WEBVTT
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Zur Vorgeschichte der Borodajkewycz-Affäre
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An der Hochschule für Welthandel
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lehrte der extrem rechte Professor Taras Borodajkewycz Wirtschaftsgeschichte
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00:00:23.580 --> 00:00:30.540
Bei seinen Vorlesungen hat er ununterbrochen rechte Anspielungen
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00:00:30.540 --> 00:00:36.720
und antisemitische Bonmots, wenn man so will, von sich gegeben
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00:00:36.720 --> 00:00:42.480
Zum Beipiel sagte er: Karl Marx ist der Enkel eines Rabbiners
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00:00:42.480 --> 00:00:52.140
oder der Verfasser der österreichen Bundesverfassung Hans Kelsen hieße in Wirklichkeit Kohn. Was überhaupt nicht gestimmt hat
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00:00:53.920 --> 00:01:02.500
und diese Ausführungen hat der damalige Student und spätere Finanzminister Lacina mitgeschrieben
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00:01:02.500 --> 00:01:10.540
er übergab sie damals einem jungen Sekretär im sozialistischen Parlamentsclub
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00:01:10.540 --> 00:01:14.440
Dr. Heinz Fischer, dem heutigen (ehemaligen) Bundespräsidenten
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00:01:14.440 --> 00:01:25.620
und der schrieb in der Arbeiterzeitung und im theoretischen Organ der sozialistischen Partei Zukunft Artikel gegen Borodajkewycz
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00:01:27.100 --> 00:01:32.200
Dann gab es die Kabarettsendung Zeitventil
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00:01:32.200 --> 00:01:43.140
wo man Originaltext - Kurt Sobotka als Borodajkewycz - vorgestellt hat
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00:01:43.760 --> 00:01:48.940
die Folge war eine riesige Aufregung in Wien
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00:01:48.940 --> 00:01:51.920
wir waren bei der letzten Vorlesung
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und Michael Siegert, der spätere Redakteur des profil, hat damals gesagt: Na was ist Herr Professor, heute gar nichts von den Juden?
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es waren natürlich auch die Rechten da
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und es war, wie man in Wien sagt, eine richtige Taucherei im Hörsaal
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und dann war die erste Demonstration der Dachorganisation der österreichischen Widerstandsbewegung
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am 29. März 1965 hier in den Arkaden
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schon mit schweren Schlägerei von uns mit den Rechten
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und dann die große Demonstration am 31. März 1965
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wir haben aber Schlussfolgerung gezogen aus der Demonstration vom 29. März
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00:02:44.940 --> 00:02:51.200
dass unbedingt eine starke Ordnertruppe notwendig ist
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denn sonst hätte es, meiner Meinung nach, mehr Tote gegeben
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wir sind damals von der Technischen Hochschule losgezogen
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wurden schon beschossen von den Rechten mit Orangen, die mit Farbe gefüllt waren, mit Böllern
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schwere Schlägereien schon an der Opernkreuzung, da war kurz ein Pattsituation
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00:03:15.540 --> 00:03:24.660
wir sind durchgebrochen und hier war dann dieser erste Tote der Zweiten Republik
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und ich habe mit dem ehemaligen Finanzminister Lacina gesprochen, der damals Student war
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und er hat mir bestätigt, dass einige, natürlich nicht alle
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00:03:37.280 --> 00:03:40.220
Hoch Boro!, gerufen haben
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und vor allen Dingen natürlich: Hoch Auschwitz!
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und hier war dann eine unglaubliche Empörung mit schwersten Schlägereien
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die dann circa acht Stunden in allen Straßen der Innenstadt von 16 Uhr bis ein Uhr früh stattgefunden haben
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besonders hart auch beim Burgtheater, wo die Rechten Schauspieler des Burgtheaters angegriffen haben
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00:04:13.540 --> 00:04:15.900
die uns Beifall geklatscht haben
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als eben Vertreter des Antifaschismus
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das Begräbnis von Kirchweger war das größte Begräbnis seit 1945
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25.000 Menschen waren damals in der Innenstadt beim Begräbnis
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und die Bundesregierung ist vorne gegangen, darunter ehemalige KZ-Häftlinge
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aus der Sozialistischen Partei, aber auch von der Österreichischen Volkspartei
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Das war die größte Affäre, die wir in der Zweiten Republik erlebt haben
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im Kampf gegen den Rechtsextremismus