 00:18:38.738 --> 00:18:42.476 Und dann, ja, dann war diese Schule vorbei und dann war so die Frage, was mache 00:18:42.676 --> 00:18:46.972 ich denn eigentlich jetzt nach dieser dreijährigen Ausbildung? 00:18:47.172 --> 00:18:52.935 Und es war noch immer so der Wunsch in mir, ich möchte gerne eine Sozialakademie machen, 00:18:53.135 --> 00:18:58.558 ich möchte die Sozialfachschule machen und damals hat es noch Sozialakademie geheißen. 00:18:58.758 --> 00:19:08.549 Ich habe dann versucht in St. Pölten die Akademie zu machen. Ich wurde damals 00:19:08.749 --> 00:19:20.297 bei der Aufnahmsprüfung zwar sehr gelobt - Vor allem auch - da musste man so einen Aufsatz 00:19:20.497 --> 00:19:26.659 schreiben über soziale Themen und so. Und dieser Aufsatz wurde sehr gelobt 00:19:26.859 --> 00:19:32.352 und sie haben das alles ganz, ganz toll gefunden, aber letztendlich haben sie mich nicht genommen. 00:19:32.552 --> 00:19:39.088 Und dann habe ich mir gedacht, okay, auch wenn ich jetzt nicht die Sozialakademie mache 00:19:39.288 --> 00:19:43.862 und auch nicht hineinkomme, dann will ich zumindest in Wien bleiben. 00:19:44.062 --> 00:19:47.765 Und ich habe mich dann bei der Familienhelfer_innen-Schule angemeldet. 00:19:47.965 --> 00:19:54.997 Das war damals auch von der Caritas Socialis und habe dann die Familienhelfer_innen-Ausbildung gemacht. 00:19:55.197 --> 00:20:00.832 Das war auch sehr spannend, weil ich in sehr- in sehr viele Familien hinein gekommen bin 00:20:01.032 --> 00:20:08.076 und viel gelernt habe, wie es in den Familien zugeht, welche sozialen Probleme es gibt. 00:20:08.276 --> 00:20:15.151 Und es waren ja hauptsächlich eher prekäre Familienverhältnisse, ich habe auch viel 00:20:15.351 --> 00:20:22.815 mit migrantischen Familien gearbeitet und war einfach- Ja, ich kann mich erinnern, dass 00:20:23.015 --> 00:20:28.644 war auch sehr interessant. Aber den Beruf selber wollte ich eigentlich auch nicht wirklich ausüben, 00:20:28.844 --> 00:20:35.318 Ich habe gemerkt, dass es einfach sehr schwierig ist sich immer wieder auf neue Familienverhältnisse 00:20:35.518 --> 00:20:45.087 einzustellen. Und das war zwar so für mich so eine Brücke, um in Wien zu bleiben- 00:20:45.287 --> 00:20:50.648 und in Wien leben zu können, weil ich habe mir gedacht, Wien ist einfach die Stadt, 00:20:50.848 --> 00:21:01.477 wo ich leben will und leben möchte. Ja. Und dann, nach der Familienhelfer_innen-Schule, 00:21:01.677 --> 00:21:07.852 nach der Ausbildung, habe ich dann einen Job bekommen in Lanzendorf. 00:21:08.052 --> 00:21:14.842 Das war eine Einrichtung für Menschen mit Behinderungen, vor allem für Frauen. 00:21:15.042 --> 00:21:24.504 Und dort habe ich dann als Sozialpädagogin begonnen, beziehungsweise ich habe dann die 00:21:24.704 --> 00:21:37.785 ich war dann die erste, die in der Ausbildung für Behindertenpädagog_innen teilnehmen konnte. 00:21:37.985 --> 00:21:44.625 Und habe diese Ausbildung dann auch gemacht. Und dort habe ich schon 00:21:44.825 --> 00:21:52.261 Dort habe ich dann Frauen kennengelernt, die in feministischen Gruppen waren, ja. 00:21:52.461 --> 00:21:57.123 Ich kann mich erinnern eine Kollegin, die ist mir gleich am Anfang aufgefallen dort, 00:21:57.323 --> 00:22:03.116 die war da so engagiert. Und die hat mich immer mitgenommen und die hat eben eine 00:22:03.316 --> 00:22:10.968 Frauen-Gruppe gehabt in Wien und dort habe ich mich dann viel auch mit Frauenthemen 00:22:11.168 --> 00:22:20.624 und Frauenpolitik und Feminismus auseinandergesetzt. Ja, das war dann so mein erster 00:22:20.824 --> 00:22:27.846 Einstieg in diese Szene. Ich habe dann aber schon sehr schnell auch gemerkt, dass es eigentlich 00:22:28.046 --> 00:22:35.840 dass auch die Frauen dort sehr- untereinander sehr konkurrieren, so, ja, „Wer ist die Bessere? 00:22:36.040 --> 00:22:45.788 Und wer hat die-?“ Oder, „Wer ist die Meinungsbildnerin?“ Ja, und ich habe gemerkt, 00:22:45.988 --> 00:22:54.023 ziemlich viel Konkurrenz auch untereinander. Ja, das war so- waren so meine ersten 00:22:54.223 --> 00:23:00.262 Begegnungen mit Feministinnen. Ich kann mich erinnern, damals haben wir noch alle 00:23:00.462 --> 00:23:08.081 so Latzhosen getragen. Und ja, gestrickt wurde damals auch noch überall. 00:23:08.281 --> 00:23:14.687 Also wenn wir so zusammengesessen sind, dann habe wir alle irgendwie unser Strickzeug 00:23:14.887 --> 00:23:22.097 mitgenommen und haben uns, ja, auseinandergesetzt. 00:23:22.297 --> 00:23:32.030 „Stricken und kämpfen“ war so das Motto. Ja, war eine sehr, sehr spannende Zeit. 00:23:37.545 --> 00:23:43.761 Dort, in dieser Einrichtung, da war ich, glaube ich, drei Jahre habe ich dort gearbeitet 00:23:43.961 --> 00:23:49.835 als Behindertenpädagogin. Und in der Ausbildung selber habe ich schon gemerkt, 00:23:50.035 --> 00:23:58.197 dass es eigentlich wenig Möglichkeiten für Frauen mit Behinderungen gibt 00:23:58.397 --> 00:24:07.104 aus einem Heim herauszukommen. Dort war es ja auch eigentlich so, dass viele Frauen 00:24:07.304 --> 00:24:15.495 nur dahinvegetiert sind und kaum Möglichkeiten hatten hier ein selbstbestimmteres Leben, 00:24:15.695 --> 00:24:20.882 zu leben. Und ich habe damals auch Praktika gemacht bei anderen Einrichtungen, 00:24:21.082 --> 00:24:26.254 wie zum Beispiel bei Jugend am Werk oder bei der Lebenshilfe. Und die hatten damals schon 00:24:26.454 --> 00:24:30.363 so kleine Wohngemeinschaften, ja. Und ich habe mir gedacht, das sollte es 00:24:30.563 --> 00:24:38.936 eigentlich viel mehr geben, auch für Frauen. Und diese Wohngemeinschaften 00:24:39.136 --> 00:24:44.757 von Lebenshilfe und von Jugend am Werk, das waren alles gemischte Gemeinschaften. 00:24:44.957 --> 00:24:50.000 Und ich habe mir gedacht, ich gründe eine Frauen-Wohngemeinschaft, nur für Frauen. 00:24:50.200 --> 00:24:55.729 Und ich habe dann damals mit der damaligen Chefin gesprochen und habe gesagt, 00:24:55.929 --> 00:25:01.509 wie wäre denn das, wenn wir sozusagen auch eine Wohngemeinschaft gründen, aber nur für Frauen? 00:25:01.709 --> 00:25:06.624 Und sie war eigentlich nicht abgeneigt. Sie hat mir vor allem am Anfang sehr unterstützt 00:25:06.824 --> 00:25:12.723 und hat gemeint, ja, das ist eigentlich eine gute Idee, das wäre sicher auch für einige Frauen 00:25:12.923 --> 00:25:18.362 ganz gut, vor allem für Frauen, die eventuell noch eine Chance hätten einen Job zu finden 00:25:18.562 --> 00:25:24.680 und da vielleicht auch in den Arbeitsmarkt integriert werden könnten. Ja, und dann habe ich 00:25:24.880 --> 00:25:32.569 20. Bezirk. 00:25:32.769 --> 00:25:41.169 Und ich konnte mir auch die Kolleginnen aussuchen, wer mit mir mitgeht und habe dann 00:25:41.369 --> 00:25:46.279 die erste Frauenwohngemeinschaft für Frauen mit Behinderungen gegründet. 00:25:46.479 --> 00:25:53.080 Das war damals schon irgendwie etwas Neues, weil - Da sind dann die Kollegen und Kolleginnen 00:25:53.280 --> 00:25:57.131 von Jugend am Werk zu mir gekommen und haben sich die Wohngemeinschaft angeschaut 00:25:57.331 --> 00:26:00.263 und haben aber gesagt, „Naja, warum machst du das nicht gemischt? 00:26:00.463 --> 00:26:04.429 Und warum nur für Frauen?“ Und ich habe immer wieder gesagt, „Naja, ich glaube, 00:26:04.629 --> 00:26:12.012 es ist wichtig für die Entwicklung der Frauen, die- einmal alleine zu schauen: 00:26:12.212 --> 00:26:19.180 wie funktioniert das und wie können sie sich auch unabhängig von Männern da stärken.“ 00:26:19.380 --> 00:26:25.821 Und außerdem waren diese Frauen es ja auch gar nicht gewohnt alleine- also nicht in einer 00:26:26.021 --> 00:26:34.426 gemischten Gruppe zu sein. Eigentlich war das so mein erstes Projekt, so ein Frauenprojekt. 00:26:34.626 --> 00:26:41.223 Und ich habe mich da sehr eingesetzt für diese Frauen, habe eben geschaut: 00:26:41.423 --> 00:26:47.013 Welche Möglichkeiten haben sie? Gibt es eine Möglichkeit einen Job zu finden oder 00:26:47.213 --> 00:26:54.167 vielleicht sogar eine Ausbildung zu machen? Ich bin dann oft auch an meine Grenzen gestoßen, 00:26:54.367 --> 00:27:02.294 weil viele gesagt haben, „Nein, das ist absolut nicht möglich Frauen zu integrieren.“ 00:27:02.494 --> 00:27:11.697 Aber ich habe es geschafft eigentlich, dass insgesamt zehn Frauen einen Job gefunden haben, 00:27:11.897 --> 00:27:17.415 hauptsächlich zwar im Gastgewerbe oder in Hotels, also als Zimmermädchen, 00:27:17.615 --> 00:27:24.264 oder eben im Gastgewerbe. Und ich musste halt immer wieder schauen, dass diese Frauen 00:27:24.464 --> 00:27:29.693 nicht ausgenutzt werden. Das war schnell dieser Trend, „Das sind ja Frauen mit Behinderungen 00:27:29.893 --> 00:27:36.912 die kann man ja auch am Wochenende einsetzen, oft auch unentgeltlich irgendwo einsetzen.“ 00:27:42.931 --> 00:27:50.659 Dann war auch eine eine traurige Geschichte, dass eine Frau die hat in einem Hotel gearbeitet 00:27:50.859 --> 00:27:56.115 als Zimmermädchen, die ist dann von einem Gast vergewaltigt worden. 00:27:56.315 --> 00:28:08.241 Und da war so für mich diese Auseinandersetzung: Soll man etwas tun? Inwieweit gäbe es da 00:28:08.441 --> 00:28:16.561 eine Möglichkeit, dass sie eben vielleicht eine Anzeige erstattet? Sie hatte einen Sachwalter 00:28:16.761 --> 00:28:22.448 und der Sachwalter, mit dem musste ich natürlich immer wieder auch Dinge absprechen, 00:28:22.648 --> 00:28:32.740 weil sie hatte keine Familie. Und damals- ja, war es auch irgendwie- Ich wusste auch noch gar nicht, 00:28:32.940 --> 00:28:37.216 ob das irgendwie gut ist und welche Möglichkeiten sie hat und vor allem 00:28:37.416 --> 00:28:43.651 Sie konnte sich zwar noch erinnern an den Gast, aber der war dann nicht mehr da 00:28:43.851 --> 00:28:49.616 und dann war es auch so die Frage: Wie soll man da jetzt eine Anzeige machen 00:28:49.816 --> 00:28:56.665 und hat das wirklich auch Erfolg? Da habe ich lange Zeit überlegt. Ist das gut für sie? 00:28:56.865 --> 00:29:00.922 Hat sie überhaupt eine Chance? Und so weiter. Und ich habe viel mit ihr gesprochen und sie hat 00:29:01.122 --> 00:29:05.109 dann immer wieder gesagt, nein, es wäre ihr lieber keine Anzeige zu machen 00:29:05.309 --> 00:29:08.989 und es wäre ihr lieber- sie möchte das ganze abschließen und sie möchte eigentlich 00:29:09.189 --> 00:29:14.630 nicht mehr darüber reden. Und ich habe ihr dann angeboten, sie kann immer wieder zu mir kommen 00:29:14.830 --> 00:29:21.742 wenn sie damit nicht zurechtkommt, dann schauen wir, dass wir eine Unterstützung bekommen. 00:29:21.942 --> 00:29:28.761 Ja, das war schon auch für mich so die erste so Herausforderung auch in dem Bereich. 00:29:28.961 --> 00:29:35.499 Wie unterstützt man Frauen mit Behinderungen, die Gewalt erleben. Ja, so Übergriffe. 00:29:35.699 --> 00:29:44.843 Und dann eine zweite Frau, die ist dann leider  in der Prostitution gelandet. 00:29:45.043 --> 00:29:54.335 Das war auch für mich sehr, sehr schwierig, ja damit umzugehen. Und auch dass ich diese Frau 00:29:54.535 --> 00:29:57.949 verloren habe. Also da habe ich mir immer wieder Vorwürfe gemacht und habe mir gedacht, 00:29:58.149 --> 00:30:02.664 „Was habe ich denn falsch gemacht? Was ist mit ihr passiert? Und warum habe ich sie nicht 00:30:02.864 --> 00:30:11.074 schützen können davor?“ Aber ich musste das dann irgendwie akzeptieren, dass diese Frau eben 00:30:11.274 --> 00:30:17.616 irgendwie diesen Weg geht. Sie ist dann nach drei Jahren wieder zurück gekommen in die 00:30:17.816 --> 00:30:25.251 Wohngemeinschaft und hat dann gesagt - es ist ihr zu viel und sie schafft das nicht mehr. 00:30:25.451 --> 00:30:29.320 Da war ich dann natürlich wieder sehr froh, dass sie doch wieder zurückgekommen ist 00:30:29.520 --> 00:30:34.930 und dass sie sich verabschiedet hat. Aber in dem Moment- Also ich kann mich noch erinnern, 00:30:35.130 --> 00:30:39.806 ich hatte oft den Nachtdienst. Wir hatten einen Nachtdienst, also eine Radldienst, 00:30:40.006 --> 00:30:45.279 es musste immer jemand da sein. Und ich habe oft nächtelang nicht schlafen können, 00:30:45.479 --> 00:30:48.766 weil ich mir immer gedacht habe, „Um Gottes Willen, was passiert dieser Frau?“ 00:30:48.966 --> 00:30:56.855 Am Anfang habe ich sie auch noch suchen lassen durch die Polizei, hab versucht sie zurückzugewinnen. 00:30:57.055 --> 00:31:03.325 Aber es war schon auch so, ich musste auch akzeptieren, dass diese Frauen, die jahrelang 00:31:03.525 --> 00:31:10.143 in einem Heim gewohnt haben, dass sie ihre Sexualität ausleben wollten, ja. 00:31:10.343 --> 00:31:14.367 Das war schon auch immer so ein Thema, der Umgang mit Sexualität und der Umgang 00:31:14.567 --> 00:31:22.990 mit Männern – wie kann ich ihnen das, ja, so vermitteln, dass sie nicht ausgenützt werden, 00:31:23.190 --> 00:31:30.253 sondern dass sie eben Männer finden, die sie nicht dann benutzen für etwas? 00:31:30.453 --> 00:31:35.355 Aber es war natürlich sehr schwer, weil im Grunde genommen wollten natürlich diese Frauen 00:31:35.555 --> 00:31:40.573 genauso wie alle anderen Frauen ein Sexualleben haben und wollten Partner haben und wollten 00:31:40.773 --> 00:31:48.167 einmal ausprobieren, wie das ist. Ja, und das war auch legitim für mich. 00:31:48.367 --> 00:31:54.537 Und auch so die Frage, Umgang mit Verhütung – auch ein großes Thema. 00:31:54.737 --> 00:32:03.126 Und damals bei der Caritas war es natürlich auch nicht möglich ganz offen über die Pille zu sprechen, 00:32:03.326 --> 00:32:10.771 oder über Verhütungsmittel zu sprechen. Das habe ich dann immer so informell besorgt, 00:32:10.971 --> 00:32:16.086 Weil abrechnen durfte ich es ja nicht, also Kosten durften da keine entstehen. 00:32:16.286 --> 00:32:20.352 Da haben wir uns im Team auch immer wieder abgesprochen, dass wir die Kosten über Spenden 00:32:20.552 --> 00:32:26.036 herein kriegen, damit die Frauen zumindest  die Pille nehmen konnten, aber das war immer ... 00:32:26.236 --> 00:32:28.992 Dann habe wir gesorgt dafür, dass Kondome da sind. 00:32:29.192 --> 00:32:37.793 Ja, das waren so interessante Herausforderungen, ja. Also ich musste mich da einfach mit so Themen, 00:32:37.993 --> 00:32:43.764 mit so verschiedenen Themen auseinandersetzen und auch mit vielen Vorurteilen. 00:32:43.964 --> 00:32:52.866 Eine Frau hat dann eine Familie gegründet, die hat dann einen sehr liebevollen Mann kennengelernt, 00:32:53.066 --> 00:32:58.995 der hat die Kinder wahnsinnig geliebt und die sind dann immer wieder auch gekommen zu uns. 00:32:59.195 --> 00:33:05.102 Ja. Also sehr, sehr vielschichtige Auseinandersetzung. 00:33:11.415 --> 00:33:17.416 Aber während dieser Arbeit habe ich dann begonnen die Matura nachzumachen. 00:33:17.616 --> 00:33:22.928 Ich hatte ja nur mehr oder weniger einen Hauptschulabschluss. Und ich habe immer 00:33:23.128 --> 00:33:30.235 wieder gemerkt, eigentlich möchte ich gerne mehr. Mir fehlt eigentlich eine gewisse Ausbildung. 00:33:30.435 --> 00:33:35.033 Und ich habe dann auch gemerkt, ich möchte eigentlich studieren und habe dann angefangen 00:33:35.233 --> 00:33:42.424 mit der Abendmatura. Ich habe neben meinem Job dann eben gelernt, bin jeden Tag am Abend 00:33:42.624 --> 00:33:48.032 in die Schule gegangen und am Wochenende habe ich gelernt, das hat so vier Jahre gedauert. 00:33:48.232 --> 00:33:53.179 Aber das hat sich natürlich gelohnt und ich war sehr froh, dass ich das gemacht habe. 00:33:53.379 --> 00:34:00.679 Und habe dann- Ich war mir dann nicht sicher, was ich studieren sollte. 00:34:00.879 --> 00:34:09.149 Ich war zwischen Kunstgeschichte und Politikwissenschaften, zwischen diesen 00:34:09.349 --> 00:34:14.977 beiden Fächern bin ich immer hin und her geschwankt. Weil Kunst hat mich auch immer sehr 00:34:15.177 --> 00:34:23.199 interessiert und war eben auch Kunst von Frauen. Und ich habe dann mich aber doch 00:34:23.399 --> 00:34:28.709 für Politikwissenschaften entschieden und habe Politikwissenschaften begonnen. 00:34:28.909 --> 00:34:37.186 In der Fächerkombination mit Frauenforschung und Ethnologie. Und hatte damals das Glück, 00:34:37.386 --> 00:34:49.501 dass Eva Kreisky aus Berlin nach Wien gekommen ist. Das war 1993, genau. 1993 habe ich 00:34:49.701 --> 00:34:56.417 zu studieren angefangen und 1997 bin ich dann fertig - nein, 96 bin ich fertig geworden. 00:34:56.617 --> 00:35:02.245 Und da habe ich auch dann so ganz spannende Seminare besuchen können. 00:35:02.445 --> 00:35:09.717 Die Eva Kreisky hat sich ja sehr viel mit Männerpolitik auseinandergesetzt, beziehungsweise 00:35:09.917 --> 00:35:16.042 Männerbünde. Und sie war natürlich durch und durch eine Feministin. 00:35:16.242 --> 00:35:19.484 Und für mich war das alles wahnsinnig spannend und interessant. 00:35:19.684 --> 00:35:28.382 Ja, und Birgit Sauer ist gekommen, dann habe ich auch mehrere Seminare bei Sieglinde Rosenberger 00:35:28.582 --> 00:35:40.497 auch absolviert. Und ja, also das war für mich extrem prägend, auch für meine jetzige Arbeit. 00:35:40.697 --> 00:35:53.559 Und da habe ich also viele verschiedene Seminare absolviert, vor allem Frauen- also mich viel mit 00:35:53.759 --> 00:36:00.507 Geschlechterthemen auseinandergesetzt und auch Männerpolitik. Und letztendlich habe ich dann 00:36:00.707 --> 00:36:11.438 eigentlich mich doch für so Organisationen interessiert, die männerbündisch waren 00:36:11.638 --> 00:36:18.535 und vor allem auch so rechte Organisationen. Und so das Thema Frauen in rechten Parteien 00:36:18.735 --> 00:36:31.938 hat mich dann sehr beschäftigt. Und ja, also das war eigentlich so- Dieses Interesse 00:36:32.138 --> 00:36:37.730 ist immer mehr gewachsen, sicher auch durch die Eva Kreisky, weil sie irgendwie uns da auch 00:36:37.930 --> 00:36:43.200 immer wieder motiviert hat da mehr zu forschen, oder mehr zu analysieren. 00:36:43.400 --> 00:36:49.610 Ich habe dann meine Abschlussarbeit zu dem Thema gemacht, „Frauen in der FPÖ“. 00:36:49.810 --> 00:36:58.927 Weil gerade damals war ja eigentlich- naja, Haider ist immer stärker geworden und 1996 00:36:59.127 --> 00:37:06.211 war es dann so, dass sie- dass Haider immer mehr Frauen in die Politik geholt hat, 00:37:06.411 --> 00:37:12.846 so um ein bisschen abzulenken von dieser Buberlpartie. Und ich habe mich dann- 00:37:13.046 --> 00:37:17.933 Das hat mich eigentlich sehr interessiert, warum sich Frauen für diese Partei entscheiden. 00:37:18.133 --> 00:37:25.632 Was ist so faszinierend an dieser Partei? Also er hat ja innerhalb kürzester Zeit gleich 16 Frauen 00:37:25.832 --> 00:37:31.084 in die Partei geholt. Und ich habe mir gedacht, ja, das ist eigentlich interessant, 00:37:31.284 --> 00:37:37.624 darüber könnte man schreiben. Und ich habe dann viele Interviews geführt mit den Frauen, 00:37:37.824 --> 00:37:43.708 mit den Politikerinnen – unter anderem mit Maria Riess-Passer, die damals Pressesprecherin war 00:37:43.908 --> 00:37:52.678 vom Haider und Helene Partik-Pable. Also viele Frauen, die schon länger in der Partei waren 00:37:52.878 --> 00:37:58.701 und Frauen, die halt so neu als Quereinsteigerinnen- Und ich habe sie eben so gefragt, 00:37:58.901 --> 00:38:04.612 also auch, wie sie sozialisiert worden sind und was diese Faszination auslöst in dieser Partei 00:38:04.812 --> 00:38:09.432 überhaupt mitzuwirken. Und ich habe dann auch immer wieder so verglichen, 00:38:09.632 --> 00:38:17.468 also auch Frauen bei der SPÖ unter Johanna Dohnal, was ist der Unterschied zwischen 00:38:17.668 --> 00:38:22.794 Johanna Dohnal und den Frauen, die sich da hier, bei der FPÖ engagieren? 00:38:22.994 --> 00:38:28.050 Und habe halt so gemerkt, im Grunde genommen, die meisten waren natürlich sehr begeistert 00:38:28.250 --> 00:38:36.525 vom Haider, der hat sie so fasziniert. Aber vom frauenpolitischen Engagement war letztendlich 00:38:36.725 --> 00:38:42.127 nicht so wirklich viel zu spüren. Sie haben zwar nach außen hin so getan, als wären ihnen 00:38:42.327 --> 00:38:47.897 Gleichstellung und Gleichberechtigung von Männern und Frauen sehr, sehr wichtig, 00:38:48.097 --> 00:38:59.795 aber im Grunde ging es dann immer eher sehr stark um Familienpolitik. Und auch wenn Frauen 00:38:59.995 --> 00:39:07.629 Sie haben immer wieder so argumentiert: „Auch, wenn Frauen eine Karriere machen, 00:39:07.829 --> 00:39:13.077 oder eine politische Karriere – letztendlich sind sie doch sehr verankert in der Familie. 00:39:13.277 --> 00:39:23.391 Und wenn es darauf ankommt, sollten die Kinder im Vordergrund stehen und die eigene Familie.“ 00:39:23.591 --> 00:39:36.812 Ja, und ich habe schon auch gemerkt, so dieses Thema Doppelbelastung war eigentlich auch 00:39:37.012 --> 00:39:50.837 Bevor man sich sozusagen als Frau zu sehr verstrickt, oder zu sehr für Karriere und Politik 00:39:51.037 --> 00:39:57.243 ist es doch besser eher den einfacheren Weg zu gehen und sich für die Familie zu entscheiden. 00:39:57.443 --> 00:40:05.904 Also es war eigentlich im Grunde eh nicht wirklich so überraschend, aber ich wollte 00:40:06.104 --> 00:40:14.324 halt einfach mehr herausfinden. Ja, und aus dieser Abschlussarbeit ist dann auch ein Buch entstanden. 00:40:14.524 --> 00:40:22.997 Das Buch hat geheißen eben „Die FPÖ und die Frauen“. Und das war eine Zeit lang auch 00:40:23.197 --> 00:40:29.833 sehr- das war auch medial ganz interessant, viele haben sich interessiert für dieses Buch 00:40:30.033 --> 00:40:39.980 war dann schnell vergriffen. Das Lustige war irgendwie, der Verlag- Also ich habe es damals 00:40:40.180 --> 00:40:50.547 beim Döcker Verlag publizieren können und das Lustige war, wie es gekommen ist 00:40:50.747 --> 00:40:55.087 es war schon in der Buchhandlung – und ich habe es bekommen, in die Hand bekommen 00:40:55.287 --> 00:41:00.410 und ich mache es auf und fang an zu lesen und denke mir, „Was ist denn da los? 00:41:00.610 --> 00:41:13.237 Da fehlen ja immer Buchstaben!“ Und dann habe ich festgestellt, dass immer das F fehlt in diesem Druck! 00:41:13.437 --> 00:41:21.218 Das war irgendwie so skurril! Weil „FPÖ und die Frauen“ und es fehlt immer das F! 00:41:21.418 --> 00:41:28.584 Und dann bin ich zur Verlagsleiterin gegangen und hab gesagt „Was ist denn da passiert? 00:41:28.784 --> 00:41:34.887 Ich meine, das Buch ist fehlerhaft und es fehlt immer das-“ Dann hat sie gesagt, 00:41:35.087 --> 00:41:38.108 „Es ist mir selber gar nicht aufgefallen“, weil sie hat es noch gar nicht geöffnet gehabt 00:41:38.308 --> 00:41:41.966 und das war schon in den Buchhandlungen gelandet. Und dann mussten sie 00:41:42.166 --> 00:41:49.282 das Buch wieder zurückholen. Es war sehr skurril! 00:41:56.482 --> 00:42:04.747 Das war so 1997 und dann zeitgleich habe ich dann schon Rosa Logar kennengelernt, 00:42:04.947 --> 00:42:08.538 vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser – damals hat es noch geheißen 00:42:08.738 --> 00:42:15.320 Aktionsgemeinschaft der Frauenhäuser Österreich – und die hat mich eben angesprochen 00:42:15.520 --> 00:42:23.208 Ich meine, ich kannte sie schon vorher, aber wir haben uns dann einfach noch einmal zufällig 00:42:23.408 --> 00:42:28.156 getroffen und dann hat sie gemeint, „Naja, bei uns im Verein gäbe es eine Möglichkeit 00:42:28.356 --> 00:42:32.510 und wir suchen eine Mitarbeiterin“ und ob ich denn nicht Interesse hätte. 00:42:32.710 --> 00:42:41.375 Und ja, und so habe ich dann relativ schnell zugesagt. Und seit 1997, seit 1. Juli 1997 00:42:41.575 --> 00:42:47.277 bin ich im Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser tätig. Und das war gerade 00:42:47.477 --> 00:42:57.574 zwei Monate später, nach dem Gewaltschutzgesetzt. Am 1. Mai 1997 ist das Gewaltschutzgesetz 00:42:57.774 --> 00:43:02.799 in Kraft getreten und zwei Monate später habe ich dann im Verein angefangen. 00:43:02.999 --> 00:43:16.685 Und das war sehr- ja, habe mich sehr gefreut über diese Möglichkeit. Ich habe natürlich auch bei 00:43:16.885 --> 00:43:21.360 Schon während meinem Studium habe ich mich auch schon mit dem Thema Gewalt an Frauen 00:43:21.560 --> 00:43:26.910 auseinandergesetzt. Bei der Lisbeth Trallori zum Beispiel habe ich Seminare besucht 00:43:27.110 --> 00:43:31.920 und Arbeiten dazu geschrieben. Also es war ein Thema und es hat mich sehr interessiert 00:43:32.120 --> 00:43:38.998 und dann habe ich begonnen mitzuarbeiten. Und ich kann mich noch erinnern, 00:43:39.198 --> 00:43:47.501 Also damals die Auseinandersetzung mit diesem Gesetz, mit diesem Gewaltschutzgesetz 00:43:47.701 --> 00:43:56.831 war gerade sehr intensiv, auch in den Medien ist es sehr viel thematisiert worden. Vor allem auch: 00:43:57.031 --> 00:44:04.090 „Ist das Gesetz wirklich sinnvoll? Werden nicht Männer dadurch total diskriminiert? 00:44:04.290 --> 00:44:11.687 Und ist das überhaupt ein Gesetz, das durchgeht? Beziehungsweise das hält in der Umsetzung?“ 00:44:11.887 --> 00:44:18.929 Ich bin einfach in einer sehr spannenden Zeit eingestiegen. 00:44:19.129 --> 00:44:22.207 Das hat mich sehr schnell auch sehr gefesselt. 00:44:26.493 --> 00:44:33.821 Der Verein hatte ja zu diesem Zeitpunkt schon eine internationale Abteilung. Also einerseits wir waren 00:44:34.021 --> 00:44:43.296 das Netzwerk der Frauenhäuser in Österreich, aber es gab auch schon die europäischen Abteilung 00:44:43.496 --> 00:44:49.534 WAVE – Women Against Violence Europe. Diese Abteilung wurde gegründet 1994 00:44:49.734 --> 00:44:59.067 und da habe ich mich dann eigentlich auch schon relativ schnell irgendwie so auf europäischer Ebene 00:44:59.267 --> 00:45:05.271 auseinandergesetzt mit dem Thema und das war auch sehr spannend. Und wir hatten damals 00:45:05.471 --> 00:45:12.917 Anträge zu stellen 00:45:13.117 --> 00:45:26.325 und Geld zu bekommen. Und ja, das war auch sehr spannend. 1997 war dann auch eine 00:45:26.525 --> 00:45:34.188 WAVE-Konferenz in Wien und die haben wir im Bruno-Kreisky-Forum abgehalten. 00:45:34.388 --> 00:45:41.251 Und somit ist auch einerseits das Interesse größer geworden auch auf europäischer Ebene 00:45:41.451 --> 00:45:48.304 mehr zu arbeiten. Und ich hatte einfach die Möglichkeit und das war sehr, sehr interessant. 00:45:50.341 --> 00:45:54.427 Ja, Gewalt an Frauen ist dann immer mehr zum Hauptthema geworden. 00:45:54.627 --> 00:46:03.255 Und ich habe dann die Kolleginnen in den Frauenhäusern kennengelernt, 00:46:03.455 --> 00:46:09.339 weil es da einen regelmäßigen Austausch mit den Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser gegeben hat. 00:46:09.539 --> 00:46:19.134 Und was auch sehr schön war: Es wurde mir relativ schnell sehr viel Vertrauen geschenkt 00:46:19.334 --> 00:46:25.542 von den Vorstandsfrauen. Damals gab es ja, wie ich begonnen habe, noch keine Geschäftsführerin. 00:46:25.742 --> 00:46:35.177 Und der Vorstand war ehrenamtlich beschäftigt und die Vorstandsfrauen waren im Grunde 00:46:35.377 --> 00:46:42.398 genommen die Mitbegründerinnen des ersten Frauenhauses in Wien. Und die wollten 00:46:42.598 --> 00:46:49.159 die waren eigentlich schon recht froh darüber, dass sie irgendwann einmal abgeben können. 00:46:49.359 --> 00:46:53.961 Also sie haben irgendwie auch schon immer so überlegt, ob sie nicht eine Geschäftsführerin 00:46:54.161 --> 00:47:02.686 einsetzen sollten und - Also eigentlich haben sie damals alle gefragt, alle Mitarbeiterinnen 00:47:02.886 --> 00:47:06.998 damals waren wir, glaube ich, noch fünf Mitarbeiterinnen im Verein 00:47:07.198 --> 00:47:11.903 und sie haben alle gefragt und ich war die einzige, die gesagt hat, 00:47:12.103 --> 00:47:16.332 „Ja, ich kann mir das vorstellen“. Alle anderen haben gesagt, nein, das können sie sich nicht 00:47:16.532 --> 00:47:20.092 vorstellen eine Geschäftsführung oder eine Leitung zu übernehmen. 00:47:20.292 --> 00:47:25.320 Weil sich damals alle irgendwie so als feministisches Kollektiv verstanden haben 00:47:25.520 --> 00:47:35.595 Eine Leitung, das war zu diesem Zeitpunkt noch eher irgendwie auch verpönt oder ein großes Tabu. 00:47:35.795 --> 00:47:42.086 „Also wie kann man denn das überhaupt machen?“ Und so. Aber bei uns im Verein 00:47:42.286 --> 00:47:50.354 Die Rosa Logar hat immer schon gesagt, wir sind eigentlich gar nicht so basisdemokratisch 00:47:50.554 --> 00:47:58.788 organisiert. Also der Vorstand hat immer eigentlich mehr oder weniger entschieden 00:47:58.988 --> 00:48:02.569 oder vielfach entschieden. Es gab immer schon irgendwie eine Leitung. 00:48:02.769 --> 00:48:10.001 Und daher dieses basisdemokratische Denken war schon da, aber es war nicht so unbedingt 00:48:10.201 --> 00:48:17.864 jetzt wirklich gelebte Basisdemokratie. Und von daher war es auch ein bisschen anders. 00:48:18.064 --> 00:48:23.222 Und sie haben mich eben dann gefragt, ob ich Geschäftsführerin werden möchte. 00:48:23.422 --> 00:48:30.688 Aber spruchreif ist es eigentlich erst geworden, wie die Barbara Prammer – damals war sie 00:48:30.888 --> 00:48:40.023 1997, die Frauenministerin – Barbara Prammer hat damals die Idee gehabt eine Frauen-Helpline 00:48:40.223 --> 00:48:46.600 zu initiieren und gemeint, ja, es wäre so wichtig, dass wir in Österreich eben eine zentrale Nummer haben 00:48:46.800 --> 00:48:54.916 wo eben alle Frauen anrufen können und Hilfe holen können über eine zentrale Nummer. 00:48:55.116 --> 00:49:06.646 Und Rosa Logar hat diese Idee gut gefunden und hat dem zugestimmt. Damals war eigentlich sehr viel 00:49:06.846 --> 00:49:12.713 Widerstand von den Frauenorganisationen, weil sie eben Angst hatten, wenn es so eine 00:49:12.913 --> 00:49:19.611 zentrale Nummer gibt, dann wird Geld weggenommen oder eben umgeschichtet 00:49:19.811 --> 00:49:24.470 und womöglich kann es sein, dass es für die anderen Organisationen weniger Geld gibt. 00:49:24.670 --> 00:49:28.933 also da haben wir schon viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, dass so eine Helpline 00:49:29.133 --> 00:49:35.080 wirklich Sinn macht und dass das auch wichtig ist und dass sie auch davon profitieren. 00:49:35.280 --> 00:49:42.289 Ich kann mich noch erinnern, die Mitarbeiterinnen, oder Beraterinnen der Frauenberatungsstelle, 00:49:42.489 --> 00:49:51.026 die haben damals so die Angst gehabt, wenn wir sozusagen eine zentrale Stelle sind 00:49:51.226 --> 00:49:57.928 und wenn es so viele Anrufe gibt, dass wir dann Vieles wieder abgeben an die 00:49:58.128 --> 00:50:04.109 Frauenberatungsstellen und dass sie dann noch mehr Arbeit haben werden und sie bekommen 00:50:04.309 --> 00:50:12.082 sozusagen trotz der vielen Arbeit kein Geld. All diese Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet. 00:50:12.282 --> 00:50:17.228 Also es gab dieses Geld auch für die Frauen-Helpline und die Frauenberatungsstellen 00:50:17.428 --> 00:50:25.181 haben nach wie vor ihr Geld bekommen. Und diese anfänglichen Konkurrenzängste, 00:50:25.381 --> 00:50:30.663 die wurden auch relativ schnell beseitigt. Aber natürlich gab es auch Widerstand. 00:50:30.863 --> 00:50:42.593 Es war nicht unbedingt von vornherein so eine Begrüßung. Ja, und dann wurde ich eben 00:50:42.793 --> 00:50:47.768 gefragt, ob ich die Frauen-Helpline übernehmen könnte. Barbara Prammer wollte unbedingt, 00:50:47.968 --> 00:50:55.016 dass es bei uns angesiedelt wird, als- sozusagen als Einrichtung, die gut vernetzt ist 00:50:55.216 --> 00:51:00.232 mit vielen anderen Stellen. Und da wurde ich eben gefragt, ob ich das mache. 00:51:00.432 --> 00:51:03.838 Und ich habe gesagt, ja, das kann ich mir gut vorstellen. 00:51:04.038 --> 00:51:10.621 Und mit der Übernahme der Frauen-Helpline bin ich dann auch Geschäftsführerin geworden. 00:51:17.043 --> 00:51:24.381 Das war auch eine neue Herausforderung, weil ich habe dann nicht nur die Frauen-Helpline 00:51:24.581 --> 00:51:30.555 übernommen, sondern den ganzen Verein, auch WAVE und die Informationsstelle. 00:51:30.755 --> 00:51:39.446 Es gab damals eben auch schon die Informationsstelle im Verein. Und die Herausforderungen waren 00:51:39.646 --> 00:51:52.511 Am Anfang ist es ja ganz gut gegangen, am Anfang habe ich viel Arbeit gehabt diese drei Bereiche 00:51:52.711 --> 00:52:01.607 mehr oder weniger zu koordinieren und auch dieses ganze Finanzielle und alles abzuwickeln. 00:52:01.807 --> 00:52:08.312 Aber ich hatte natürlich keine Ahnung im Grunde genommen, wie man einen Betrieb 00:52:08.512 --> 00:52:16.743 oder eine Frauenorganisation wirklich führt. Es gab ja damals auch recht wenig Leitungserfahrung 00:52:16.943 --> 00:52:24.426 der wenig Vorbilder, Frauen- Leiterinnen in anderen Frauenorganisationen, 00:52:24.626 --> 00:52:29.153 das gab es ja noch nicht, sehr, sehr wenig. Es gab zwar schon ein paar Geschäftsführerinnen 00:52:29.353 --> 00:52:38.889 in den Frauenhäusern, aber ich hatte wenig, - wusste eigentlich nicht so genau, wie man es macht. 00:52:39.089 --> 00:52:43.894 Der Vorstand hat immer gesagt, „Nein, das lernt man schon. Du wirst das schon machen 00:52:44.094 --> 00:52:50.147 und das lernst du schon!“ Und ich habe dann immer gesagt, „Naja, aber ich brauche schon irgendwie 00:52:50.347 --> 00:52:59.728 so ein Leitungsseminar, oder ich muss mich da weiterbilden, damit ich das auch wirklich gut mache.“ 00:52:59.928 --> 00:53:09.485 Ich habe dann selber so Leitungs-, Führungs-Seminare gemacht. Aber es kamen natürlich 00:53:09.685 --> 00:53:17.717 dann auch Konflikte. Also es gab dann, nach drei Jahren, also ich glaube, das war nach drei Jahren 00:53:17.917 --> 00:53:23.634 haben sich dann schon intern so Konflikte entwickelt. Und es gab dann plötzlich so 00:53:23.834 --> 00:53:29.675 Machtkämpfe, wo Mitarbeiterinnen mir gegenüber- Wo es dann geheißen hat, 00:53:29.875 --> 00:53:35.945 „Naja, deine Entscheidungen, die sind zwar gut und schön, aber mit denen können wir uns 00:53:36.145 --> 00:53:43.272 überhaupt nicht irgendwie abfinden.“ Und dann nach drei Jahren hatte ich eine große Krise 00:53:43.472 --> 00:53:52.375 im Team- also im- vor allem- nein, eigentlich im ganzen Team. Und sie wollten dann auch 00:53:52.575 --> 00:53:59.007 unbedingt eine- also eine- Betriebsrätinnen installieren, das war auch etwas Neues, 00:53:59.207 --> 00:54:05.631 sozusagen, wie gehe ich damit um, wenn sich dann die Frauen so stark machen 00:54:05.831 --> 00:54:12.345 und ich muss da irgendwie so kämpfen? Aber es war ein interessanter Lernprozess. 00:54:12.545 --> 00:54:19.181 Weil ich habe damals immer versucht eben es allen rechtzumachen. Ich habe immer versucht 00:54:19.381 --> 00:54:27.705 allen Kritikpunkten nachzugehen und je mehr ich dem aber nachgegangen bin, je mehr ich 00:54:27.905 --> 00:54:32.473 sozusagen geschaut habe, dass es allen gut geht, desto schlechter ist es mir gegangen. 00:54:32.673 --> 00:54:39.272 Weil ich habe das Gefühl gehabt, um mich- also wie es mir geht, interessiert niemanden, 00:54:39.472 --> 00:54:47.991 sondern sie haben immer wieder auch so argumentiert, „Naja, eine Führungskraft, 00:54:48.191 --> 00:54:57.493 beziehungsweise eine hierarchische Organisation kann niemals eine feministische Organisation sein.“ 00:54:57.693 --> 00:55:01.826 Also sie haben immer irgendwie so mit Feminismus argumentiert. 00:55:02.026 --> 00:55:12.778 „Feminismus, das muss so und so sein und nur so kann man tatsächlich eine feministische Organisation sein.“ 00:55:12.978 --> 00:55:18.303 Und das hat mich schon sehr beschäftigt, weil ich mir gedacht habe, einerseits habe ich die ganze 00:55:18.503 --> 00:55:24.938 Verantwortung zu tragen und andererseits fordern sie ständig von mir das und das und das 00:55:25.138 --> 00:55:31.229 und wie komme ich da- Also ich war wirklich in einer sehr schwierigen Situation und wusste 00:55:31.429 --> 00:55:38.005 oft gar nicht mehr, was ich tun soll. Und dann habe ich irgendwann einmal gemerkt, 00:55:38.205 --> 00:55:43.854 also wenn das so weiter geht und wenn ich diese Konflikte, die internen Konflikte nicht irgendwie 00:55:44.054 --> 00:55:51.753 regeln kann, dann muss ich meinen Job zurücklegen, weil das lässt sich einfach nicht mehr 00:55:51.953 --> 00:55:59.469 nicht mehr handeln im Grunde genommen. Ich habe dann schon Hilfe geholt. 00:55:59.669 --> 00:56:05.460 Ich habe dann Coaching gemacht und habe mir gedacht, irgendwie muss ich das in 00:56:05.660 --> 00:56:09.130 den Griff bekommen, habe das natürlich auch mit dem Vorstand besprochen. 00:56:09.330 --> 00:56:22.663 Ja, und dann hat mir einfach bei einer Supervision hat mir eine Supervisorin gesagt, 00:56:22.863 --> 00:56:31.816 also ich muss eidlich lernen „ich“ zu sagen. Also zu sagen, also ICH will, oder ich muss, 00:56:32.016 --> 00:56:36.990 oder ich muss entscheiden oder ich kann. Ich habe immer wieder- immer nur das Wort wir gesagt. 00:56:37.190 --> 00:56:41.803 Und sie hat mir irgendwie so beigebracht, wenn ich da durchkommen will, dann muss ich lernen 00:56:42.003 --> 00:56:48.751 sozusagen einmal alles in Ich-Sätzen zu formulieren und in Ich-Botschaften zu formulieren, 00:56:48.951 --> 00:56:57.666 weil sonst werden mich die einfach überrumpeln. Das waren damals schon 20 Mitarbeiterinnen 00:56:57.866 --> 00:57:02.880 und ich alleine. Und ich habe mich oft so alleine gefühlt in meiner Position, dass ich mir gedacht habe 00:57:03.080 --> 00:57:08.976 okay, das geht einfach nicht. Und wie ich dann angefangen habe, wirklich auch so die 00:57:09.176 --> 00:57:16.229 Team-Sitzungen so anzulegen, dass ich eben in Ich-Botschaften formuliert habe, 00:57:16.429 --> 00:57:22.057 das war dann so ein Aha-Erlebnis, ja. Also ich habe gemerkt, ja, plötzlich hören sie mir zu. 00:57:22.257 --> 00:57:32.122 Und plötzlich merken sie, dass ich etwas zu sagen habe und dass ich etwas zu entscheiden habe. 00:57:32.322 --> 00:57:39.173 Und ich kann mich noch erinnern, wie es so immer so heftige Diskussionen gegeben hat 00:57:39.373 --> 00:57:44.746 und alles wurde nur kritisiert an mir und ich habe mir dann irgendwann einmal erlaubt zu sagen: 00:57:44.946 --> 00:57:51.094 „Okay, wenn du, oder wenn ihr so unzufrieden seid, dann müsst ihr euch leider einen anderen Job 00:57:51.294 --> 00:57:58.065 suchen, weil ich kann das nicht alles erfüllen, was ihr von mir wollt. Und ihr habt auch jede von euch 00:57:58.265 --> 00:58:05.193 hat eine Verantwortung, damit dass Klima hier gut wird und dass wir die Konflikte 00:58:05.393 --> 00:58:11.281 miteinander lösen können.“ Das war extrem ein spannender Lernprozess für mich. 00:58:11.481 --> 00:58:21.339 Weil ich das nicht- Ja, das war auch nicht in meinem Kopf, dass ich etwas fordern kann, 00:58:21.539 --> 00:58:26.896 oder dass ich sagen kann, okay, es ist meine Position und ich muss Entscheidungen treffen, 00:58:27.096 --> 00:58:31.858 ich habe die Verantwortung und ich kann leider nicht alles in eurem Sinne entscheiden. 00:58:32.058 --> 00:58:37.586 Und ich versuche es natürlich und ich gebe mein Bestes, aber es geht so nicht. 00:58:37.786 --> 00:58:45.245 Also ich habe schön langsam mich in diese Position hineingearbeitet. Und diese Krise 00:58:45.445 --> 00:58:56.754 konnte ich bewältigen. Es sind dann - vor allem dann im Jahr 2000, wie damals 00:58:56.954 --> 00:59:01.962 die schwarz-blaue Regierung an die Macht gekommen ist – damals wussten wir nicht, 00:59:02.162 --> 00:59:09.314 wie es weiter geht. Wir sind auch gekürzt worden damals. Also es war dann ein großer Schock 00:59:09.514 --> 00:59:16.143 Dass wir nicht mehr quasi- Das war damals um 15 Prozent, wurden wir gekürzt finanziell. 00:59:16.343 --> 00:59:21.997 Und da habe ich gesagt, „Okay, das schaffe ich finanziell nicht, ich muss auf jeden Fall Einsparungen 00:59:22.197 --> 00:59:27.836 machen.“ Und in dieser Phase sind dann ein paar Mitarbeiterinnen haben von selber gekündigt. 00:59:28.036 --> 00:59:34.692 Und das waren auch die Mitarbeiterinnen, die auch von vornherein immer wieder rebelliert haben. 00:59:34.892 --> 00:59:41.626 Und dann sind neue Frauen gekommen und das ist dann auch leichter geworden. 00:59:41.826 --> 00:59:48.244 Weil die sozusagen nicht von Anfang an dabei waren und es hat sich auch das Klima ein bisschen verbessert. 00:59:48.444 --> 00:59:57.740 Aber es war eine spannende Lernphase, würde ich sagen. Und so - dieses Führen und Leiten 00:59:57.940 --> 01:00:03.845 in einer Frauenorganisation, ja, das war eine große Herausforderung eigentlich. 01:00:04.045 --> 01:00:15.417 Und jetzt, ja, ich merke, ich brauche jetzt nicht mehr viel sagen. Die Kolleginnen respektieren mich so. 01:00:15.617 --> 01:00:25.381 Wahrscheinlich auch, weil ich, je älter ich werde, umso gelassener bin ich auch geworden. 01:00:25.581 --> 01:00:35.412 Also sicher, damals hat mich jede kleinste Kritik oft schon lange Zeit beschäftigt und jetzt ist es schon so 01:00:35.612 --> 01:00:40.260 dass ich das Gefühl habe, ich bin so gesettled und ich brauche jetzt nicht mehr viel argumentieren. 01:00:40.460 --> 01:00:48.110 Und die Mitarbeiterinnen akzeptieren mich und schätzen mich. Und ich weiß, was sie an mir haben. 01:00:48.310 --> 01:01:03.089 Aber das war ein Lernprozess. Und trotzdem können wir feministisch sein und können wir 01:01:03.289 --> 01:01:11.369 Feminismus leben, nämlich dahingehend, dass wir für die Betroffenen arbeiten und uns auch 01:01:11.569 --> 01:01:18.308 immer wieder tagtäglich einmischen in das politische und gesellschaftspolitische Leben 01:01:18.508 --> 01:01:27.008 und unsere Stimme erheben und wo auch die Mitarbeiterinnen sehr dahinter sind und auch 01:01:27.208 --> 01:01:33.192 immer wieder Ideen haben, wie wir- was wir tun könnten, oder wie wir uns da einbringen. 01:01:33.392 --> 01:01:41.311 Und im Hintergrund auch die Mitarbeiterinnen bei der Frauen-Helpline sind auch immer wieder 01:01:41.511 --> 01:01:47.639 sehr aktiv dahingehend, dass wir gemeinsam Texte formulieren, mit denen wir in die Öffentlichkeit 01:01:47.839 --> 01:01:58.106 gehen und sie auch alle ein sehr frauenpolitisches Denken haben und auch ein feministisches 01:01:58.306 --> 01:02:07.032 Engagement zeigen. Und das macht wirklich Freude. Es ist schön zu arbeiten mit einem Team 01:02:07.232 --> 01:02:12.212 das so engagiert ist. Und auch wenn sie selber nicht in die Öffentlichkeit gehen wollen, 01:02:12.412 --> 01:02:19.587 weil sie natürlich auch anonym sein wollen, um die Arbeit weiterhin machen zu können. 01:02:19.787 --> 01:02:28.387 Aber ich habe gottseidank ein gutes Team jetzt hinter mir, das ist ganz eine schöne Sache. 01:02:33.831 --> 01:02:41.673 Lange Jahre war ich ja einerseits auf der europäischen Ebene tätig und auf der nationalen 01:02:41.873 --> 01:02:46.771 Ebene und eben die Frauen-Helpline. Es waren in unserem Verein drei Säulen: 01:02:46.971 --> 01:02:52.252 einerseits WAVE – Women Against Violence Europe, dann die Informationsstelle gegen Gewalt 01:02:52.452 --> 01:03:01.575 und die Frauen-Helpline. Und das Querschnitts-Thema war immer sozusagen die Koordinierung 01:03:01.775 --> 01:03:08.208 der Frauenhäuser. Und all diese vier Bereiche unter einen Hut zu kriegen, war natürlich nicht 01:03:08.408 --> 01:03:16.246 immer einfach. Weil auch die Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser, die waren natürlich auch 01:03:16.446 --> 01:03:27.287 sehr fordernd und wir mussten Vieles auf dieser Ebene auch schaffen. Aber die meiste Arbeit, 01:03:27.487 --> 01:03:34.207 oder die operative Arbeit für die Frauenhäuser haben wir im Rahmen der Informationsstelle 01:03:34.407 --> 01:03:45.381 gegen Gewalt gemacht. Und WAVE das war eh auch ein großes Netzwerk von 46 europäischen Ländern 01:03:45.581 --> 01:03:51.031 das war auch ein Riesengebiet eigentlich und ist das nach wie vor. 01:03:51.231 --> 01:04:00.853 Und dann die Frauen-Helpline. Also so viele verschiedene Bereiche und auf so vielen 01:04:01.053 --> 01:04:13.850 verschiedenen Ebenen mussten wir arbeiten. Ja. Einerseits die Arbeit mit den Frauenhäusern 01:04:14.050 --> 01:04:20.716 war so, dass wir uns regelmäßig getroffen haben und immer wieder so inhaltliche Themen 01:04:20.916 --> 01:04:30.932 bearbeitet haben und Fachreferentinnen eingeladen haben, um bei den Frauenhäusern 01:04:31.132 --> 01:04:36.278 auch weiterzukommen und sie zu stärken und sie zu unterstützen bei ihrer tagtäglichen Arbeit. 01:04:36.478 --> 01:04:41.735 Wir haben ja auch immer wieder gemeinsame Kampagnen gemacht – insbesondere während 01:04:41.935 --> 01:04:48.622 der 16 Tage gegen Gewalt. Hier haben wir immer wieder gemeinsam überlegt, wie wir diese 16 Tage 01:04:48.822 --> 01:04:58.614 gegen Gewalt auch füllen können, welche Aktivitäten wir setzen. Da waren wir sehr- ja, vor allem- 01:04:58.814 --> 01:05:12.031 Wir hatten dann im Jahr 2000, ja im Jahr 2000 haben wir auch angefangen diese Fahne zu hissen 01:05:12.231 --> 01:05:18.482 diese Fahne „Nein zu Gewalt an Frauen“. Die haben wir in Österreich etabliert, 01:05:18.682 --> 01:05:24.971 weil diese Fahne wurde ja von Terre des Femmes in Deutschland initiiert und wir haben sie dann 01:05:25.171 --> 01:05:30.330 nach Österreich gebracht. Und diese Aktion war auch sehr interessant, weil innerhalb kürzester Zeit 01:05:30.530 --> 01:05:35.566 haben dann viele an dieser Fahnen-Aktion mitgemacht. Auch Universitäten 01:05:35.766 --> 01:05:43.490 oder so Gemeinden, Bezirksämter, die uns da unterstützt haben und die Fahne gehisst haben. 01:05:43.690 --> 01:05:51.788 Und auch in Wien natürlich, das Rathaus und die Frauenabteilung und die Stadträtin in Wien 01:05:51.988 --> 01:06:00.791 hat seither regelmäßig auch - beteiligt sich an dieser Aktion. Ich glaube, damit, mit dieser Fahnen-Aktion 01:06:00.991 --> 01:06:05.028 haben wir das Thema auch noch einmal verstärkt in die Öffentlichkeit bringen können. 01:06:05.228 --> 01:06:17.736 Und dann auch im Jahr 2000 haben wir begonnen das Thema auch näher an den Universitäten 01:06:17.936 --> 01:06:25.075 anzusiedeln. Wir haben begonnen mit dieser Ringvorlesung, „Eine von fünf“, 01:06:25.275 --> 01:06:33.560 auch immer während der 16 Tage. Und diese Ringvorlesung wird auch sehr angenommen. 01:06:33.760 --> 01:06:41.916 Seit dem Jahr 2000 bis jetzt machen wir diese Ringvorlesung. Und am Anfang haben 01:06:42.116 --> 01:06:48.371 wir begonnen auf der Politikwissenschaft das zu installieren. Dann habe wir auch am Juridicum 01:06:48.571 --> 01:06:55.761 einmal diese Ringvorlesung durchgeführt. Jetzt seit acht Jahren gemeinsam mit der Gerichtsmedizin, 01:06:55.961 --> 01:07:04.930 vor allem mit der Professorin Doktorin Andrea Berzlanovich. Und in den letzten 2 Jahren 01:07:05.130 --> 01:07:08.685 ist auch eine Kooperation mit der Volksanwaltschaft entstanden. Auch die Volksanwaltschaft 01:07:08.885 --> 01:07:15.208 unterstützt uns im Kampf gegen Gewalt an Frauen. Und das ist auch eine große Errungenschaft, 01:07:15.408 --> 01:07:23.645 weil wir eigentlich auch nie gedacht haben, dass uns hier Unterstützung zukommt und das wir da 01:07:23.845 --> 01:07:28.755 eine wichtige Einrichtung an unserer Seite haben. Also ich denke da haben wir sicher einiges 01:07:28.955 --> 01:07:35.116 erreicht. Mein Wunsch wäre noch immer, dass wir diese Ringvorlesung nicht nur in Wien ansiedeln, 01:07:35.316 --> 01:07:40.032 sondern auch in den Bundesländern. Wir haben es immer wieder probiert, aber die anderen 01:07:40.232 --> 01:07:46.533 Universitäten haben immer gesagt, „Naja, wie haben eh Gender-Themen und es ist immer wieder 01:07:46.733 --> 01:07:55.291 ein Thema, aber im Grunde genommen“ Ja, ist ihnen nicht so wichtig, wir konnten es nicht etablieren. 01:07:55.491 --> 01:08:05.349 Leider. Mein Traum wäre natürlich auch irgendwann, dass diese Ringvorlesung ein fixer Bestandteil 01:08:05.549 --> 01:08:12.661 in der Universität sein wird und dass es auch finanziert wird. Weil im Grunde genommen 01:08:12.861 --> 01:08:21.243 nach wie vor wir uns um die Finanzierung kümmern, anstatt die Universitäten würden da einen Beitrag 01:08:21.443 --> 01:08:26.014 leisten die Referent_innen zu zahlen und auch Öffentlichkeitsarbeit zu machen. 01:08:26.214 --> 01:08:30.458 Aber vielleicht wird das auch noch irgendwann einmal so sein. 01:08:30.658 --> 01:08:37.857 Ein Schwerpunkt unserer Arbeit ist in erster Linie so diese Metaebene. Also wir arbeiten ja nicht 01:08:38.057 --> 01:08:43.539 direkt mit den betroffenen Frauen im Verein – außer über die Frauen-Helpline 01:08:43.739 --> 01:08:50.469 aber im Grunde genommen is uns diese Bewusstseinsbildung ein großes Anliegen. 01:08:50.669 --> 01:08:57.405 Und eben auch die Sensibilisierung von Berufsgruppen. Also wir arbeiten mit verschiedenen 01:08:57.605 --> 01:09:03.213 Berufsgruppen zusammen und bieten Seminare, Workshops und Trainings an. 01:09:03.413 --> 01:09:10.888 Also einerseits ist es so, dass die Mitarbeiter_innen in den Frauenhäusern Polizeischulungen 01:09:11.088 --> 01:09:18.904 machen eben auch, arbeiten mit den Polizisten und den Polizistinnen. Oder eben auch viele 01:09:19.104 --> 01:09:24.108 arbeiten mit Lehrern, Lehrerinnen, oder in den Schulen, gehen viel auch in die Schulen. 01:09:24.308 --> 01:09:32.755 Und wir bieten das auch an. Wir machen viele Seminare, Workshops in Schulen, 01:09:32.955 --> 01:09:41.134 mit Mediatoren und Mediatorinnen in der Ausbildung. Oder eben auch im Gesundheitsbereich. 01:09:41.334 --> 01:09:49.083 in letzter Zeit machen wir viele Seminare mit Medizinerinnen und Medizinern, oder Pflegepersonal. 01:09:49.283 --> 01:09:57.949 Oder auch mit freiwilligen Juristen und Juristinnen. Oder Sozialarbeiter_innen. 01:09:58.149 --> 01:10:06.263 Und was auch im Rahmen unserer Arbeit gelungen ist, dass immer mehr Interesse besteht 01:10:06.463 --> 01:10:13.158 and diesen Seminaren und Workshops. Vor allem auch AMS-Mitarbeiter_innen, Berater_innen 01:10:13.358 --> 01:10:22.262 sind unsere Kund_innen und wollen da auch immer mehr. Oder in den letzten Jahren die 01:10:22.462 --> 01:10:28.952 Wohnpartner, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Wohnpartner. Ja, es wird immer breiter 01:10:29.152 --> 01:10:35.684 und es entsteht immer mehr Interesse an diesem Thema. Das hängt sicher auch damit zusammen, 01:10:35.884 --> 01:10:47.222 dass das Thema immer präsenter wird, vor allem durch die vielen schweren Gewaltübergriffe, 01:10:47.422 --> 01:10:57.610 die Frauen erleben müssen in Österreich. Wir merken hier schon- eigentlich schon eine Zunahme 01:10:57.810 --> 01:11:03.040 der schweren Gewalt – nicht nur, weil jetzt mehr Flüchtlinge nach Österreich gekommen sind, 01:11:03.240 --> 01:11:16.988 sondern weil Frauen tatsächlich ganz arge Gewalt erleben müssen in Beziehungen. 01:11:17.188 --> 01:11:27.648 Und wir haben im Jahr 25-30 Morde an Frauen, im Grunde jedes Monat werden zwei Frauen ermordet. 01:11:27.848 --> 01:11:34.923 In einem kleinen Land wie Österreich, das ist schon sehr gravierend. Und die vielen anderen Vorfälle 01:11:35.123 --> 01:11:43.415 Also - und ich glaube, die Öffentlichkeit wird schon immer mehr aufmerksamer auf dieses Thema, 01:11:43.615 --> 01:11:50.133 weil es immer mehr sichtbarer wird. Also Gewalt an Frauen wird sichtbarer und es wird auch 01:11:50.333 --> 01:11:56.221 immer mehr thematisiert gottseidank. Aber leider halt oft nur in Zusammenhang mit Morden 01:11:56.421 --> 01:12:02.906 und Mordversuchen. Wir würden uns wünschen, dass mehr berichtet wird über die Hintergründe 01:12:03.106 --> 01:12:09.986 von Gewalt, auch mehr strukturelle Gewalt thematisiert wird und dass die Medien mehr auch 01:12:10.186 --> 01:12:20.484 diese Gewalt an Frauen nicht so verharmlosen, sondern eher wirklich auch mehr als ernstes Thema 01:12:20.684 --> 01:12:28.226 und als gravierendes Thema ansehen. Ja. Also das ist so unsere Arbeit: Öffentlichkeitsarbeit, 01:12:28.426 --> 01:12:34.064 Sensibilisierungsarbeit, Kampagnenarbeit, das sind so unsere Schwerpunktthemen. 01:12:34.264 --> 01:12:42.914 Und aber zusätzlich machen wir natürlich auch konkrete Projektarbeit. Zurzeit arbeite ich 01:12:43.114 --> 01:12:47.541 an einem EU-Projekt auch mit, wo es um das Thema Gewalt an älteren Frauen geht. 01:12:47.741 --> 01:12:52.245 Das ist auch ein Thema, das noch immer sehr tabuisiert ist, wo man eigentlich noch keinen 01:12:52.445 --> 01:13:00.332 wirklichen Schwerpunkt in unserer Gesellschaft hat. Und hier versuchen wir auch mehr Menschen 01:13:00.532 --> 01:13:06.297 zu sensibilisieren und aufzuklären, wie komplex dieses Thema eigentlich auch ist. 01:13:06.497 --> 01:13:13.554 Weil eben Frauen, gewaltbetroffene Frauen ja nicht nur in der Familie von Gewalt betroffen sind, 01:13:13.754 --> 01:13:19.385 sondern eben auch in den Pflegeeinrichtungen, Institutionen und auch durch mobile Dienste, 01:13:19.585 --> 01:13:26.498 der eben auch durch 24-Stunden-Kräfte immer wieder Übergriffe erleben. 01:13:26.698 --> 01:13:32.365 Hier müssen wir eben ansetzen und das ist auch ein Riesenthema. Ich habe in letzter Zeit das Gefühl, 01:13:32.565 --> 01:13:36.803 das ist eine der größten Menschenrechts-Verletzungen überhaupt, weil es wird kaum darüber 01:13:37.003 --> 01:13:44.024 geredet, aber es passiert tagtäglich so viel. Da sieht man- Natürlich diese Skandale, 01:13:44.224 --> 01:13:52.875 die öffentlich werden, aber auch wenn man mit Mitarbeiter_innen in Pflegeeinrichtungen redet 01:13:53.075 --> 01:14:02.959 oder eben mit Organisationen, wie Rotes Kreuz oder alle diese mobilen Einrichtungen, 01:14:03.159 --> 01:14:11.828 da merkt man schon, wie groß dieses Thema auch ist. Nicht nur in Österreich, sondern in Europa. 01:14:12.028 --> 01:14:26.591 Und wir sind da erst am Anfang. Das ist ein Thema. Und wir arbeiten auch viel im Gesundheitsbereich. 01:14:26.791 --> 01:14:34.641 Gottseidank ist es gelungen auch hier ein Gesetz zu etablieren in den Spitälern. 01:14:34.841 --> 01:14:43.383 Nämlich die Errichtung von Opferschutzgruppen in den Spitälern. Dieses Gesetz gibt es seit dem 01:14:43.583 --> 01:14:52.699 Jahr 2010, nämlich dass das Gesetz besagt, dass jedes öffentliche Spital sollte eine interdisziplinäre 01:14:52.899 --> 01:15:01.387 Opferschutzgruppe einrichten, um erwachsene Gewaltopfer zu unterstützen und auch adäquat 01:15:01.587 --> 01:15:11.362 zu behandeln und Hilfe anzubieten. Das ist zwar ein wichtiges und tolles Gesetz, aber leider ist es so, 01:15:11.562 --> 01:15:16.647 dass diese Opferschutzgruppen noch immer nicht wirklich etabliert sind in den Spitälern. 01:15:16.847 --> 01:15:22.091 Es ist immer noch ansatzweise vorhanden. In manchen Spitälern funktioniert es ganz gut, 01:15:22.291 --> 01:15:33.020 in anderen absolut sehr, sehr schlecht. Es gibt so Alibi-Gruppen, aber wirklich etabliert sind 01:15:33.220 --> 01:15:41.552 sie eigentlich in kaum einem Spital. Und das ist eigentlich auch schade, weil eigentlich müsste 01:15:41.752 --> 01:15:47.976 das nach so vielen Jahren jetzt wirklich auch ein Instrument sein, das funktioniert. 01:15:48.176 --> 01:15:55.111 Ich selber habe in Eisenstadt letztes Jahr eine Opferschutzgruppe im Landeskrankenhaus 01:15:55.311 --> 01:16:01.354 installiert und das war auch eine interessante Erfahrung, mit welchen Hürden und Schwierigkeiten 01:16:01.554 --> 01:16:06.559 wir da zu tun gehabt haben. Vor allem das Management war einfach 01:16:06.759 --> 01:16:13.072 nicht wirklich unterstützend. Und da merkt man immer wieder, wie wichtig es ist, 01:16:13.272 --> 01:16:18.021 dass eben die oberen Hierarchien das auch wirklich unterstützen und auch etablieren 01:16:18.221 --> 01:16:23.000 und das Personal unterstützen dahingehend, dass sie es auch wirklich umsetzen können. 01:16:23.200 --> 01:16:36.248 Ja, oder die privaten Spitäler, oder die halb-öffentlichen Spitäler, wie eben die 01:16:36.448 --> 01:16:42.998 Barmherzigen Brüder, die sind da sehr aktiv. Also ich merke das in Wien, die sind wirklich 01:16:43.198 --> 01:16:50.447 extrem aktiv und dort funktioniert es auch wesentlich sehr gut, eigentlich. Da gibt es eben sehr 01:16:50.647 --> 01:16:58.814 engagierte Ärzt_innen und Pflegekräfte, die sich hier viel überlegt haben und auch viel getan haben 01:16:59.014 --> 01:17:04.592 in letzter Zeit. Ja, in den öffentlichen Spitälern ist das schon ein bisschen sehr schwierig, 01:17:04.792 --> 01:17:09.714 also finde ich schwieriger. Kinder sind uns auch ein großes Anliegen, also Frauen und 01:17:09.914 --> 01:17:20.620 auch gewaltbetroffene Kinder. Es ist auch hier einiges passiert, vor allem dass zum Beispiel 01:17:20.820 --> 01:17:28.498 Seit 2013 gibt es eben auch im Rahmen des Gewaltschutzgesetzes die Möglichkeit, 01:17:28.698 --> 01:17:34.541 dass die Polizei zum Beispiel auch ein Kontaktverbot bei Schulen verhängen kann, 01:17:34.741 --> 01:17:42.393 wenn Kinder betroffen sind, beziehungsweise wenn ein gewalttätiger Mensch, oder ein Gefährder 01:17:42.593 --> 01:17:49.142 weggewiesen wird, dass er die Kinder nicht abholen darf von der Schule. 01:17:49.342 --> 01:17:58.144 Das ist auch eine wichtige Errungenschaft. Schade ist nur, dass es nur für Kinder bis zum 01:17:58.344 --> 01:18:08.488 14. Lebensjahr installiert wurde und Jugendliche ab 14 eigentlich diesen Schutz nicht genießen können. 01:18:08.688 --> 01:18:15.604 Wir haben gekämpft darum, dass es auch bis zum 18. Lebensjahr ausgeweitet wird, 01:18:15.804 --> 01:18:25.427 das ist leider aber nicht passiert. Ja. Und vor allem merken wir im Zusammenhang mit dem 01:18:25.627 --> 01:18:33.625 Kindschaftsänderungsgesetz, das im März 2013 in Kraft getreten ist, dass hier leider die Kinderrechte, 01:18:33.825 --> 01:18:43.018 oder das Kindeswohl nicht wirklich berücksichtig wird bei gewaltbetroffenen- oder bei Gewaltfamilien. 01:18:43.218 --> 01:18:50.594 Hier werden nach wie vor Kinder, oder die Wünsche der Kinder oft nicht berücksichtigt. 01:18:50.794 --> 01:18:55.858 Sie werden zum Teil sogar dazu verpflichtet sich mit dem gewalttätigen Vater zu treffen, 01:18:56.058 --> 01:19:01.624 obwohl sie das oft nicht wollen und obwohl das eigentlich nicht dem Kindeswohl entspricht. 01:19:01.824 --> 01:19:09.792 Hier ist auch sehr viel zu tun. Also wir merken eigentlich, dass diese gemeinsame Obsorge 01:19:09.992 --> 01:19:17.768 einerseits zwar gut ist für Paare, die sich wirklich auch nach der Trennung und Scheidung 01:19:17.968 --> 01:19:24.390 das gut regeln können. Da funktioniert es auch gut und dafür hätte man wahrscheinlich dieses Gesetz 01:19:24.590 --> 01:19:31.614 gar nicht gebraucht. Aber in Zusammenhang mit strittigen Trennungen oder bei Gewaltbeziehungen 01:19:31.814 --> 01:19:37.907 hilft dieses Gesetz eigentlich nicht. Frauen leiden sehr stark darunter und auch die Kinder. 01:19:38.107 --> 01:19:44.808 Und wir merken, dass die Justiz und die Familienrichter und -richterinnen oft hier nicht im 01:19:45.008 --> 01:19:48.811 Sinne des Gesetzes agieren, ja. 01:19:54.253 --> 01:20:01.557 Vielleicht kann ich noch berichten über unsere letzte Errungenschaft, würde ich so einmal sagen, 01:20:01.757 --> 01:20:09.966 das ist die Istanbul-Konvention. Es ist zwar nicht unsere Errungenschaft, das kann man nicht sagen, 01:20:10.166 --> 01:20:17.187 aber dass der Europarat diese Istanbul-Konvention umgesetzt hat und auch wirklich installiert hat, 01:20:17.387 --> 01:20:26.721 das ist natürlich eine großartige Sache. Und dass es Österreich ratifiziert hat und mittlerweile 01:20:26.921 --> 01:20:33.237 eben auch schon Vieles umgesetzt hat von dieser Istanbul-Konvention, ist natürlich schon sehr gut 01:20:33.437 --> 01:20:45.779 Ja, es haben in Europa jetzt 25 Länder ratifiziert von 46 Ländern, das heißt, noch immer ist nicht 01:20:45.979 --> 01:20:52.098 alles umgesetzt. Aber diese Istanbul-Konvention hilft uns natürlich schon viel bei Argumenten, 01:20:52.298 --> 01:20:58.264 bei politischen Aktionen und vor allem, wenn wir weitere Verbesserungen fordern, 01:20:58.464 --> 01:21:05.669 dann hilft uns diese Konvention schon. Und vor allem der Bericht, der jetzt kürzlich herausgekommen 01:21:05.869 --> 01:21:14.026 ist, das GREVIO-Expertinnenkomitee hat den offiziellen Bericht über die Umsetzung der 01:21:14.226 --> 01:21:20.786 Istanbul-Konvention jetzt veröffentlicht und das Gute daran ist auch, dass sehr viele 01:21:20.986 --> 01:21:27.964 Forderungen einfließen hat lassen vom österreichischen NGO-Schattenbericht, 01:21:28.164 --> 01:21:33.826 den wir ja auch gemacht haben gemeinsam mit 30 Organisationen. Und da sind viele Forderungen 01:21:34.026 --> 01:21:40.106 aufgenommen worden. Und das ist wichtig und gut, weil es uns in unserem Agieren 01:21:40.306 --> 01:21:47.513 und in unserem Kampf auch unterstützt, ja. Also eine Forderung zum Beispiel ist auch – 01:21:47.713 --> 01:21:54.924 und eine unserer wichtigsten Forderungen darin – ist eben, dass der Staat mehr Geld in die Prävention 01:21:55.124 --> 01:22:00.530 investieren muss, damit wir mehr Gewalt an Frauen verhindern können. 01:22:00.730 --> 01:22:10.287 Und das hat der Bericht auch angekreidet und hat gesagt zum Beispiel, das Frauenministerium 01:22:10.487 --> 01:22:17.766 hat nur zehn Millionen Euro zur Verfügung – und zwar zur Verfügung nur für Gleichstellungspolitik 01:22:17.966 --> 01:22:24.810 und zur Prävention von Gewalt – und das bedeutet im Grunde genommen, dass nur fünf Millionen 01:22:25.010 --> 01:22:33.466 tatsächlich zur Verfügung stehen. Und das ist natürlich absolut zu wenig für ein Land, 01:22:33.666 --> 01:22:39.983 das eigentlich 3,7 Milliarden Euro ausgeben muss, um die Kosten der Gewalt abzudecken 01:22:40.183 --> 01:22:46.779 und wir haben gesagt, ein Bruchteil davon müsste in die Prävention investiert werden 01:22:46.979 --> 01:22:50.914 und das Budget der Frauenministerin muss aufgestockt werden, weil es einfach viel 01:22:51.114 --> 01:22:59.527 zu wenig ist. Und nicht nur im Sinne der Gewaltprävention, sondern auch im Sinne des 01:22:59.727 --> 01:23:06.827 Ministeriums, damit auch mehr Beamt_innen angestellt werden können, um diese ganze Arbeit 01:23:07.027 --> 01:23:13.129 bewältigen zu können. Weil zwei Mitarbeiter_innen im Ministerium, die nur für Gewalt zuständig sind, 01:23:13.329 --> 01:23:20.032 das ist einfach zu wenig. Oder eben diesen ganzen Nationalen Aktionsplan [gegen Gewalt an Frauen] 01:23:20.232 --> 01:23:24.448 umzusetzen, da braucht es einfach mehr Ressourcen. Und und und. 01:23:24.648 --> 01:23:29.402 Also wir haben diese Forderung nicht nur für uns auch gestellt, damit die Frauenorganisationen 01:23:29.602 --> 01:23:35.078 mehr finanzielle Unterstützung bekommen, sondern auch, dass das Ressort ausgebaut wird 01:23:35.278 --> 01:23:39.163 und hier mehr Personal angestellt werden kann. 01:23:43.130 --> 01:23:48.639 Im Grunde ist es halt sehr viel politische Arbeit und das ist auch sehr spannend. 01:23:48.839 --> 01:23:54.912 Und vor allem ist es parteiunabhängige Arbeit, also wie sind nicht parteipolitisch, sondern 01:23:55.112 --> 01:24:02.016 wir arbeiten möglichst autonom, wie der Begriff eben noch immer sagt. Wir bezeichnen uns 01:24:02.216 --> 01:24:10.749 nach wie vor eben als autonome Frauenhäuser, weil uns das nach wie vor sehr wichtig ist, 01:24:10.949 --> 01:24:18.574 diese unabhängige Arbeit und dass wir nach wie vor kritisch sein können und uns nicht einvernehmen 01:24:18.774 --> 01:24:22.617 lassen müssen von irgendeiner Partei, die uns etwas vorgibt. 01:24:22.817 --> 01:24:27.905 Das ist schon sehr, sehr wichtig auch. Und nach wie vor ist uns das wichtig. 01:24:33.245 --> 01:24:41.386 Ja, eine große Utopie – oder ich hoffe, es ist nicht nur eine Utopie – aber es wäre noch wichtig, 01:24:41.586 --> 01:24:51.271 dass jede Frau wirklich einen sicheren Platz bekommen kann in einem Frauenhaus, 01:24:51.471 --> 01:25:00.795 oder dass die Rechte der Frau da wirklich auch gestärkt werden und dass die Gesetze 01:25:00.995 --> 01:25:07.753 so umgesetzt werden, wie es sein sollte. Wir haben ja gute Gesetze und wir haben, 01:25:07.953 --> 01:25:17.328 einen Rechtsstaat, der das eigentlich umsetzen sollte. Das wäre schon ein großer Wunsch. 01:25:17.528 --> 01:25:23.067 Ich glaube, Gewalt werden wir nicht abschaffen können, ja. Also es wäre schön, wenn 01:25:23.267 --> 01:25:29.577 es einmal eine gewaltfreie Gesellschaft geben würde – das wäre natürlich das größte Ziel. 01:25:29.777 --> 01:25:38.466 Das ist sicher eine Utopie. Aber ich würde mir wünschen und ich hoffe, dass in 100 Jahren 01:25:38.666 --> 01:25:46.871 es so ist, dass jede Frau und jeder Mensch im Grunde genommen, jedes Kind, jeder Mensch, 01:25:47.071 --> 01:25:52.123 der von Gewalt betroffen ist, eine adäquate Unterstützung bekommt. Und dass sie alle 01:25:52.323 --> 01:26:00.179 ihre Rechte einfordern können. Und dass Gewalterfahrungen auch ernst genommen werden, 01:26:00.379 --> 01:26:06.861 dass- sowohl von juristischer Seite, als auch von allen staatlichen Einrichtungen. 01:26:07.061 --> 01:26:12.272 Und dass es genügend Plätze gibt, ja, in den Fraueneinrichtungen. Und dass jede Frau nicht 01:26:12.472 --> 01:26:17.447 Dass keine Frau mehr betteln muss, um einen Platz oder um Unterstützung. 01:26:17.647 --> 01:26:22.543 Und dass die Gesetze auch wirklich umgesetzt werden. Und dass die zuständigen Richter, 01:26:22.743 --> 01:26:31.132 Richterinnen und auch Staatsanwälte auch adäquat und richtig agieren. Und dass nicht 01:26:31.332 --> 01:26:39.062 der Täterschutz im Vordergrund steht, sondern der Opferschutz. Dass hier nichts verharmlost wird 01:26:39.262 --> 01:26:46.732 und dass die Täter auch zur Verantwortung gezogen werden und dass das nicht verharmlost wird. 01:26:46.932 --> 01:26:53.696 Das ist mein größter Wunsch, weil ich glaube, nur so kann es irgendwie besser werden 01:26:53.896 --> 01:26:59.712 für Menschen, die in der Familie, oder in Beziehungen von Gewalt betroffen sind. 01:26:59.912 --> 01:27:09.652 Und ein großer Wunsch wäre halt auch, dass wir flächendeckend in ganz Österreich in die Schulen 01:27:09.852 --> 01:27:17.522 gehen können und Bewusstseinsbildung leisten können und mit jedem einzelnen Kind 01:27:17.722 --> 01:27:26.705 arbeiten können und sie informieren können – so einerseits auch über Gleichstellungspolitik 01:27:26.905 --> 01:27:34.046 und was das auch bedeutet, so Männlichkeit und Weiblichkeit, diese Stereotypen aufzuweichen 01:27:34.246 --> 01:27:38.031 und mit den Kindern zu arbeiten und vor allem mit den Burschen auch zu arbeiten, 01:27:38.231 --> 01:27:44.829 damit sie ihr Verhalten ändern und dass nicht laufen Gewalttäter produziert werden 01:27:45.029 --> 01:27:51.183 in unserer Gesellschaft. Und da müssen wir ansetzen. Aber dazu braucht es viele Kampagnen 01:27:51.383 --> 01:27:55.598 und laufende Kampagnen, Medienkampagnen. Wir müssen auch in die Medien gehen, 01:27:55.798 --> 01:28:01.712 müssen viel mehr aufklären. Und es müssen die Hilfseinrichtungen präsenter werden 01:28:01.912 --> 01:28:07.778 in der Öffentlichkeit. Das würde ich mir wünsche für die Zukunft, ja. 01:28:07.978 --> 01:28:14.273 Und Täterarbeit – oder opferschutzorientierte Täterarbeit wäre sehr sehr wichtig. 01:28:14.473 --> 01:28:21.720 Daran arbeiten wir auch ständig. Dass nicht nur die Opferschutzeinrichtungen ausgebaut werden, 01:28:21.920 --> 01:28:27.713 sondern dass auch die opferschutzorientierten Tätermaßnahmen mehr greifen und auch 01:28:27.913 --> 01:28:33.189 Im Sinne der Täter, dass sie eine Chance haben sich zu verändern, aber in erster Linie, 01:28:33.389 --> 01:28:37.366 damit Opfer noch mehr geschützt werden vor Gewalttätern. 01:28:37.566 --> 01:28:44.981 Ja. Das sind so meine Wünsche für die Zukunft. Visionen, ja.